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Filmstills aus "Vista Mare"

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Planierter Urlaub

Sand, Gelato und Sonnenschirmreihen: so soll er ausschauen, der Urlaub in Oberitalien. Mit buchhalterischer Genauigkeit widmet sich die Doku „Vista Mare“ denen, die dafür sorgen, dass es so ist, wie es ist.

Von Anna Katharina Laggner

„Vista Mare“ beginnt als Gespensterfilm: das Meer ist grau und fließt am Horizont ohne Übergang in den ebenfalls grauen Himmel, die Balken aller Hotels sind runtergefahren, über dem Strand hängt der Nebel, ein paar Möwen krächzen aus dem Off. Dazu der Soundtrack von Gabriella Gordillo: er legt sich zwischen unheilvollen kleinen Schlägen und unheilverkündenden Tönen nicht fest, sondern verbreitet nebulöse Coolness. Mit der Symbolkraft einer undurchsichtigen Leere nimmt „Vista Mare“ seine Fahrt auf.

Die Planierung des Strandes

Und dann sehen wir, was alles zu tun ist, bevor die Saison beginnt: man testet, ob die smarte Steuerung der Sonnenschirme noch funktioniert. Zwei Näherinnen bessern große Terrassenschirme per Hand aus. Man überlegt sich ein neues Farbkonzept für die Souvenirs. Sand wird aus tieferen Lagen des Meeres an den Strand gepumpt und dort mit Baggern planiert. Im Restaurant üben die Neulinge das Aufdecken: Gabel links, Messer rechts, Schnittseite zum Teller gerichtet. Wenn alles auf Schiene ist, rollen die Autos, Camper, Wohnmobile heran, spucken ihre Insassen aus, die verteilen sich unter die parallel ausgerichteten Schirme (sie machen das aktiv, auch wenn es so scheint, als würden sie von unsichtbarer Hand eingeschlichtet werden in den Erholungsaufenthalt).

Filmstills aus "Vista Mare"

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„Vista Mare“ läuft auf der Diagonale und regulär in österreichischen Kinos.

Der Auf- und Abbau von Jesolo

„Vista Mare“ geht akribisch vor: alle, die zum Aufbau, Funktionieren und Gelingen des ober-adriatischen Strandurlaubs beitragen, werden von der Kamera bei ihrer Arbeit eingefangen. Und auch einen Teil der etwa fünf Millionen Menschen, die jährlich nach Jesolo kommen, sieht man. Die Einstellungen sind lange und ruhig. Es gibt keine Interviews, keinen Off-Kommentar, die Dramaturgie ist straight, der Film beginnt vor der Vorsaison und endet nach der Nachsaison. Die Filmemacher dokumentieren fast buchhalterisch die vielen Handgriffe, die es braucht, damit Jesolo so ist, wie es in den Augen der Urlaubenden zu sein hat.

Weshalb die beiden Filmemacher*innen Julia Gutweniger und Florian Kofler den Auf- und Abbau von Jesolo (sowie die Nutzung dazwischen) dokumentiert haben, außer damit er eben dokumentiert ist, erschließt sich nicht ganz. Aber das ist in Ordnung: „Vista Mare“ ist ein Film nur zum Schauen. Und vielleicht geht es den Filmemacher*innen ein Stück weit auch darum, selbst jene, die nicht den geringsten Zweifel am Konzept „Strandurlaub in Oberitalien“ hegen, zur Frage zu zwingen: ist das den Aufwand wirklich wert?

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Off-Season für Gespenster

Man könnte sagen, es ist unnatürlich, wie die Sardinen am Strand zu liegen. Genauso gut kann man sagen, es ist unnatürlich, in Fabriken und Büros und Tag für Tag acht Stunden zu arbeiten. Vieles im Leben und im Alltag scheint unnatürlich; das auf alle Fälle zeigt dieser Film. „Vista Mare“ ist eine artifizielle filmische Antwort auf den artifiziellen Zustand, der sich Massentourismus nennt. Denn das ist Jesolo: ein Zustand von Juni bis September. Das restliche Jahr über gehört Jesolo den Gespenstern.

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