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Filmflimmern

Filmflimmern

Neu im Kino: Godard Mon Amour, HERRliche Zeiten, No Way Out, 7 Tage in Entebbe. Außerdem: Neue Vorwürfe und Klagen gegen Harvey Weinstein, Bernardo Bertolucci will einen Film mit Kevin Spacey machen, James Cameron weiß, was „2001 - A Space Odyssey“ fehlt, und alles, was man über Michelle Wolfs Auftritt wissen muss.

Von Pia Reiser

Le Redoutable - Godard Mon Amour

Es ist das größte Leinwand-Haarverbrechen, seit man Chris Hemsworth für den letzten „Thor“-Film seine Surfermähne abgeschnitten hat. Für seine Rolle als Regie-Legende Jean Luc „Jump Cut“ Godard hat man Feschak Louis Farrell nicht nur seine Haare abgeschnitten, sondern ihm auch noch eine angedeutete Glatze ins Haupt rasiert. Wenn man sich von dem Schock erholt hat, ist „Godard mon Amour“ aber eine ziemliche Freude. Man trifft Godard im Jahr 1967, als gefeierten Vertreter der Nouvelle Vague, geliebt von Kritik und Publikum und verliebt in die 19-jährige Anne. Als allerdings sein Film „La Chinoise“ durchfällt, schlittert Godard in eine Sinn- und Ehekrise. Michel Hazanavicius lässt „Godard Mon Amour“ wie einen Film Godards aus den 1960ern aussehen und hat sichtlich Freude daran, seine Hauptfigur neurotisch und narzisstisch an den Studentenprotesten des Jahres 1968 teilnehmen zu lassen und darin Seelenheil und neue berufliche Orientierung zu suchen. Retro-Schick und tongue-in-cheek. Dafür gab es 7 von 10 Pflastersteine werfende Regisseure.

HERRliche Zeiten

Oskar Roehler bezeichnet sich selbst als „eher rechts als links“ und verfilmt dann auch noch den Roman von Thor Kunkel, der von der AfD als Werbestratege angeheuert wurde. Was dabei herausgekommen ist, ist dann aber doch nicht Arthauskino von rechtsaußen, sondern eine Satire in grellem Gewand - wie immer bei Roehler ist die Übertreibung nicht weit. „Suche Sklaven“, inseriert das wohlhabende Ehepaar - nicht ganz ernst gemeint - und findet ein Ehepaar, das das mit den dienenden und den herrschenden Menschen sehr wohl ernst meint. Statt die Angst vor Zuwanderung, die im Roman im Vordergrund steht, zu bebildern, wird „HERRliche Zeiten“ zur Kapitalismuskritik in Bildern des Hochglanz-Trash. Rechts ist der Film sicher nicht, wirklich gut ist die hölzerne Parabel über dehnbare Moral aber auch nicht. Dafür gab’s dann 3 von 10 Moorbädern in der Villa.

Szenenbil "HERRliche Zeiten"

Filmladen

Transit

Christian Petzold, der deutsche Regisseur, der für die Kühle und Strenge zuständig ist, gibt sich für „Transit“ weniger streng und kühl als gewohnt. Der Film beruht auf dem Roman von Anna Seghers, doch Petzold überträgt die Geschichte von Flüchtlingen ins heutige Marseille. Paris ist in dem Parallel-Jetzt von „Transit“ von deutschen Faschisten besetzt. Georg (Franz Rogowski) flieht vor den Deutschen und gibt sich als ein Schriftsteller aus, dessen Papiere ihm per Zufall in die Hände gefallen sind. In Marseille lernt er die Ehefrau des Schriftstellers kennen. „Transit“ erzählt von der Liebe und der Flucht und der Liebe auf der Flucht. Wer bis jetzt noch kein Franz-Rogowski-Denkmal gebaut hat, wird dies nach „Transit“ tun. (Am 4. Mai ist Regisseur Christian Petzold bei zwei Vorführungen (17.30 und 20 Uhr) von „Transit“ im Stadtkino in Wien anwesend.

Szenenbild "transit"

Stadtkino

No Way Out

Joseph Kosinski bringt mit seiner wahren Geschichte um eine Spezialeinheit der amerikanischen Feuerwehr, die für Waldbrände zuständig ist, eine Hymne auf amerikanische Helden aus der Arbeiterklasse auf die Leinwand. Nicht frei Stereotypen und Sentimentalitäten, dafür aber solide inszeniert und mit Josh Brolin, Jeff Bridges und Jennifer Connelly klasse besetzt. Christian Fuchs verleiht 6 vo 10 Lauffeuern.

Josh Brolin

Constantin

7 Tage in Entebbe

Rosamund Pike, braun statt blond und mit einem „Barb“-Brillengestell und Daniel Brühl, vollbebartet, geben die beiden Terroristen Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, die 1976 gemeinsam mit palästinensischen Terroristen einen Air-France-Flug kapern. Regisseur Jose Padilhas Steckenpferd scheint die Inszenierung von speziellen Einheiten der Exekutive zu sein, nach „Tropa de Elite“ und - ähem - „Robocop“ bringt er mit „7 Tage in Entebbe“ die Militäroperation, die die Geiseln befreit, auf die Leinwand. Padilha bemüht sich, seinen Film auch so aussehen zu lassen, als sei er in de 1970ern gedreht worden, dennoch überzeugt das Drama nicht ganz. (Brühls Vollbart ist natürlich trotzdem Spitzenklasse). Petra Erdmann hat Jose Padilha zum Interview getroffen.

Daniel Bruehl und Rosamund Pike

Constantin

Maurice & Jacques Tourneur im Filmmuseum

Beim Vater, einem gefeierten Stummfilmregisseur, lernt Jacques Tourneur sein Handwerk und folgt - wie sein Vater - dem Ruf in die USA. Dort wird er Western und Abenteuerfilme drehen und einen herausragenden Film Noir („Out of the Past“ mit Robert Mitchum). Poesie und Schattenwelt: Die Filme von Jacques Tourneur sind zwar immer noch nicht Teil des offiziellen Filmkanons, werden aber in vielen pochenden Herzen seiner Fans verehrt. Während Universal in den 1940er Jahren eine geisterbahnartige Parade von Monstern - Werwölfe, Mumien, Dracula - auf die Leinwand schickt, produziert das kleinere Studio RKO eigentümliche, vergleichsweise günstig produzierte B-Movies. Regisseur Jacques Tourneur setzt auf Mysteriöses statt auf Spektakel. Die titelgebende Untote aus „I walked with a zombie“ ist eine Frau, gefangen in einem Trancezustand, die in einem Krankenbett auf einer karibischen Insel vor sich hin starrt. Ein Film, wie ein Fiebertraum, Schatten huschen über Wände und aus der Ferne hört die kanadische Krankenschwester die Trommeln eines Voodoo-Rituals. Schulmedizin trifft Magie, Vernunft auf Übernatürliches. Und während man in einem Hollywood-Film aus dem Jahr 1943, der auf einer kleinen Karibikinsel spielt, Exotismus befürchten könnte, flicht Jacques Tourenur in „I walked with a zombie“ eine Kritik an Sklaverei und Kolonialismus in sein schauriges Melodram. Er selbst sei Pragmatiker, so der 1977 verstorbene Regisseur, die Poesie, die man in seinen Filmen so schätzt, habe er vom Produzenten Val Lewton gelernt.

Filmplakat "Cat People"

RKO

Mit Lewton dreht Tourneur auch den Film, der sich in der Popkultur verankern wird: „Cat People“. Eine junge Frau, die aus Serbien nach New York gekommen ist, fürchtet einen alten Fluch ihrer Landsleute: Dass sie sich, wenn sie ihrem sexuellen Begehren nachgibt, in eine Raubkatze verwandelt.

Verdrängte weibliche Sexualität und der Status als Immigrantin als Ausgangspunkt für ein Spiel mit Licht, Schatten, alten Mythen und dem amerikanischen Traum. Tourneur weiß, dass man das Monster oder die Bestie nicht sehen muss, um sie zu fürchten. Es muss sie genau genommen nicht einmal geben. Tourneur setzt auf die Kraft der Suggestion und dann ist ein kleiner Geräuscheffekt schon Schock genug. Seine Filme strotzen vor unheimlicher Eleganz oder eleganter Unheimlichkeit.

4. Mai bis 2. Juni 2018: Out of the Past – Maurice & Jacques Tourneur im Filmmuseum, Wien

Außerdem

  • Ashley Judd will Harvey Weinstein wegen sexueller Belästigung und Rufschädigung verklagen, neue Vorwürfe gegen Weinstein hat Alexandra Canosa, Produzentin u.a. der Serie „Marco Polo“, geäußert, sie sei über fünf Jahre von Weinstein mehrmals bedrängt, belästigt, bedroht und vergewaltigt worden. Auch Cate Blanchett hat in einem Interview die Frage, ob sie je von Weinstein belästigt worden sei, mit „yes“ beantwortet.
  • Wir brauchen keinen weiblichen James Bond, wir wollen ein eigenes Spioninnen-Franchise! Rachel Weisz hatte das bereits vorgeschlagen, ihr Ehemann Daniel Craig kann ja ruhig die nächsten Jahre noch James Bond spielen, aber eine höchst illustre Schauspielerinnenrunde (Jessica Chastain, Lupita Nyongo, Marion Cotillard) hat sich für einen Spionagethrillerzusammengetan. Die Grundidee stammt von Jessica Chastain, das Drehbuch wird Theresa Rebeck verfassen.
  • Lupita Nyongo wird außerdem im Remake von John Woos „The Killer“ zu sehen sein, Woo selbst wird voraussichtlich wieder Regie führen.
  • Hattet ihr immer das Gefühl, der seit Jahrzehnten von der Filmkritik verehrte Film „2001“ sei natürlich eh ein visueller Meilenstein, aber irgendwas fehlte dann doch? Regisseur James Cameron geht’s genauso, er findet „2001 lacks emotional balls“.
  • Die Dreharbeiten zu Bernardo Bertoluccis Skandalfilm „Der letzte Tango in Paris“ sind #metoo in a nutshell. Beim Frühstück haben sich damals Bertolucci und sein Hauptdarsteller Marlon Brando überlegt, dass sie der Schauspielerin Maria Schneider erst ganz kurz vor dem Drehen der Szene sagen würden, dass ihre Figur vergewaltigt werden würde. Was die beiden Schneider gar nicht sagten, ist, dass Brando ein Stück Butter als Gleitmittel zweckentfremden würde. Maria Schneider hatte bereits vor 11 Jahren in Interviews darüber gesprochen, doch erst als 2016 Bertolucci in einem Interview erklärte, er wollte Schneiders Reaktion „als Frau, nicht als Schauspielerin. Ich wollte, dass sie gedemütigt reagiert“, ging ein Aufschrei durch die Medien. Bertolucci, der betont, das #metoo movement zu unterstützen, findet jetzt gerade aber, dass sich Ridley Scott dafür schämen sollte, dass er ihn in seinem Film „All the money in the world“ durch Christopher Plummer ersetzt hat, nachdem die Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe gegen Spacey öffentlich geworden sind. Er, Bertolucci, würde jetzt gerne einen Film mit Spacey machen. Mit der Vorgeschichte des Regisseurs und seinem potentiellen Hauptdarsteller könnte das ein schwierig zu castendes Projekt werden.
  • Juhu! Es gibt eine Doku über Betty Davis - außerdem einen Trailer für die Doku über Alexander McQueen.
  • „Wolf’s routine burst the bubbles of civility and performance, and of the separation of media and comedy.“ Nachlese im New Yorker zum Auftritt von Comedian Michelle Wolf beim White House Correspondents Dinner.
    John Mulaney hat schon gute Witze über Donald Trump gemacht, als der noch nicht Präsident war, in Mulaneys sehr gutem neuen Programm „Kid Gorgeous“, das auf Netflix zu finden ist, findet er auch eine recht gute Metapher für den aktuellen US-Präsidenten:

Termine

03.-05.05: /slasheinhalb, Filmcasino, Wien
03.-08.05: Zionismus und Utopie, Metro Kinokulturhaus, Wien
04.-25.05: Karin Brandauer Retrospektive, Metro Kinokulturhaus, Wien
04.-10.05: 12th Ethnocineca - Int. Documentary Film Festival Vienna
04.05-02.06: Out of the Past – Maurice & Jacques Tourneur
Filmmuseum, Wien
04.05: Scorpio, der Killer, Stadtkino, Wien
05.05: Chihiros Reise ins Zauberland, Filmcasino, Wien
05./06.05.: Amadeus, Gartenbaukino, Wien
06.05: Der Leopard, Leokino, Innsbruck
07.05: Der Wilde, Bellaria, Wien

In diesem Sinn: I like the dark. It’s friendly. („Cat People“)

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