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Hanna Fasching

artist of the week

Ein Album wie eine Therapiesitzung: My Ugly Clementine über ihr Debüt

Mit „Vitamin C“ liefert uns die Wiener Supergroup ein Debüt voller fresher Sounds. Im Interview erzählen My Ugly Clementine, wie schnell das Album entstanden ist, wie ein unkonventioneller Lovesong klingt und was das Haarewaschen mit Akzeptanz zu tun hat. Unsere FM4 Artists of the week.

Von Michaela Pichler

Es kann durchaus hilfreich sein, wenn man als Band so einen Mythos-umwobenen Start hinlegt wie es My Ugly Clementine vor einem Jahr getan haben. Damals veröffentlichten Sophie Lindinger, Mira Lu Kovacs, Kathrin Kolleritsch und Barbara Jungreithmeier ein Foto ihres neuesten Bandprojekts auf Facebook und sorgten damit innerhalb eines einzigen Tages für ein ausverkauftes Konzert, ohne einen einzigen Soundschnipsel ins World Wide Web entlassen zu haben. So viel zur Entstehungslegende. Ein Jahr später hat sich die Besetzung geändert, Barbara Jungreithmeier ist gegangen und Nastasja Ronck (die man unter anderem vom Pop-Projekt Lucid Kid kennt) ist gekommen, um zu bleiben.

„Vitamin C“ erschien am 20. März 2020 via Ink Music. Aus aktuellem Anlass schreibt das Label dazu: „Möge es den Hörer*innen und Fans jetzt erst Recht Kraft, Energie und gute Laune spenden – ganz so, wie es gedacht war.

Neben Live-Auftritten wie am Popfest 2019 oder am FM4 Geburtstagsfest im Januar waren My Ugly Clementine außerdem produktiv im Studio. Dabei ist das Erstlingswerk „Vitamin C“ entstanden – „Ich glaub so locker habe ich noch nie ein Album gemacht wie dieses, das ist extrem schnell gegangen. Es ist ganz schräg, weil ich hör mir das Album an und denk mir, dass das so viel Arbeit war, aber eigentlich fühlt es sich nicht so an! Denn es fühlt sich alles noch so frisch an und macht einfach total viel Spaß“, erklärt Sophie Lindinger, das Mastermind von My Ugly Clementine, die von den Kolleginnen* liebevoll auch Mama Clementine genannt wird. Die Songwriterin ist im Album-Produzieren als die eine Hälfte des Electro-Pop-Duos Leyya schon erprobt.

Ein Foto der Band My Ugly Clementine

Hanna Fasching

Wenn dir das Leben Clementinen schenkt

Für das Clementinen-Projekt hat Lindinger sich allerdings ganz klassisch einfach die Gitarre geschnappt und in einer Woche fünf Songs geschrieben: „Ich hatte einfach Lust, mal was anderes zu machen!“ Mit dem Endprodukt „Vitamin C“ wollen My Ugly Clementine den Vitaminmangel ihrer Hörer*innen tilgen - im übertragenen Sinne. Damit ist das Album ein selbstbewusstes Statement voller noisiger Gitarrenriffs, vier starker Stimmen, Pop-Ohrwürmern und energetischer Attitüde. Die Texte sind genauso stark wie die E-Gitarren-Soli – ist das Bandprojekt auch ein wichtiges Ventil geworden? „Grundsätzlich schreibe ich alles auf, was in mir gerade vorgeht. Und natürlich denkt man daran, wie dieses Band-Mindset ist und weiß, wie die Banddynamik funktioniert und über welche Themen wir bei den Proben sprechen. Wir kommunizieren auch sehr viel während dem Proben, das ist sehr schön – und meistens ist es eher eine Therapieprobe!“

„Vitamin C“ ist ein Debütalbum, das für die Musikerinnen* auch zur Psychohygiene geworden ist, eine Therapiesession verewigt in zehn Songs. So privat das jetzt klingt, die Themen am Album sind auch politisch. Wenn es im Song „Playground“ zum Beispiel um männlich dominierte Räume geht - wie es auch in der Musikwelt immer noch der Fall ist. „Dass dieses Business halt auch männlich dominiert ist und alles was dann anders ist, ist irgendwie „merkwürdig“ oder „besonders“. Und eigentlich denk ich mir nur: „Na!? Wir machen genauso Musik wie jede andere Band und so wollen wir auch wahrgenommen werden!“

Und wenn wir schon bei Räumen sind: Im neuesten Musikvideo zum Song „Who“ (Regie: Gersin Livia Paya) präsentieren sich My Ugly Clementine in einer Turnhalle, zwischen Kletterseilen, Ringen und den herum cruisenden Vienna Roller Derby Team. So cool und entspannt hätten sich wohl viele ihren Turnunterricht gewünscht.

Selbstermächtigung wird bei My Ugly Clementine groß geschrieben - und das auch, wenn es um die Liebe geht. Denn mit klassischen Love-Songs können My Ugly Clementine nicht viel anfangen. „Es gibt diese ganzen Liebeslieder, bei denen ich das Gefühl habe, diese Menschen geben sich komplett auf für eine andere Person. Das passiert so oft, vor allem wenn man in diesem Verliebtseinsstatus ist. Und man macht für diese eine Person auf einmal Sachen, die man normalerweise nie machen würde.“, meint Sophie Lindinger. Auf „Vitamin C“ gibt es deshalb ein Liebeslied an sich selbst: „Try Me“ rückt die Perspektive im rosaroten Liebes-Wirrwarr auf selbstreflektierte Bahnen. Um sich selbst an erste Stelle zu stellen, bevor man jemanden anderen wirklich lieben kann. Das hat auch viel mit Akzeptanz zu tun, ein Thema, das sich auch im „Hairwashsong“ widerspiegelt. Eine bittersüße E-Gitarrenmelodie leitet die frohe Botschaft ein:

I don’t care if you wash your hair

„Es geht um diese Oberflächlichkeiten im Alltag, dass jeder Mensch gelesen wird, wie er auftritt und wie er aussieht. Und manchmal hat man vielleicht auch einfach keine Lust, sich die Haare zu waschen“, erzählt Mama Clementine lachend im Interview.

Es geht immer ums Vollenden

My Ugly Clementine beweisen auf ihrem Debüt, wie man einen bleibenden Eindruck hinterlässt. So gelingt ihnen das auch mit ruhigeren Tönen und ihrer letzten Nummer am Album: „Peptalk“, ein Song, der auch im Live-Set zu den absoluten Höhepunkten ihrer Konzerte gehört. Hier zeigt sich die charakteristische Stärke von My Ugly Clementine in seiner vollen Pracht, denn jede der vier Musikerinnen* präsentiert in jeweils einer Strophe ihre Stimme. Live führt das zu einer knisternden Atmosphäre, My Ugly Clementine gehen an den Rand der Bühne, sie umarmen sich und werden dafür mit der ungeteilten Aufmerksamkeit des Publikums belohnt. Mit „Peptalk“ entdecken My Ugly Clementine den Blues und setzen ihn gegen Selbstzweifel und als Motivationshymne für sich selbst ein. „Es ist auch so ein bisschen ein Abschluss-Song, um am Ende des Albums nochmal zu reflektieren und zu sagen: Hey, I’m good enough.“

My Ugly Clementine

Hanna Fasching

Aufgrund der derzeitigen Lage in Bezug auf das Corona-Virus ist die kommende Tour im April und Mai von My Ugly Clementine auf den Herbst 2020 verschoben worden: Alle Infos gibt es hier!

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