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Dizzee Rascal

Dizzee Rascal

Der große Innovator ist zurück: Dizzee Rascal mit ‘Don’t Take It Personal’

Dizzee Rascal ist mit seinem achten Studioalbum „Don’t Take It Personal“ zurück und mischt seinen klassischen Grime-Sound mit House, Garage, Afrobeats, Rap - sowohl nostalgisch als auch zeitgemäß.

Von Natalie Brunner

Dizzee Rascal war seiner Zeit voraus. Vor über 20 Jahren, im zarten Alter von 17, betrat Dylan Mills aka Dizzee Rascal die Bildfläche mit seinem Debütalbum „Boy in da Corner“. Dieses Album war nicht nur ein Durchbruch für den UK Grime, sondern erlangte weltweite Anerkennung für seine einzigartige, eigenartige und aggressive Musik sowie für seinen frenetischen lyrischen Flow. Tracks wie das von ihm selbst produzierte „I Luv U“ waren für viele eine Offenbarung. Noch nie hatte man zuvor Vergleichbares gehört.

Grime ist ein Genre elektronischer Musik, das in den frühen 2000er Jahren in London entstanden ist. Es hat sich aus verschiedenen Einflüssen von underground Musikkulturen wie UK Garage und Jungle, Dancehall und Hip-Hop entwickelt. In London hauptsächlich von Piratenradios verbreitet, auf denen die MCs Live Sessions gaben, geriet Grime schnell in Verruf, jugendgefährdende Gangstermusik zu sein ; die Protagonist:innen wurden mit Sanktionen wie Auftrittsverboten belegt. Dizzee Rascals Album „Boy in da Corner“ wurde von XL Recordings 2003 in Großbritannien veröffentlicht und im darauffolgenden Jahr ein Welthit. Grime bekam so einen globalen Push.

Dizzee Rascal Albumcover "Don't Take It Personal"

Dizzee Rascal

„Don’t Take It Personal“ ist am 9.2.2024 auf Big Dirtee Records erschienen.

Dizzee Rascal ist in der Grime-Szene aufgewachsen. Er begann mit 14 zu rappen, und zwar über Drum’N’Bass Tracks, die sehr schnell sind, so um die 180 Beats per Minute. Zum Vergleich: Hip-Hop Tracks dieser Zeit haben zwischen 100 und 120 Beats per Minute. Dizzee Rascal kann also jede Art von Beat meistern - und das hört man auch auf seinem neuen Album „Don´t Take It Personal“, einer Verbeugung vor den UK-Musikstilen der 90er Jahre, das auch durchzogen ist mit humoristischen Verweisen auf seine eigene Karriere.

Während er in den 2010er Jahren kommerzielle Erfolge im Popbereich erzielte, mit Künstlern wie Robbie Williams zusammenarbeitete und oft nach Ibiza düste, um Raver:innen zu beglücken und gut Gage einzustreichen, scheint jetzt die Zeit für Kompromisse vorbei. Auf seinem achten Album „Don’t Take It Personal“ kehrt Dizzee Rascal zu seinen Wurzeln zurück. Das Album hat raue, abstrakte Nummern, aber auch clubtaugliche Tracks, die eine Verbeugung vor den underground Musikgenres sind, die in den 90er und frühen 2000er Jahren populär waren. UK Garage und UK Bass sind auf dem Album zu hören, aber auch Versionen von aktuelleren Genres wie UK Drill.

Dizzee Rascal hat die Hälfte der Beats auf seinem neuen Album selbst produziert und so jetzt, als knapp 40-Jähriger, wieder Lust bekommen, die roughen, basslastigen Sounds seiner Jugend zu feiern.

Beim Hören von Dizzee Rascals neuem Album wird auch klar: Nicht nur ist Mr Rascal ein fantastischer MC mit einem unnachahmlichen Flow, ein MC, der jeden Beat in jedem Tempo beherrschen kann, er hat auch einen großartigen Sinn für Humor. Einen Humor der Marke „es passiert genug Serious Shit, wenn man beginnt, dem nachzuhängen, kann man es gleich vergessen und versinkt in einem Wirbel aus Aggression und Frustration". Die hohe Kunst der Selbstironie beherrscht Dizzee Rascal ohne Zweifel: „Don’t Take It Personal“ ist ein großer Albumtitel für jemanden, der aus einer musikalischen Welt kommt, in der Kräftemessen und lyrische Drohgebärden so wichtig sind. Ein Albumcover, auf dem man einen Ferrari sieht, der in einer Schafherde stecken bleibt, ist eine visuelle Metapher, die mein Gemüt erfreut. Auch möchte ich die Behauptung aufstellen, dass die Nummer „How Did I Get So Calm“ in jede morgendliche Playlist gehört, um den Frust zu vaporisieren.

Ein Grime-Track im Stil der frühen 2000er Jahre ist „What You Know About That“. Lyrisch ist es eine Art Geschichtsstunde, in der uns Dizzee Rascal wissen lässt, dass er trotz zwischenzeitlicher Ausflüge ins Popgenre und diverser Musikpreise real wie nur was ist, und zwar seit Stunde Null. Zur Verstärkung hat er sich die MC-Kollegen von damals, JME und D Double E, für die Nummer dazugeholt. Die Kollaboration mit den beiden verstärkt das Gefühl von Solidarität und Zusammengehörigkeit in der Grime- Veteranen-Community. Rascal erinnert daran, dass er von Anfang an dabei war und sich seinen Platz hart erkämpft hat, ohne sich von anderen vorschreiben zu lassen, was er zu tun hat.

Auch ein Throwback ist „Get Out The Way“ featuring BackRoad Gee, ein rauer Grime-Track. Das Video dazu wurde beim Notting Hill Carnival gedreht und ist eine Verbeugung vor dieser jeden August stattfindenden Institution, die so wichtig für die Entwicklung elektronischer und diasporischer Musikstile in Großbritannien war und immer noch ist. Ganz viel Community Love bekommt Mr Rascal da zu spüren, auch wenn er, wie er sagt, an dem Tag, an dem das Video entstanden ist, eigentlich nur als Babysitter unterwegs war und Kinder gehütet hat, während Ex-Mentor Wiley sich bereit machte, auf die Bühne des Rampage Sound System zu gehen. „Putting in his teeth or whatever“, wie es Dizzee Rascal formuliert.

Mit seinem neuen Album beweist Dizzee Rascal wieder einmal großes Talent und enorme Vielseitigkeit. Und es erweist sich als gute Idee, zu den Wurzeln zurückzukehren und selbst zu produzieren.
„Don’t Take It Personal“ ist sowohl nostalgisch als auch zeitgemäß und erinnert daran, warum Dizzee Rascal als einer der einflussreichsten Grime MCs und großer Innovator seinen Platz in der Popgeschichte hat.

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