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Filmstill aus "Chaos im Netz"

Disney

Film

Raus aus dem Automaten!

Die animierte Disney-Komödie „Chaos im Netz“ erweitert die fröhliche Videospielgeschichte des Vorgängers „Ralph reichts“ um jede Menge Netzkulturreferenzen.

Von Robert Glashüttner

Klassische Videospielhallen sind schon seit vielen Jahren ein Anachronismus. Außerhalb von Nordamerika findet man sie so gut wie gar nicht mehr - und wenn, dann nur gekoppelt mit einer Bar oder einem Restaurant. Die meisten „Pac-Man“-, „Space Invaders“- und „Frogger“-Automaten sind rund 40 Jahre später wahlweise verschrottet oder befinden sich in privaten Haushalten.

In „Chaos im Netz“ („Ralph Breaks the Internet“) gibt es zumindest noch eine Arcade der alten Schule: Litwak’s Family Fun Center. Das Geschäft geht zwar nicht gut, aber gut genug, dass man den Laden noch nicht dicht machen muss. Die Figuren aus den Games dieser Spielhalle sind trotz ihres - für Videospielverhältnisse - fortgeschrittenen Alters weiterhin motiviert. Sie gehen ihrem Programmcode nach und treffen sich in den Pausen außerhalb ihrer jeweiligen Games im großen Stromverteiler, wo sie gemeinsam abhängen und sich über Neuigkeiten austauschen.

Oh, ein Neuzugang!

Besonders interessant wird es in der digitalen Arcade-Gemeinschaft dann, wenn ein neuer Automat angesteckt wird. Weil die Kids ja schon seit vielen Jahren hauptsächlich zu Hause an Konsole und PC spielen, fehlt Mr. Litwak das Geld für neue Geräte. Es gibt selten Neuzugänge. Doch halt, da wird ja doch gerade was Neues angesteckt! „WIFI“ steht auf dem Schild. Was das wohl sein könnte?

Ralph und Vanellope schauen aufs endlose Internet.

Disney

Die in „Ralph reichts“ („Wreck-It Ralph“, 2012) geformte Beziehung zwischen den zwei sympathischen Misfits Vanellope und Ralph steuert nun in ihr zweites großes Abenteuer. Vanellope ist weiterhin ein glitchendes Mädchen aus einem zuckerlbunten Racing-Game und Ralph ein „Donkey Kong“-artiger Bösewicht wider Willen. Beide sind sie neugierig, was da gerade angesteckt worden ist. Da passiert es auch schon: So schnell, wie die Figuren sonst nur lokal zwischen den Maschinen reisen, werden sie nun vom WLAN-Router als Datenpakete ins Web gesaugt.

Die große, weite Welt

„Chaos im Netz“ erweitert die fröhliche Videospielgeschichte des Vorgängers um jede Menge Netzkulturreferenzen. Lag der Fokus beim ersten Film bei der Emanzipation der Figuren, geht es nun ums Entdecken und Wachsen. Genügt mir meine kleine Welt oder möchte ich mehr kennenlernen und erleben? Die Freundschaft der zwei Protagonisten wird allerdings schnell auf die Probe gestellt, als Vanellope das gefährlich-coole Rennspiel „Slaughter Race“ für sich entdeckt - das genaue Gegenteil von ihrem familienfreundlichen „Sugar Rush“.

Das Internet ist natürlich auch überwältigend. Es hat keinen sichtbaren Anfang und kein Ende, die beiden alternden Videospielcharaktere taumeln am Datenhighway zwischen riesigen Wolkenkratzern, auf denen „Amazon“, „Google“ oder „Disney“ steht. Die selbstreferenzielle Szene der Disney-Prinzessinnen im Disney-Tower innerhalb eines tatsächlichen Disney-Films ist ein besonderer Höhepunkt des Films: Sie ist sympathisch selbstironisch und nimmt jahrzehntelang manifestierte Klischees und Rollenbilder auf die Schaufel und unterwandert sie. Danach gibt’s keinen Zweifel: Prinzessinnen fühlen sich in Schlabberpulli und Jogginghose am Wohlsten!

Disney-Prinzessinen im Disney-Tower

Disney

„TRON“ für Millennials

So wie der Disney-Film „TRON“ (1982) für die Geeks der Generation X Kult ist, könnte „Wreck-It Ralph“ samt Nachfolger für Millennials zu einem All-Time-Favorite werden. War der erste Teil popkulturell noch etwas zu eingeschränkt, ist man jetzt vollends in der Netzkultur angekommen. Die wilde Reise führt von BuzzFeed und Memes über Social Media-Inszenierung auf Instagram bis hin zu digitalen Abgründen wie dem Darknet.

Obwohl sich „Ralph Breaks the Internet“ viel Zeit für Anspielungen, Namedropping, Hommagen und Cameos nimmt, bleibt die Beziehung zwischen Ralph und Vanellope nicht auf der Strecke. Das komplett neue Umfeld stellt ihre Beziehung naturgemäß auf die Probe - vor allem, wenn sich eine von Glanz und Gefahr verzaubert lässt und der andere lieber die Scheuklappen weiter nach vorne zieht. Früher oder später finden natürlich auch die beiden quirligen Games-Figuren Frieden in der Balance: Vertraute Gesichter, Heimat und Zugehörigkeit sind ebenso wichtig wie die Erweiterung des eigenen Horizonts. Bleibt nur zu hoffen, dass der WLAN-Router künftig nicht zu viele Ausfälle hat.

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