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Screenshot aus "Dear Esther"

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More Virtual Vacation

Videospiele bringen uns oft an entlegene und fiktive Orte, ohne, dass wir unseren Koffer dafür packen müssten. Auch im August sind RedakteurInnen des FM4 Spielkultur-Ressorts wieder an einige virtuelle Urlaubsorte gereist.

„Jalopy“

Von Robert Glashüttner

Vor allem für die Babyboomer-Generation bedeutete das erste eigene Auto Freiheit. Freiheit, quasi überall hinreisen zu können und unabhängig zu sein. Besonders weit her war es mit dem eigenen Auto, und schon gar nicht mit der Unabhängigkeit aber dann, wenn man Bürger oder Bürgerin eines Landes des ehemaligen Ostblocks war. In der DDR hat man aber mit viel Geduld doch irgendwann seinen Trabi bekommen. In „Jalopy“, das übersetzt „alte Klapperkiste“ bedeutet, heißt unser Trabi Laika 601 Deluxe. Zuerst müssen wir ihn mal zusammensetzen und zum Laufen bringen. Eine Autotür vom Schrottplatz, ein neuer Motor und frisches Öl aus der Garage, und langsam, langsam sind wir startbereit.

Screenshot aus "Jalopy"

Minskworks

Auf unserer Reise begleitet uns Onkel Lütfi, mit dem wir von Ostberlin erstmal nach Dresden aufbrechen. Zwischendurch müssen wir unseren Laika immer wieder warten. Frisches Kühlwasser und Benzin nachfüllen, Auto putzen, Reifendruck checken. Manchmal finden wir am Straßenrand stehengelassene Gegenstände, die wir nutzen oder an der nächsten Tankstelle verkaufen können. „Jalopy“ ist also erstmal nur ein kurioser Auto-Survival-Simulator, doch bald schon entspannt sich auch eine Geschichte. Es stellt sich heraus, dass wir Juni 1990 schreiben, wo die DDR noch nicht aufgelöst und die Behörden und Grenzbeamten mitunter verunsichert waren, wie sie sich verhalten sollen. Onkel Lütfis Ziel ist es, über die Balkanroute in die Türkei und damit in Sicherheit zu kommen.

„Jalopy“ ist spielerisch und technisch ebenso klapprig wie der Laika, den wir fahren und warten. Dennoch ist die ungewöhnliche Reise während des Endes des Eisernen Vorhangs ein virtueller Ausflug, der länger im Gedächtnis bleibt.

Serien schauen in Virtual Reality

Von Christian Stipkovits

Das gemeinsame Anschauen von Serien und Filmen auf der Couch oder im Kino ist bekanntermaßen eine schöne soziale Aktivität. Was tut man aber, wenn man hunderte Kilometer voneinander entfernt lebt und trotzdem Filme und Serien gemeinsam anschauen möchte? Klar kann man sich vor dem Computer setzen, sich über Mikro und Boxen unterhalten, und gleichzeitig auf den Play-Button drücken. Aber wirklich zusammen ist man dann ja nicht. Und außerdem sitzt man vor dem Computer - nicht allzu bequem.

Screenshot aus der Software "Bigscreen"

Bigscreen, Inc.

Mit Virtual Reality rückt man dem physischen miteinander schauen schon etwas näher. Die Software „Bigscreen“ streamt den PC-Bildschirm in eine virtuelle Umgebung: Auf einmal sitzt man gemeinsam in einem großen Kinosaal mit roten Sitzen, oder in einer Luxuswohnung mit Ausblick über die ganze Stadt. Mein Lieblingsszenario ist mitten im Wald. Dort gibt es ein Lagerfeuer, das leise im Hintergrund knistert und aus den Augenwinkeln fliegt die eine oder andere Sternschnuppe vorbei. Dabei sieht man den Avatar der anderen Person, und man hört sie natürlich auch. Die Kopfbewegungen sind ebenfalls zu sehen, und die Bewegungen des Avatars, die mit dem Gamecontroller durchgeführt werden.

Durch die Veröffentlichung der günstigen, tragbaren Oculus Go im vergangenen Frühjahr braucht man für so ein Erlebnis auch keinen leistungsstarken Rechner mehr, und so können FreundInnen und ich nun über hunderte Kilometer entfernt gemeinsam Lieblingsserien wie „13 Reasons Why“ gemeinsam schauen, und uns darüber im Nachhinein nicht nur über Messaging-Dienste unterhalten.

„Red Dead Redemption“

Von Sarah Kriesche

Urlaub ist ja immer ein wenig verbunden mit der Freiheit, Dinge tun zu können, aber nicht tun zu müssen. Das Spiel „Red Dead Redemption“ bietet dafür alle Voraussetzungen. Unfassbar detailreich und natürlich auch mit dem passenden Soundtrack ausgestattet, begibt man sich dabei in den wilden Westen. Ganz schnell wird klar: So detailliert und groß die Welt auch ist, so leer ist sie in vielen Teilen. Es gibt viel wunderschöne Wüste, aber keine Mini-Games oder Side-Quests. Diese Welt ist mitunter so leer, dass man schon versucht ist, Quest-Designerinnen und Designern fiese Dinge zu unterstellen.

Screenshot aus "Red Dead Redemption"

Rockstar Games

Aber letztendlich passt diese Leere wiederum zum Lonesome Cowboy-Mythos und der Tristesse, in der unser Charakter gefangen ist. Der war ja früher eigentlich ein finsterer Schurke, der Banken und Züge überfallen und Menschen umgebracht hat. Doch letztendlich hatte er nur den ganz bescheidenen Wunsch, mit seiner Familie sesshaft zu werden. Weil „Red Dead Redemption“ aber natürlich ein actionreiches Spiel ist, ist es naheliegend, dass diese „Unsere kleine Farm“-Idylle nicht so ganz geklappt hat und die Spielhandlung doch zum Rachefeldzug wird.

Aber so sehr die Hauptaufgabe auch fesselt, es ist vor allem diese Ödnis, diese Leere, die auch im Protagonisten herrscht, die den perfekten Eskapismus von dem ganzen Alltags-Schnickschnack darstellt. Alles ist einfach strukturiert und unser Spielcharakter ist es eben auch. Wir schießen zuerst und stellen erst danach Fragen. Die Schwere der Leere, ganz viel Natur und Melancholie haben einen zeitlos schönen Urlaubsort geschaffen, wo man wieder ein bisserl der Einfachheit des Seins frönen kann.

„Dear Esther“

Von Rainer Sigl

Eigentlich steht man hier nicht einmal wirklich am Rand Europas, und trotzdem: Wer von einer der Inseln an der Westküste Schottlands Richtung Sonnenuntergang schaut, hat das Gefühl, am Ende der Welt angekommen zu sein. Schroffe Felsen, spärliche Vegetation und über allem der Wind und eine Weite, die ebenso melancholisch wie wunderschön ist. Es gibt nicht viele Computerspiele, in denen ein Spaziergang durch verlassene Natur im Mittelpunkt steht - „Dear Esther“ ist so eines. Aus der Ich-Perspektive wandern wir auf einer unbenannten Hebrideninsel durch die Dämmerung, während aus dem Off aus Briefen an die titelgebende Esther gelesen wird.

Screenshot aus "Dear Esther"

The Chinese Room

Von allen Urlauben in Videospielen ist mir dieser Spaziergang über eine schottische Insel vielleicht deshalb der liebste, weil ich selbst schon mehrfach auf den Hebriden vor Schottlands Küste war und nur zu gut verstehe, warum dieser Fleck Großbritanniens quasi der Geburtsort aller Walking-Simulatoren geworden ist. Was „Dear Esther“ nicht vermitteln kann, ist das schottische Wetter; das glorreiche Gefühl der Isolation in einer rauen, aber umwerfend schönen Natur bekommt das Spiel aber auf jeden Fall hin.

„Dear Esther“ ist auch sechs Jahre nach seinem Erscheinen ein Wunder an Atmosphäre, das mit seiner Mischung aus spektakulärer Grafik und melancholischem Soundtrack einen Sehnsuchtsort nicht nachbaut, sondern porträtiert. Übrigens: Es gibt etwa 500 Hebrideninseln, nur knapp 50 davon sind besiedelt. „Dear Esther“ schickt uns an ein Ende der Welt - und diesmal ist das Wetter auch egal.

„The Curious Expedition“

Von Robert Glashüttner

Evolutionstheoretiker Charles Darwin, Proto-Programmiererin Ada Lovelace oder Abenteurer Richard Burton machen sich mit ihrer Entourage, einem Packesel sowie Werkzeugen und Proviant auf in fremde Länder. Es ist ein Wettbewerb gegen vier andere GlücksritterInnen, die möglichst schnell möglichst viel Ruhm, Ehre und Schätze ansammeln wollen. Das bedeutet, nur ja nicht zurückhaltend zu sein und auf kulturelle Besonderheiten zu achten, sondern lieber möglichst plump in fremden Kontinenten Ausschau nach exotischen und wertvollen Dingen zu halten.

Screenshot aus "The Curious Expedition"

Maschinen-Mensch

In „The Curious Expedition“ geht es immer ums Ausbalancieren von Moral und Lebensenergie der Truppe und dem Erforschen und Entdecken der Gegend. Haben wir eine Machete und Seile mitgenommen, können wir damit schneller durch den Dschungel und besser auf die Spitze eines antiken Tempels klettern. Finden wir dort dann aber einen Haufen Grabbeilagen aus purem Gold, können wir nur einen Teil davon mitnehmen - wenn wir nicht überlebensnotwendige Tools und Nahrung zurücklassen und damit den Tod riskieren.

Wir treffen auf mysteriöse Schamanen, besuchen Dörfer indigener Völker und kriechen in vergammelte Höhlen in der Hoffnung auf erstaunliche Entdeckungen. Wer zu gierig ist, und regelmäßig heilige Stätten entweiht, wird oft von Naturgewalten wie Fluten oder Feuer niedergestreckt. Und weil jedes Spiel ohnehin immer in sechs Unterexpeditionen aufgeteilt ist, sollte man im Zweifelsfall lieber doch etwas Bescheidenheit walten lassen. „The Curious Expedition“ ist eine gelungene Mischung aus Adventure und Rollenspiel, bei der man jene hochmütig-dekadente Reisekultur erleben kann, für die man im wirklichen Leben wohl weder die Mittel noch die Skrupel hätte.

„Far Cry 2“

Von Rainer Sigl

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen, das Sprichwort kennt wohl jeder. Und aus eigener Erfahrung weiß man, dass genau jene Urlaubssituationen, in denen man sich am meisten geärgert oder gefürchtet hat, später die schönsten Erinnerungen und besten Anekdoten abgeben. Trotzdem ist es schon ein wenig bitter, wenn man in einem ostafrikanischen Land als Allererstes an Malaria erkrankt. Im First-Person-Shooter „Far Cry 2“ erwischt uns das tückische Fieber, aber zum Urlaubmachen sind wir eigentlich ohnehin nicht hier; stattdessen sollen wir einen berüchtigten Waffenhändler ausschalten, der das Land in einen blutigen Bürgerkrieg gestürzt hat.

Screenshot aus "Far Cry 2"

Ubisoft

Trotzdem lässt es sich in „Far Cry 2“ hübsch Urlaub machen, denn die afrikanische Natur sieht immer noch umwerfend aus. Weite Savannen, stickige Dschungel und verzweigte Flüsse sind die Highlights dieser virtuellen Safari, auf der wir sogar das eine oder andere Großwild zu Gesicht bekommen. Was die exotische Ferienidylle immer wieder empfindlich stört, sind die rüpelhaften Milizen, die nicht nur unser Bargeld wollen, sondern uns gleich nach dem Leben trachten.

Da fällt es umso leichter, lieber ganz in der Wildnis zu bleiben, dem Flirren der Luft über den Hügeln zuzusehen oder eine Wanderung durch die Savanne zu unternehmen. Als Open-World-Spiel bietet „Far Cry 2“ große Bewegungsfreiheit, doch im Gegensatz zu seinen direkten Nachfolgern ist diese Welt noch nicht mit Aktivitäten vollgestopft wie ein Rummelplatz. Stattdessen wartet hier ganz abseits der Story ein weites, wildes Land, in dem wir eigentlich viel lieber zur Screenshot-Taste als zur Schusswaffe greifen. Nur die Malaria ist und bleibt lästig, aber wie gesagt: Wer nicht leidet, erlebt auch nichts.

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