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Pixybay / CC0 Creative Commons

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Sackgasse Sparkasse?

Goran Maric von der Finanzbildungsschmiede threecoins redet übers Geld.

Von Lukas Tagwerker

Wie wir mit Geld umgehen, lernen wir früh und unbewusst darüber wie unsere Eltern mit Geld umgehen. Der richtige Umgang mit Geld fehlt als Unterrichtsfach und die Anzahl verschuldeter Jugendlicher steigt in Österreich.

AUF LAUT (21-22) mit Ali Cem Deniz: Worauf sparst du?

Wie sieht deine persönliche Bilanzführung aus? Kommst du mit deinem Einkommen über die Runden? Welchen Finanzpolster brauchst du, um ruhig schlafen zu können und wofür legst du extra Geld auf die Seite?

Ali Cem Deniz diskutiert mit Studiogästen und Anruferinnen. Mitreden kann man ab 21.00 Uhr heute unter 0800/226996.

Goran, was bedeutet Geld für Dich?
Für mich persönlich bedeutet Geld … erstens einmal ist es ein schwieriges Thema, das in den Köpfen der Menschen, auch in meinem, sehr fest verankert ist. Geld ist vor allem ein Mittel zum Zweck, ein Tauschgut, das es mir ermöglicht Materielles und Immaterielles zu kaufen und mein Leben zu leben, so wie ich es möchte.

Wie hast du den Umgang mit Geld erlernt?
Ich habe das von meinen Eltern und Großeltern mitbekommen. Geld war bei uns ein sehr knappes Gut. Das heißt ich wusste, dass das ein eher heikles, eher negativ konnotiertes Thema ist. So wie meine Eltern damit umgegangen sind, hab ich mitbekommen, dass Geld eine Sache ist, auf die man achtet und aufpassen muss. Man konnte sich nicht alles leisten, man musste auf Dinge hinsparen, hinarbeiten, ein bisschen zurückstecken, das waren meine ersten Erfahrungen. Ich wusste, man muss dafür arbeiten tagtäglich um sich eben diese Dinge zu ermöglichen.

Dass das Thema bei Dir kein negativ konnotiertes Thema geblieben ist, dafür braucht es dann ja auch bestimmt Erfolgs- und Glücksmomente. Hast du Dein Taschengeld in ein Sparschwein gesteckt?
Im Vergleich zu heute war das Thema Sparen damals in der Schule sehr viel präsenter. Da war ja der Weltspartag eine sehr sehr große Sache. Da waren auch Banken sehr viel stärker involviert als es heute der Fall ist, das können die per Gesetz nicht mehr. Du hast dieses Sparbuch bekommen, auch ein Sparschwein und du wurdest sehr auf Sparen konditioniert.

Ich hab wöchentlich mein Taschengeld bekommen, sehr regelmäßig. Meine Eltern haben darauf geachtet, dass man eine Planbarkeit entwickelt und sich als Kind daran gewöhnt, mit dem eigenen Geld umzugehen. Wenn ich mir Dinge leisten wollte, musste ich sie mir mehr oder minder selber ersparen und kaufen, was ich auch getan habe. Das heißt ich habe bewusst früh angefangen mir mein Geld einzuteilen, wegzulegen und war von Anfang an ein kleiner Sparfuchs.

Worauf hast du gespart?
Das waren Bücher. Ich war verliebt ins Lesen. Bücher sind an sich sehr teuer. Es waren schon Büchereien da. Aber es ist etwas anderes ein Buch zu besitzen. Es gibt aus der Verhaltenspsychologie eine These, die besagt, dass wenn man ein Ziel vor Augen hat, auf das man hinspart und sich das selber kauft, ist das einem irrsinnig viel mehr als wenn man es zum Beispiel geschenkt bekommt. Das erste Buch, das ich mir selber gekauft habe war „Der Spinatvampir“.

Goran Maric

Three Coins

Goran Maric

Früher hat der Weltspartag eine andere Bedeutung gehabt, man hat früher irgendwann auch noch Zinsen bekommen. Mittlerweile haben Finanzakrobatik, High-Frequency-Trading und neue Technologien ein Umfeld geschaffen, wo es Normalsterbliche gibt, nahezu Unsterbliche und dazwischen verschiedene Klassen von Insidern. Du hast auf der Wirtschaftsuni studiert, wie hat dein Weg in die Finanzbildung ausgeschaut?
Finanzbildung ist eine sehr faszinierende Sache. Dadurch, dass Geld so facettenreich ist und überall in unserem Leben vorkommt, habe ich mich sehr viel damit beschäftigt. Es gibt sehr große Unterschiede dabei wie man financial literacy, oder Finanzbildung versteht. So wie wir das verstehen, hat das nichts mit Zahlen und Zinsen zu tun. Der Umgang mit Geld ist eine Sache, die sehr ins Verhalten geht.

Ich bin mit meinen Eltern aus Bosnien nach Österreich eingewandert. Da war ich fünf Jahre alt. Meine Eltern sind beide Arbeiter. Meine Mama war Putzfrau, mein Papa ist Forstfacharbeiter. Ihr Ziel war, dass ich an die Uni gehe. Wirtschaft war so eine Sache, wo ich wusste, ich kann das gut studieren und kann nachher viele Wege einschlagen. Mit Finanzbildung habe ich mich zum ersten mal beschäftigt, als ich mir die Börse, den Finanz- und Kapitalmarkt angeschaut habe und mir angesehen hab, wo die ganzen „Rettungsgelder“ dieser „Rettungsschirme“ hinfließen und wer in Wirklichkeit von der Bevölkerung davon profitiert: das ist tatsächlich die obere Gesellschaftsschicht und alle anderen eben nicht. Dann habe ich mir meine Eltern angeschaut, die tatsächlich sehr viel arbeiten um sich ein bisschen was auf die Seite legen zu können, damit sie meiner Schwester und mir ein gutes Leben ermöglichen und Chancen bieten können.

Ich habe mich gefragt: warum sparen meine Eltern, wo die Zinsen im geringer werden? Warum gibt es eine riesengroße Schere zwischen denen, die ihr Vermögen vermehren und denen, die das nicht tun können? Im Rahmen dieser Recherche bin ich draufgekommen, das das Problem ein sehr viel größeres ist sehr viel früher ansetzt: und zwar, dass wir als Gesellschaft – gerade die Jungen – verlernt haben, mit Geld umzugehen. Ich bin also in Richtung Finanzbildung gegangen. Bildung ist ein Hebel für Chancengleichheit.

Klassenzimmer

cure-runners.at

Finanzbildung ist im Moment im Fach Geografie und Wirtschaftskunde untergebracht

Ist Bildung wirklich das politische Alheilmittel? Wenn Menschen am Ende des Monats im Minus sind, wenn große Teile der Bevölkerung in prekären Verhältnissen leben, wo sie nicht über die Runden kommen, lässt sich das wirklich mit Bildung beheben? Bildung braucht Zeit und einen freien Geist, wie kann das gehen, wenn man rund um die Uhr eingespannt ist? Kann man die ökonomischen Verhältnisse mit Bildung verändern?

Zu dieser Frage habe ich zwei kleine Gorans in mir wohnen: Wenn ich weiß, dass jede vierte Person, die zur Schuldnerberatung geht, unter 30 ist und im Schnitt 30.000 Euro Schulden hat und wenn ich mir anschaue, was die Gründe dafür sind: irrationales Konsumverhalten, das Nicht-Verstehen eigener Ausgabemuster und dieses Marketing-Damoklesschwert, das über uns schwebt und uns mit 3.000 bis 5.000 Werbebotschaften pro Tag attackiert und uns Dinge verkaufen will, die wir eigentlich gar nicht brauchen, das sind alles Dinge, die uns daran hindern gut mit unserem Geld umzugehen. Das sind gleichzeitig Dinge, die sehr stark durch Bildungsmaßnahmen gefördert werden können. Finanzkompetenz, so wie wir sie verstehen, ist ja überhaupt keine Raketenwissenschaft. Das sind ein paar Wissenselemente, das sind einpaar Daumenregeln, die man ganz gut trainieren kann. Das kann man systemisch gut verankern. Da geht es nicht darum, ob ich viel oder wenig Geld verdiene. Man kann mit wenig Geld auch gut umgehen, mit viel genauso. Den Unterschied macht es, wie ich Geld verstehe, wie ich selbst darüber reflektiere und welche Wertigkeiten und Einstellungen ich damit verbinde. Das ist sehr wohl eine Frage der Bildung.

Der zweite Goran in mir sieht das Systemische. Dass es einfach Berufsgruppen gibt, die wenig verdienen, viel zu wenig verdienen, um zum Beispiel in einer Stadt wie Wien gut leben zu können. Das ist ein großes Problem, wo man viel verändern muss. Aber bis dahin kann man sein verhalten und seine Ausgabemuster optimieren, damit man nicht in diese Schuldenfallen tappt.

Finanzielle Bildung ist eigentlich Allgemeinbildung und damit Hauptaufgabe des Schulsystems. Wird das ausreichend vermittelt in den Stundenplänen?

Mario Draghi als Vampir

Cicero / Sören Kunz

Finanzbildung ist im Moment im schönen Fach Geografie und Wirtschaftskunde untergebracht. Financial literacy – das ist nicht das, was ich mit threecoins vermittle, threecoins vermittelt Finanzkompetenz – financial literacy ist in meinen Augen teaching people about a broken system.

In der Schule wird uns beigebracht, wenn ich einen Kredit aufnehme, wie viel muss ich in ein oder zwei Jahren zurückzahlen. Da geht es am wenigsten darum, wie man gut mit Geld umgeht. Man hat sich nicht gut angeschaut, wie sich unsere Gesellschaft entwickelt hat. „as brauchen unsere Jugendlichen heutzutage in dieser digitalen, irrsinnig schnellen, komplexen Welt, wo wir jeden Tag konfrontiert sind mit Dingen, wo wir uns nicht gut entscheiden können?

In meinen Augen ist es schwierig, ein komplettes Schulfach mit Finanzkompetenz zu füllen. Es gibt Fächer wie digital literacy, equality issues, financial literacy, media literacy, das sind alles Dinge, die unsere Kinder und Jugendlichen eigentlich aufs Leben vorbereiten sollten. In meinen Augen bereitet uns die Schule nicht mehr aufs Leben vor. Wir gehen raus und sind konfrontiert mit sehr vielen Herausforderungen und müssen überhaupt erst einmal klarkommen, müssen schauen: was will ich eigentlich machen?

Seit Anfang des Jahres leitest du das Sozialunternehmen threecoins – was macht ihr da?

threecoins hat sich zum Ziel gesetzt, das sich alle Menschen frei und selbstbestimmt durchs Leben bewegen ganz ohne Geldsorgen, eben durch Finanzkompetenz. Wir sind eine Entwicklungsschmiede für innovative Bildungsformate. Wir entwickeln smartphone Apps, Spiele wie z.B. cure runners fürs Smartphone, bis hin zu klassischen Workshops wie bei wienxtra.

Du findest das Problem wirklich überall: wenn du mit Schülerinnen sprichst, oder mit Lehrlingen, oder mit Eltern, die sich fragen: wie soll ich mit meinen Kindern altersgerecht über Geld sprechen? Unsere Zielgruppe sind 12-35jährige, für die wir Formate entwickeln. Wir haben ein Set an Wissen angesammelt, das geht stark in die Wirtschaftskunde, sehr stark in die Verhaltenspsychologie, Wirtschaftspsychologie und wir verbinden das mit Dingen, wo wir glauben, dass das ein erfolgreiches Format ist, ob das jetzt ein Email-bootcamp ist oder eine App.

JugendarbeiterInnen leisten tagtäglich wirklich wertvolle aber auch sehr schwierige Arbeit. Dadurch, dass wir eine Partner-Organisation sind und mit Jugendzentren und auch mit Schuldnerberatungen arbeiten, hören wir, was die Herausforderungen sind. Und war es ein Anliegen für diese Menschen einen Werkzeugkoffer voller Methoden und Aktivitäten zu basteln.

Was hältst du jetzt davon Geld zu sparen?
Meine persönliche Meinung ist: Sparen ab einem gewissen Betrag ist bullshit. Was man benötigt ist eine Art Regentagetopf. Das heißt, ich habe genug Geld zur Seite getan, dass ich zwischen drei und sechs Monate, wenn alle Stricke reißen – das heißt ich verliere meinen Job, ich werde krank, irgendwas passiert, Unfall oder, was auch immer zuhause – das ich quasi nicht auf Glatteis falle und einen Polster habe. Aber bei der heutigen Zinslage, bei dem, was diese Zinsen mit unserem Geld machen und wie gering die sind, macht es ab einem gewissen Betrag überhaupt keinen Sinn mehr das Geld auf dem Bankkonto zu lassen.

FM4 Auf Laut: Worauf sparst du?

Wie wir mit Geld umgehen, lernen wir früh und unbewusst darüber wie unsere Eltern mit Geld umgehen. Der richtige Umgang mit Geld fehlt als Unterrichtsfach und die Anzahl verschuldeter Jugendlicher steigt in Österreich.

Wie sieht deine persönliche Bilanzführung aus? Kommst du mit deinem Einkommen über die Runden? Welchen Finanzpolster brauchst du, um ruhig schlafen zu können und wofür legst du extra Geld auf die Seite?

Mit Ali Cem Deniz - Anrufen und Mitdiskutieren, heute um 21.00 Uhr: 0800 226 996

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