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Aids Hilfe Haus

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Die wahrscheinlich schwerste Tür Wiens

„Ich habe lange gebraucht, bis ich in das AIDS Hilfe Haus hineingegangen bin, für diesen Schritt in diese Tür hinein. Die Diagnose war dann für mich so endgültig. Viele haben immer noch Hemmungen“, erzählt Elisabeth Mikulenko, Obfrau vom Verein „Positiver Dialog“.

Von Gersin Livia Paya

Elisabeth Mikulenko ist glücklich, aber vor allem stark. Sie ist Obfrau von „Positiver Dialog“, einem Verein für Selbsthilfegruppen im AIDS Hilfe Haus Wien. In dieses Haus konnte Mikulenko vor 15 Jahren, als sie von ihrer Diagnose erfuhr, nicht ohne die Hilfe ihrer Therapeutin gehen. Die Tür zu öffnen, diese Schwelle zu überqueren, ist für viele Menschen immer noch eine große Hürde, weil es der Schritt in ein Leben mit der Diagnose ist, so erklärt es Mikulenko im Gespräch auf der Wiener AIDS-Fachtagung in der Hauptbücherei Wien.

Grafik

Aids Hilfe Wien / Bernd Eischeid

Das Wiener AIDS Hilfe Haus Wien ist von einer kleinen NGO mit Arbeitsräumen in verschieden Wohnungen im achten Bezirk zu einem internationalen Vorzeigeprojekt gewachsen. Das Haus ist heute ein Symbol der Solidarität mit Menschen mit HIV und AIDS und ihren Angehörigen und ein zentraler Ort der Beratung, Tests und Prävention.

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Jürgen Hammerschmid

Wolfgang Wilhelm und Isabell Eibl

Vor 20 Jahren, am 1. Dezember 1997, wurde das AIDS Hilfe Haus Wien am Mariahilfer Gürtel 4 offiziell eröffnet. Vieles hat sich seither verändert. Der medizinische Fortschritt hat dafür gesorgt, dass Menschen mit HIV heute eine annähernd gleiche Lebenserwartung wie Menschen ohne HIV haben. Hat AIDS seinen Schrecken in der westlichen Welt damit weitgehend verloren? Gehen die Menschen wieder mehr Risiken ein?

Der Obmann des Wiener AIDS Hilfe Hauses Wien, der Sozialwissenschafter und Leiter der Antidiskriminierungsstelle Wolfgang Wilhelm dazu: „Wir sehen hier zwei Trends: Neuere Generationen, die nicht mit HIV aufgewachsen sind, unterschätzen die Gefahr oft und glauben, dass HIV etwas aus den 80ies und 90ies ist und es das heute gar nicht mehr gibt. Oder sie denken in romantischen Beziehungen, dass ihr Partner oder ihre Partnerin ihnen näher ist, als es das Virus je sein kann. Diese Weniger-Beachtung des Themas gibt es.“ Gleichzeitig sieht Wilhelm hier aber auch eine Möglichkeit der künftigen Prävention, denn „wenn uns etwas nicht mehr so große Angst macht, sind wir eher bereit darüber nachzudenken und verleugnen es nicht mehr“. Auch die Geschäftsführerin der AIDS Hilfe Wien, Isabell Eibl, spricht davon, dass es der Vermittlung richtiger Bilder bedarf, denn viele Bilder führen zu Diskriminierung und nicht zu mehr Schutz.

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Jürgen Hammerschmid

Das „soziale AIDS“ bedeutet Diskriminierung, Ausgrenzung und die Stigmatisierung und findet noch immer statt. So erzählt es Frau Mikulenko aus eigener Erfahrung: „Es ist offener geworden, früher gab es ein totales Tabu. Aber es hat sich irgendwie auch nichts geändert, man muss sehr aufpassen, wem man es sagt und wie man es sagt. Ich habe mich öffentlich geoutet, nach Absprache mit meiner Familie, und das geht. Aber allgemein wird es immer noch totgeschwiegen. Stigma, Ausgrenzung und Vorurteile: Die erste Frage, die mir gestellt wurde nach der Diagnose, war, ob ich auf den Strich gegangen bin oder spritzte. Dass ich als normale Hetero-Frau von meinem Mann infiziert wurde, war unvorstellbar.“

Ich überrasche die Menschen immer wieder, wenn ich sage, ich bin positiv, weil ich so gut aussehe.

Eibl und Wilhelm appellieren an alle, das seit Jahrzehnten bewährte Kondom zu nutzen, denn es ist nach wie vor der einfachste Schutz. Außerdem sind in Österreich seit 2016 auch HIV-Medikamente zugelassen, die präventiv wirken.

PrEP (auch HIV-PrEP) ist die Abkürzung für „Prä-Expositions-Prophylaxe“, auf Deutsch: Vorsorge vor einem Risiko-Kontakt. Bei dieser Schutzmethode nehmen HIV-negative Menschen HIV-Medikamente ein, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen.

PEP ist die Abkürzung für „Postexpositionsprophylaxe“. Eine Notfallmaßnahme, bei der unmittelbar nach einer vermuteten HIV-Übertragung vorsorglich HIV-Medikamente verabreicht werden, um eine Ansteckung zu verhindern.

PrEP und PEP haben den Kampf gegen AIDS, vor allem in der EU, gestärkt. In vielen Ländern leben bis zu 50% der HIV-positiven Bevölkerung in den Großstädten. Metropolen stehen daher vor besonderen Herausforderungen.

Mikulenko von „Positiver Dialog“ steht dem PrEP-Medikament kritisch gegenüber, da sie Missbrauch und Leichtsinn beobachtet. „Menschen, die gesund sind, nehmen dieselbe Therapie ein wie ich. Ein Medikament gegen einen tödlichen Virus, der gar nicht in ihrem Körper ist. Wen oder was bekämpft das Medikament in einem gesunden Körper? Diese Menschen erkranken oft an anderen Krankheiten.“

Unwissenheit ist fatal und Aufklärung nachwievor notwendig, man muss „neue Generationen aufklären und alte Generationen daran erinnern“, sagt Wilhelm. AIDS ist mittlerweile eine chronische Krankheit und HIV kein tödlicher Virus mehr. Weltweit leben etwa 36,7 Millionen Menschen mit HIV/AIDS. Die Zahl der Neuinfektionen und Todesfälle sinkt, gleichzeitig erhalten immer mehr Menschen dauerhaft eine HIV-Therapie.

Wer HIV-positiv ist, regelmäßig Medikamente nimmt und auf die Therapie anspricht, ist nicht infektiös und kann also das Virus nicht weitergeben. HIV-positive Menschen brauchen keine Sonderbehandlung mehr, auch Kindergärten leben die Integration. Aber vor allem im medizinischen Bereich bedarf es mehr Information, wie Wolfgang Wilhelm erläutert: „Ein ganz normaler Umgang, hygienisch wie üblich, reicht völlig aus, um eine Infektion wirksam zu verhindern.“

  • AIDS Hilfe Wien: Mariahilfer Gürtel 4, 1060 Wien. Öffnungszeiten: Mo 16-20 Uhr, Mi 16-20 Uhr, Do 9-13 Uhr, Fr 14-18 Uhr. Telefon: +43 1 59937-30
  • Rosa Lila Villa: österreichisches Lesben-, Schwulen- und Transgenderzentrum
  • hosi: Homosexuelle Initiative Wien

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