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Szene aus dem Film "Halloween", in der eine Hand nach einer Frau greift.

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FILM

Süßes und Saures zugleich

Selbstbewusst titelt Regisseur David Gordon Green seinen neuen Horrorschocker „Halloween“. Und versucht an das legendäre Original von John Carpenter anzuschließen - was nicht ganz gelingt.

Von Christian Fuchs

Es ist schwierig, sich einem der legendärsten Horrorfilme überhaupt zu nähern, ohne in Erinnerungen zu verfallen. Ein Kollege aus der FM4-Redaktion berichtete mir etwa, dass er „Halloween“, den Late-70ies-Slasherklassiker von John Carpenter, in den späten 90ern heimlich als Zwölfjähriger im Fernsehen geschaut hat. Ganz leise hat er das Gerät eingeschaltet, damit seine schlafenden Eltern nichts mitbekommen, schützend unter einer Decke vergraben. Damals wurde das dazugehörige Fest mit seinen gruseligen Verkleidungen noch ausschließlich in den USA gefeiert und vom Ortspfarrer als Todsünde tituliert.

Auch der Schreiber dieser Zeilen hat den kultisch verehrten Gänsehautfilm erstmals auf einem kleinen Bildschirm gesehen, allerdings bereits Anfang der 80er. Das heimische Free-TV wagte sich damals nicht einmal in geschnittener Form an solche Hardcore-Schocker. Aufgewachsen in der Oststeiermark profitierte ich als jugendlicher Filmsüchtiger aber vom Staatsfernsehen im Nachbarland Jugoslawien, das auch kontroverse US-Werke unzensuriert spielte, in der Originalsprache mit Untertiteln.

Dass die Empfangsqualität miserabel war, hat dem Schrecken keinen Abbruch getan. „Halloween“ fesselte mich geradezu an den Bildschirm. Was Carpenters Streifen so faszinierend machte, war nicht ein Übermaß an Blut. Davon gab es in zirka zeitgleichen veröffentlichten Horrorwerken von Dario Argento oder George A. Romero erheblich mehr zu sehen. Es ist einerseits die dramaturgisch präzise Machart des ersten „Halloween“-Films anno 1978, die mitreißt. Und andererseits das schreckliche Geheimnis, das den Überbösewicht Michael Myers umgibt.

Szene aus "Halloween", 1978

Concorde

Das ultimative Böse

In einer Rückblende sehen wir am Anfang des Films, in einer ikonisch gewordenen subjektiven Kameraszene, wie Michael als kleiner Bub seiner Schwester ersticht. Warum das Kind diese Bluttat begeht, darüber gibt es verschiedene Ansichten. Für die einen repräsentiert Myers einen Bilderbuchfall von Geisteskrankheit, ausgerechnet für seinen Psychiater Dr. Loomis (der große Overacting-König Donald Pleasence) verkörpert er das ultimative Böse.

Aber ganz egal, ob Michael ein Mensch oder ein Monster ist, der Killer mit der berüchtigten Maske mordet weiter. Er bricht aus der geschlossenen Anstalt aus und begibt sich zurück nach Haddonfield, Illinois, den Ort seiner Kindheit und des dazugehörigen Traumas. Und dort, in der beschaulichen Kleinstadt, bricht dann die „Nacht des Grauens“ herein, wie der deutsche Untertitel von „Halloween“ lautet.

„Halloween II“, drei Jahre nach dem Erfolg des Originals gedreht, spielt in der selben Nacht, im Krankenhaus von Haddonfield. Michael Myers geht dort metzelnd durch die dunklen Gänge und trifft erneut auf die Frau, die seinen Terror überlebt hat. Laurie Strode, von der damals unbekannten Jamie Lee Curtis gespielt, ist die andere Schlüsselfigur im Halloween-Universum, neben dem maskierten Monster. Im Sequel, an dessen Drehbuch sogar noch John Carpenter mitgeschrieben hat, entpuppt sich die Highschool-Absolventin als Michaels jüngere Schwester.

"Halloween", 1978

Concorde

Vom Boogeyman zum Slasherfilm-Kasperl

Nachdem der Boogeyman am Ende des zweiten Teils von Dr. Loomis in die Luft gesprengt wird, kommt die weitere unvermeidliche Fortsetzung ganz ohne ihn aus. „Halloween III - Season of the Witch“ gilt bis heute als bizarrster Eintrag in die Reihe. Für sich betrachtet ein nicht unoriginelles Stück 80ies-Gruselkino über einen diabolischen Spielzeug-Fabrikanten, der mittels ferngesteuerter und präparierter Halloween-Masken tausende von Kindern zu töten versucht.

Aber die Produzenten lassen das Phantom Michael Myers natürlich nicht ruhen. Gänzlich ohne John Carpenters Beteiligung wird er in fünf weiteren Filmen wiedererweckt und vom ebenfalls reanimierten Dr. Loomis gejagt. In immer absurderen Plots mutiert die einstige Schreckensgestalt zum vollends übersinnlichen Wesen und Slasherfilm-Kasperl. Erst im ziemlich ambitionierten „Halloween: H20“ versucht man ihn 1998 wieder in die Nähe des mysteriösen Monsters aus dem Originalfilm zu rücken, passenderweise kehrt auch Jamie Lee Curtis wieder als Hauptdarstellerin zurück. Allerdings nur, um im grottenschlechten Nachfolger „Halloween: Resurrection“ von ihrer Nememis Michael gleich in den ersten Minuten erstochen zu werden.

Wenn eine Film-Franchise endgültig in der Sackgasse gelandet ist, hilft in Hollywood nur mehr ein Remake oder Reboot. Rob Zombie, Regie führender Metalsänger mit einer Lust für kontroverse Brutalität, bekommt in den Nullerjahren den Zuschlag. Im Vorfeld lässt die exzellente Besetzung voller Genrelegenden aufhorchen. Aber dann zerstört Zombie alles, was vom Mythos Michael bis dahin noch übrig ist. In seinem Streifen wird der Killer nämlich gnadenlos demaskiert und entzaubert. Der Boogeyman bekommt eine trivialpsychologische Backstory aus dem Serienkiller-Handbuch - und wir erfahren alles, was wir als Fans gruseliger Geheimnisse nie über ihn wissen wollten.

Szene aus "Halloween", 2018

Universal Pictures International Switzerland

Zeit für den Resetknopf

Eine harte Aufgabe also für Horrorguru Jason Blum, dem Universal Pictures fast eine Dekade später als Produzent den Neustart anvertraut. Aber er und Regisseur David Gordon Green, bislang für sensible Arthouse-Werke ebenso bekannt wie für schrille Comedies, bekommen bald prominente Unterstützung. John Carpenter persönlich segnet das Drehbuch des schreibenden Klamauk-Komikstars Danny McBride ab und komponiert den Soundtrack. Jamie Lee Curtis steht tatsächlich wieder in einem Halloween-Film vor der Kamera.

Moment mal, grübelten im Vorfeld Fangirls und Boys, ist Laurie Strode nicht von Michael Myers ermordet worden? Stimmt schon, aber „Halloween“ anno 2018 drückt den Resetknopf und hat nur einen einzigen Orientierungspunkt: Carpenters Original aus dem Jahr 1978. Sämtliche bisherige Sequels und Prequels sind plötzlich null und nichtig. Also besucht in der Eingangssequenz ein Journalistenduo den berüchtigten Killer Michael Myers in der geschlossenen Anstalt. Dort hat der gefährliche Psychopath die letzten 40 Jahre, seit dem ersten „Halloween“-Film, verbracht.

Dass dem wortlosen Wahnsinnigen bald die Flucht gelingen wird, ist aufgelegt. Dass sich Michael Myers wieder in mörderischer Absicht an jenen Ort begibt, wo alles begonnen hat, nach Haddonfield, Illinois, ahnen wir auch schnell. Überhaupt sind viele Wendungen in diesem Meta-Sequel vorhersehbar. Was aber am Drehbuch noch mehr stört: Dass „Halloween“ in der zweiten Hälfte schon wieder haarsträubende Richtungen einschägt, von denen sich die Macher eigentlich entfernen wollten.

Film-Szenebild aus "Halloween", 2018

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Eine Enttäuschung also? Nein, es gibt Saures und Süßes zugleich, einige Trümpfe hat der Film durchaus zu bieten. Wenn John Carpenters einzigartiges Titelthema sanft geremixt den Retro-Vorspann untermalt, stellt sich von selbst das wohlige Grauen ein. Auch der generelle Look des Films drückt sicher für mehrere Generationen Nostalgie-Knöpfe. Und dann ist da eben die Frau, mit der alles angefangen hat: Jamie Lee Curtis begeistert wieder als Laurie Strode, mittlerweile grauhaarig, noch immer hochgradig traumatisiert, aber auch tougher denn je. Wenn sie dem männlichen Monster Michael gemeinsam mit ihrer Tochter und der Enkelin den Krieg erklärt, dann verwandelt sich „Halloween“ mitreißend in ein #metoo-Manifest.

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