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Das Schiff "Lifeline", ein Schlauchboot mit Geflüchteten und ein weiteres kleines Boot mit einem Mitarbeiter der Lifeline

Markus Weinberg

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Private Seenotrettung am Limit

Der Film „Die Mission der Lifeline“ dokumentiert den Einsatz privater Seenotretter im Mittelmeer. Ganz ohne Pathos und reißerischen Action-Schnitt, sondern mit Besonnenheit. Außerdem: „Lifeline“-Kapitän Claus-Peter Reisch ist zu Gast in FM4 Auf Laut.

FM4 Auf Laut mit „Lifeline“-Kapitän Claus-Peter Reisch

Die sogenannte Flüchtlingskrise von 2015 hat das Leben und die Ansichten von Claus-Peter Reisch grundlegend verändert. Der Mechatroniker rettet heute als Kapitän der „Mission Lifeline“ Bootsflüchtlinge im Mittelmeer und bringt sie in europäische Hafen. In FM4 Auf Laut spricht Claus-Peter Reisch mit Ali Cem Deniz über seinen Einsatz im Mittelmeer: Dienstagabend, 26.2.2019, ab 21.00 Uhr, in Radio, App und Player!

Von Maria Motter

Männer highfiven und umarmen einander. Aus diesem ganzen Enthusiasmus muss eine Arbeitsatmosphäre geschaffen werden, wird der Einsatzleiter sagen. Zwei Jahre hindurch hat Regisseur Markus Weinberg die Bemühungen des deutschen Vereins “Mission Lifeline” dokumentiert: Axel Steier und seine MitstreiterInnen wollen Flüchtlinge vor dem Ertrinken im Mittelmeer bewahren. „Man ist ganz klar eine Projektionsfläche des politischen Gegners“, äußert sich Axel Steier ruhig und besonnen. Die Mission Lifeline machte vergangenen Sommer international Schlagzeilen.

Und so spielt sich eine der prägnantesten Szenen des Films „Die Mission der Lifeline“, der morgen in Graz Weltpremiere hat, nicht auf See ab. Denn auch das politische Geschehen in Deutschland wird im Film kommentiert, indem der Alltag auf dem Schiff und Aufnahmen aus Dresden gegengeschnitten werden: Diskussionen neben Manaf Halbounis Kunstwerk „Monument“, Pegida-Straßenzüge. Axel Steier bleibt ganz bei sich, als ihn eine Pegida-Anhängerin vor laufender Kamera erst indirekt attackiert, indem sie sich an das Kamerateam wendet. Sie wünsche ihm, von einer Bahnplattform gestoßen zu werden und zu sterben. Das Schiff der Lifeline ist noch nicht gekauft, als die Staatsanwaltschaft Dresden den Vorwurf des Einschleusens von Ausländern in einem Strafverfahren klären will. Axel Steier hat seinen Seenotrettungsverein unmittelbar nach seinem Engagement für Geflüchtete in Serbien gegründet.

Mitarbeiter der Lifeline

Markus Weinberg

Weltpremiere: „Die Mission der Lifeline“, 25.2., 20.00 Uhr, Schubert Kino, Graz.

Am Dienstag, 26.2., 19.00 Uhr, ist die Dokumentation im Wiener Schikaneder Kino zu sehen.

Was chillig beginnt mit Matrosen, die sich in T-Shirts des Vereins mit der Ausstattung an Bord vertraut machen, fügt sich zu einer Erzählung, die in einer Stunde kurz und bündig darlegt, wie umkämpft der Mittelmeerraum ist. Ein Crew-Mitglied sitzt auf einem Bankerl und spielt Gitarre. Ein anderer Mann, der aussieht wie ein Punk aus einem Bilderbuch, beobachtet von der Hängematte aus das Meer mit einem Fernglas. Doch die Doku räumt auf mit der Klischeevorstellung, dass sich hier selbstgerechte Abenteuerlustige zusammenrotten. Der Mann in der Hängematte ist Seemann in dritter Generation, er ist Maschinist und noch nach seiner Schicht beim Ausruhen in seiner Mission verhaftet.

Entgegen allen Widersachern

Das Meer glitzert in der Sonne. Bis ein Schlauchboot, das leck wird, seeuntüchtig ist und sinkt, dauert es bei selbst geringem Seegang keine Viertelstunde. Die Crew der ersten Mission Lifeline an Bord der „Sea-Watch 2“ macht kein Hehl daraus, dass ihre Kapazität beschränkt ist. Als die Seenotretter binnen weniger Stunden zwei Holzboote und zwei Schlauchboote ausmachen, wissen sie: Die Menschen auf den kleinen Booten sind auf die italienische Küstenwache angewiesen. Ein Seenotretter macht eine Überschlagsrechnung, 500 Menschen sind akut vom Ertrinken bedroht. Auf einem Schlauchboot sitzen Menschen dicht gedrängt, Arme stemmen ein Baby hoch, damit es gesehen wird.

Ein Schlauchboot mit Geflüchteten

Markus Weinberg

Bootsflüchtlinge kommen nicht zu Wort. Sie blicken verschreckt von kleinen Fischer- und Schlauchbooten, eines der geretteten Kinder bekommt eine Plüschmaus in die Hand gedrückt. Erschöpfte Kinder liegen an Deck und ein Crew-Mitglied lässt Luftballons für sie quietschen. Die persönlichen Motive der Crew-Mitglieder sind nicht Thema der Dokumentation.

Die New York Times belegte mit einer Recherche, wie Europa Menschen in Seenot der Willkür der libyschen Küstenwache überlässt und Menschen ertrinken lässt: ‘It’s an Act of Murder’: How Europe Outsources Suffering as Migrants Drown.

Das Schiff der Lifeline war ursprünglich von der NGO „Sea-Watch“ organisiert worden, denn auch dieser deutsche Verein war mit seinem Schiff Sea-Watch 2 an die Grenzen gekommen. Doch zwei Schiffe gleichzeitig zu erhalten, überstieg das Budget. Als Axel Steier genügend Hilfsmittel gesammelt hatte, um in Malta ein Schiff zu erwerben, gestaltete sich die Suche schwierig. Aber die NGOs sind eng vernetzt. So übernahm die Dresdner Organisation Mission Lifeline das Sea-Watch-Schiff.

Private Seenotrettung am Limit

Die Rettung Schiffsbrüchiger kann und darf nicht privaten Hilfsorganisationen überlassen werden. Das führt die Dokumentation deutlich vor Augen. Die Dokumentarfilmer wurden Zeugen eines Einschüchterungsversuchs der libyschen Küstenwache.

Als Gewissen Europas erschien die italienische Küstenwache noch in Dokumentationen wie “Seefeuer“ von Gianfranco Rosi, der sich auf der Berlinale 2016 gegen Spielfilm-Konkurrenz durchsetzte und als bester Film mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde, und in Markus Imhoofs ergreifender Dokumentation „Eldorado“. Doch die Lage hat sich nicht zuletzt durch den italienischen Innenminister Matteo Salvini verändert. Wie sehr der kleine deutsche Verein zum Spielball europäischer Länder wurde, wird im Film in wenigen Sekunden abgehandelt. Es wird einen zweiten Film brauchen, weiß auch Axel Steier.

Die größte Überraschung dieses einstündigen Filmdokuments ist dessen Unaufgeregtheit. Auf Pathos haben Regisseur und Co-Autorin und Editorin Luise Baumgarten verzichtet und das ist ihnen hoch anzurechnen.

Ein Mitarbeiter der Lifeline mit Rettungsring

Markus Weinberg

„Seit Januar 2018 sind mindestens 2.500 Frauen, Kinder und Männer im Mittelmeer ertrunken. Währenddessen haben die Staats- und Regierungschefs der EU vor dieser Tragödie ihre Augen verschlossen und sich auf diese Weise daran mitschuldig gemacht“, schreiben NGOs wie Ärzte ohne Grenzen und Pro Asyl in einem gemeinsamen offenen Brief Anfang Februar 2019. „Jedes Mal, wenn ein Schiff gerade gerettete Menschen in einen europäischen Hafen bringt, führen die Regierungen der EU quälende und langwierige Debatten darüber, wo das Schiff anlegen kann und welche Länder die Überlebenden aufnehmen und ihre Asylanträge bearbeiten können.“ Der Konflikt um die privaten Seenotretter geht weiter: Vergangenen Freitag konnte die „Sea-Watch 3“ nach Inspektionen den Hafen von Catania verlassen und ist laut der NGO nun auf Kurs in eine französische Werft.

FM4 Auf Laut mit „Lifeline“-Kapitän Claus-Peter Reisch

Die sogenannte Flüchtlingskrise von 2015 hat das Leben und die Ansichten von Claus-Peter Reisch grundlegend verändert. Der Mechatroniker rettet heute als Kapitän der „Mission Lifeline“ Bootsflüchtlinge im Mittelmeer und bringt sie in europäische Hafen. In FM4 Auf Laut spricht Claus-Peter Reisch mit Ali Cem Deniz über seinen Einsatz im Mittelmeer: Dienstagabend, 26.2.2019, ab 21.00 Uhr, in Radio, App und Player!

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