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Game City 2017

Warum Gamer nicht über ihr Hobby reden

Die Game City ist wie immer sehr vielseitig: Spielemesse für neue Games und Hardware, Retro-Ausstellung für alte Spiele, E-Sport-Meisterschaft mit Finalturnieren und wissenschaftliche Vortragsreihe. Auf letzterer gab es heuer unter anderem einen Vortrag über Stereotypen und die (Selbst-)Identifikation von Gamern.

Von Christoph „Burstup“ Weiss

Future and Reality of Games, abgekürzt FROG, ist seit nunmehr einem Jahrzehnt fixer und wertvoller Bestandteil der Game City. Dieses Jahr sprechen dort drei Tage lang Forscherinnen und Forscher zum Thema Videospiele. Eine Keynote hielt heute (Samstag, 14. Oktober) Vormittag z.B. Clara Fernández-Vara, selbst Spielentwicklerin und Wissenschaftlerin an der New York University. Da sie auch einen Background als Literatur- und Medienwissenschaftlerin hat, spricht sie gerne über Erzählformen und Geschichten in Videospielen - heuer tat sie das über Detektivgeschichten in Games, ihr aktuelles Forschungsgebiet.

Aus Graz ist bei der FROG Harald Koberg zu Gast. Der Kulturanthropologe veranstaltet auch das großartige Button-Festival in Graz und schreibt über Videospiele für The Gap. In seiner Forschung geht es derzeit um die Frage, wie die gesellschaftliche Akzeptanz von Videospielen das Selbstbild von videospielenden Menschen beeinflusst - sein Vortrag war einer der Höhepunkte der Game City bisher.

Koberg

Christoph Weiss

Harald Koberg

In den letzten Jahren werde viel davon gesprochen, dass Videospiele „in der Mitte der Gesellschaft angekommen“ seien - und vieles spreche auch tatsächlich dafür, dass es so ist, sagt Harald Koberg. Doch es gebe auch immer noch Stereotypen, die Gamer daran hindern, ganz offen darüber zu reden, was sie spielen und wieviel. Außerhalb der Gamer-Communitys sei oft noch immer sehr wenig Verständnis dafür da.

„Meine Forschung ist sehr offen angelegt“, sagt Koberg. „Das heißt, ich führe sehr offene Interviews mit Leuten, die viel spielen und rede mit ihnen darüber, was sie tun, was sie spielen, was sie daran interessiert und wie sich das im Lauf ihres Lebens verändert hat. Und da ist mir eben sehr schnell aufgefallen, dass sehr wenige von diesen Leuten - auch, wenn sie sehr viel Zeit mit Spielen verbringen und sich hervorragend damit auskennen - sich sehr ungern selbst als Gamer bezeichnen und meistens dagegen argumentieren, dass sie Gamer sind. Und auf die Frage, ob sie außerhalb ihrer Gaming-Communities viel über das Spielen reden, wird meistens geantwortet: Nein, eigentlich nicht, es könne gefährlich sein, weil man sich dann ausschließt aus sozialen Gruppen. Das hat dazu geführt, dass ich mich mehr auf dieses Thema konzentriert habe.“

Harald Koberg argumentiert, dass das Spielen als kulturelle Praxis weit von der breiten gesellschaftlichen Akzeptanz entfernt ist, die von wissenschaftlichen und journalistischen Kommentatoren wiederholt diagnostiziert wurde. Gamer lesen Fachzeitschriften und Blogs über ihr Hobby, gehen auf Veranstaltungen und vieles mehr:

„Die sind hochinformiert, kennen sich bestens damit aus und würden wahrscheinlich andere Dinge, die sie ähnlich intensiv betreiben, sehr wohl als ihre Hobbies bezeichnen. In diese Richtung geht meine Forschung dann weiter: Warum halten sich diese Stereotype, diese negativen Bewertungen so stark, obwohl das eigentlich gegen alle statistischen Ergebnisse spricht - und da kommt man dann sehr schnell zu sozialen Machtstrukturen, wo es darum geht, Veränderung möglichst herunterzubremsen, um den sozial Mächtigen ihre Positionen zu bewahren.“

Hinsichtlich der ignorierten oder verzerrt wahrgenommenen statistischen Daten gehe es zuerst einmal um so naheliegende Dinge wie das Alter und das Geschlecht von Spielenden: „Es ist zum Beispiel klar, dass der ‚typische‘ Gamer schon längst kein Jugendlicher mehr ist. Das wird immer noch in den Stereotypen ganz klar so gesehen.“

Spieler müssen sich verteidigen

„Auch bei komplexeren Fragestellungen wie z.B. der Gewaltfrage - was passiert, wenn ich gewalthaltige Games spiele - ist die Forschung schon um einiges weiter als die öffentliche Wahrnehmung. Wenn man etwa mit Lehrern spricht, hört man oft das Argument, dass es ganz klar sei, dass Gewalt in Spielen negative Auswirkungen habe, doch die Forschung ist hier sehr kritisch und sagt, dass es wahrscheinlich nicht so einfach läuft.“

Bezugnehmend auf soziologische Theorien von abweichendem Verhalten und Stigmatisierung zeigt Koberg auf, wie und warum die Spieler sich immer noch verteidigen müssen. Er verweist auf kaum erforschte Fragen nach der Bedeutung von Spielen im größeren sozialen Kontext:

"Ich beziehe mich zentral auf den französischen Soziologen und Philosophen Pierre Bourdieu. In seinem Konzept geht es darum, dass wir aus unserer sozialen Gruppe lernen, wie wir mit der Welt umgehen sollen.

Diese Art des gleichen Umgehens mit der Welt hält auch die soziale Gruppe zusammen. In jeder Form von Jugendkultur ist es so, dass junge Menschen, die diese Arten, mit der Welt umzugehen, verändern, die soziale Gruppe dahinter ‚gefährden‘ - weil sie das Gefühl hat, nicht mehr so gut zusammenzugehören oder nicht mehr zu verstehen, was ein Teil ihrer Gruppe macht. Es geht hier also sehr stark darum, wer definieren darf, was gut und richtig ist."

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