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Gemälde über die Schlacht von Anqing aus 1884

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Buch

Im unbekannten Gottesstaat

Stephan Thome erweckt mit seinem Roman „Gott der Barbaren“ die wenig bekannte Epoche der Opiumkriege und der Taiping-Rebellion in China zum Leben. Mit Blick auf die Vergangenheit erzählt er aber auch über unsere Gegenwart, das gefährliche Gewaltpotential von Religion und falschem Idealismus und die Missverständnisse zwischen Ost und West.

Von David Pfister

Gegen Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts tobte im chinesischen Kaiserreich ein Bürgerkrieg, der mit 20 bis 30 Millionen toter Menschen der opferreichste Bürgerkrieg der Menschheitsgeschichte war. Der Autor Stephan Thome erklärt in seinem Roman „Gott der Barbaren“ die Gegenwart mit Hilfe dieser Vergangenheit. Wie funktioniert die Dynamik von religiösen Konflikten und Extremismus?

Nicht wenige glauben, dass es mit den ausländischen Teufeln zu tun hat. Auch von ihnen weiß niemand, wer sie sind. Eines Tages kamen über den Ozean und ließen sich an unserer Küste nieder, als wäre es ihre. Sie handeln mit Opium, stellen Forderungen und drohen mit Krieg, wenn sie nicht erfüllt werden.

Brutale Kriegsführungund Terrorakte

Der sogenannte Taiping-Aufstand oder die Taiping-Rebellion war ein gewaltsamer Konflikt zwischen dem chinesischen Kaiserreich und der Taiping-Bewegung. Die Taiping-Bewegung war eine religiöse und politische Bewegung die vom christlichen Mystiker Hong Xiuguan gegründet wurde und von der sich viele ethnisch unterdrückte Minderheiten repräsentiert fühlten.

Das Aufmacherbild zeigt eine Schlacht aus der Taiping-Rebellion.

Agiert hat die Taiping-Bewegung fanatisch und terroristisch. Alte Kulturgüter und Tempel wurden zerstört, Kriegsführung und Terrorakte waren extrem brutal, vermeintlich sexuelle Verfehlungen wurden mit dem Tod bestraft. Beschäftigt man sich mit Taiping-Bewegung, die auch einen Gottesstaat errichten wollte, fühlt man sich schnell an Formierungen wie den Islamischen Staat erinnert.

Buchcover von Stephan Thomes "Gott der Barbaren"

Suhrkamp Verlag

Gott der Barbaren von Stephan Thome ist im Suhrkamp Verlag Berlin erschienen.

Gleichzeitig drängt zur Zeit des Taiping-Aufstands Großbritannien nach China und das kolonialistische Streben der Briten führt zu den zwei sogenannten „Opiumkriegen“ zwischen China und Großbritannien. In dieses historisch in unseren Breiten oft übersehene Szenario setzt der deutsche Schriftsteller Stephan Thome den fiktiven deutschen Missionar Philipp Johann Neukamp, der voller Idealismus, aber nahezu unvorbereitet nach China reist, um dem gepeinigten Land die christliche Erlösungslehre zu bringen. Der deutsche Missionar kommt in Kontakt mit der rebellischen Taiping-Bewegung, sieht sich schnell zwischen den Fronten des Krieges und taumelt durch eine Welt, die uns einerseits weit entfernt anmutet gleichzeitig aber wohl bekannt erscheint.

Niemand weiß etwas über sie. Manche nennen sie langhaarige Banditen, andere die Gottesanbeter, aber warum rasieren sie sich die Stirn nicht, und welchen Gott beten sie an? Zuerst sollen sie in der Provinz Guangxi aufgetaucht sein, in einer abgelegenen Gegend namens Distelberg wo die Menschen so arm sind, dass sie schwarzen Reis essen und in Hütten mit undichten Dächern leben.

Mehr als ein historischer Roman

Der Roman „Gott der Barbaren“ erweckt eine wenig bekannte Epoche mit eleganter Sprache zum Leben. Aber dieses Buch ist viel mehr als ein akribisch recherchierter und anmutig formulierter historischer Roman. Er erzählt mit Blick auf die Vergangenheit unsere Gegenwart, das gefährliche Gewaltpotential von Religion und falschem Idealismus, die Missverständnisse zwischen Ost und West.

Für die Jury des Deutschen Buchpreises ist „Gott der Barbaren“ einer der gelungendsten Romane 2018. Das Buch befindet sich mit 5 anderen Romanen auf der „Shortlist“ des deutschen Buchpreises, der am 8.10. vergeben wird und hat gute Chancen.

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