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Buch: Andreas Kump - "Über 40"

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„Über Vierzig“ von Andreas Kump ist ein Roman über verpasste Momente zwischen Wien und Linz

Andreas Kump erzählt in seinem Roman „Über Vierzig“ fünf Geschichten über den Tag, an dem etwas in einem bricht. Der Knacks, den man unverweigerlich erleidet, wenn man an einem heißen Sommertag merkt, dass man aus der Zeit gefallen ist. Ein Buch über das Älterwerden und an der Vergangenheit festhalten.

Von Claus Diwisch

Ganz ehrlich, jeder fühlt sich manchmal wie aus der Zeit gefallen. Man blickt zurück und fragt sich, wann ist es eigentlich passiert, dass man älter geworden ist? Und ist das, was man macht, wirklich das, was und wie man es machen möchte?

Im Roman „Über Vierzig“ werden fünf Geschichten über fünf Menschen an ein und demselben Tag im Hochsommer erzählt, über vierzig Grad hat es im Schatten und auch in der Gefühlswelt der Charaktere. Mona, die im Copyshop arbeitet, aber eigentlich eine Künstlerin ist, fragt sich, wie es so weit kommen konnte, dass sie das Wichtige so vernachlässigt hat, ihre Kunst. Roland ist im Dauerkrankenstand wegen seiner Panikattacken und sucht nach dem Grund für seine Unruhe. Lesbos hatte vor vielen Jahren, in seiner Jugend, eine erfolgreiche Band in Linz, fragt sich aber jetzt, ob das das einzige war, was er je Sinnvolles gemacht hat. Die lähmende Hitze verbindet sie alle, aber auch die nicht weniger lähmende Frage nach dem scheinbaren Stillstand des eigenen Lebens.

„Über 40“ von Andreas Kump ist im Milena Verlag erschienen.

Momentaufnahmen aus der Midlife-Crisis

„Über Vierzig“ liest sich wie eine Momentaufnahme aus fünf verschiedenen Midlife-Krisen, gespickt mit dem Verlangen nach Abenteuer, Wildheit, Exzellenz und Veränderung. Wenn man nicht aufpasst, dann sind es schnell nur rückwärtsgewandte Erzählungen im Stil von „Früher war alles besser“ und erst auf den zweiten Blick erkennt man die Probleme, die feine Melancholie, die träge und schwüle Last der Vergangenheit.

„In jedem Leben kommt der Augenblick, in dem die Zeit einen anderen Weg geht als man selbst. Man lässt die Mitwelt ziehen“, heißt es etwa in „Der Knacks“ von Roger Willemsen. Und an genau diesem Augenblick steigt Andreas Kump in „Über Vierzig“ ein.

Porträt von Autor Andreas Kump

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„Ich war selbst mal jung, dachte Lesbos. Aber ich war nicht so ferngesteuert wie der Kerl da. Ich hatte Stacheln auf dem Kopf, in allen Farben, um mich gegen vorbestimmten Mist zu wehren. Mich beschäftigten schon mit vierzehn die großen Fragen des Lebens. Wie bringt man ein Vakuum zum Verschwinden? Wann habe ich das Geld für den ersten London-Trip zusammen? Wo bekomme ich in dieser elenden Stadt eine vernünftige E-Gitarre her? Das waren die entscheidenden Aufgabestellungen damals. Im Grunde waren wir privilegiert. Hier gab es vor uns ja nichts. Wir konnten Pioniere sein.“

Sehnsucht nach der Jugend

Wenn man über die Vergangenheit spricht, wird man schnell wehmütig. Die Erinnerungen werden warmgehalten und die Welt, die sich verändert, wird argwöhnisch beäugt. In „Über Vierzig“ ist die Sehnsucht nach der Jugend immer präsent. Die Charaktere wollen, wenn sie schon nicht zurück in ihre Zeit reisen können, zumindest ihre Welt konservieren. Das ist ein Gefühl, das jeder kennt, die Sehnsucht nach der Unbeschwertheit der Kindheit, die Erinnerungen an die Schinken-Käse-Toasts im Freibad, Festnetzanschlüsse und Abenteuer der Jugend. Und was wir daran hassen ist, dass wir keine Wahl haben.

„Ich hab keine Lust mehr auf seine hängenden Schultern und die ganzen Zaudereien. Früher haben wir über alles gesprochen, jetzt ignorieren wir uns erfolgreich. Früher hatten wir Sex, jetzt haben wir Netflix.“

Andreas Kump hat schon 2007 das Buch „Es muss was geben – Die Anfänge der alternativen Musikszene in Linz” veröffentlicht und dieses Thema zieht sich auch durch seinen aktuellen Roman. Wie sein Charakter Lesbos hat auch er in einer Band gespielt, bis 2014 war er Mitglied der Linzer Band „Shy“, und wie sein Charakter Pia hat auch Kump in der Marketingbranche gearbeitet.

Popkulturelle Subkultur in Linz

Dadurch, dass Kump vermutlich eben auch viel über seine Welt, sein Linz und seine Subkulturen schreibt, bekommt „Über Vierzig“ auch seine besondere Authentizität. Man spürt das persönliche Anliegen und die echte Verwunderung darüber, was Linz war und was es heute ist.

„Über Vierzig“ reiht sich ein in eine Vielzahl an Erzählungen über die popkulturelle Subkultur. Rocko Schamoni hat erst unlängst seinen neuen Roman „Grosse Freiheit“ veröffentlicht, in dem er die Geschichte des popkulturellen Aufschwungs im St.Pauli der 70er anhand des Lebens eines legendären Puffbesitzers erzählt. Auch die Romane von Sven Regener oder Nagel sind gute Beispiele. Wer diese Autoren gerne liest, hat sicher auch mit Andreas Kump eine Freude. Was sie alle verbindet ist die andauernde Lust auf die Subkultur und das Abenteuer in einer spießigen Welt.

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