FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Quest

Oculus

Virtual Reality ohne Kabel: Oculus Quest

Das bisher ungewöhnlichste VR-Headset von Oculus benötigt keinen PC und keine externen Sensoren, bietet aber trotzdem ein vollständiges „Room Scale“-Erlebnis.

Von Christoph „Burstup“ Weiss

Wahrscheinlich haben Menschen alternative Welten erschaffen, seit sie existieren: durch Erzählungen, durch Schreiben, durch Kunst. Unsere Kreativität und unser Hang zum Eskapismus sind zwei Seiten derselben Medaille – und für beide gibt es ein vergleichweise neues Medium: Virtual Reality. Seit im Jahr 2013 das einst kleine Technologie-Startup Oculus die ersten seiner VR-Headsets gebaut hat, ist die (eigentlich Jahrzehnte alte Technologie) leistbar und praktikabel. Heute ist Oculus kein kleines Startup-Unternehmen mehr, sondern eine Tochter von Facebook – und hat gerade sein bisher ungewöhnlichstes VR-Headset veröffentlicht: das Oculus Quest.

In Cyberpunk-Filmen und -Literatur stöpseln sich die Protagonisten einfach in die virtuelle Realität ein - mittels Brillen oder Schnittstellen im Kopf. In Ready Player One heißt die VR-Welt “Oasis”, in Snowcrash „Metaverse” und in Neuromancer „Cyberspace“. Man könnte sagen, dass das Oculus Quest von diesen drei legendären Science-Fiction-Geschichten inspiriert ist. Es handelt sich um ein Standalone-Headset und richtet sich an VR-Interessierte, die kein kompliziertes und teures PC-Setup verwenden wollen.

Alles in einem Headset

In das Oculus Quest sind vier Kameras eingebaut, die alle Bewegungen durch den physischen Raum (also etwa das Wohnzimmer) auf die virtuelle Welt übertragen. Das heißt: Ohne vorher umständlich Löcher in die Wände bohren und externe Sensoren montieren zu müssen bewegt man sich durch physischen und virtuellen Raum gleichzeitig. Und nicht nur die Sensoren, sondern auch der Computer selbst (basierend auf einer Snapdragon-835-CPU) ist direkt ins Headset eingebaut.

Quest

Oculus

Weiters wird das Quest mit den zwei von bisherigen PC-VR-Systemen bekannten Hand-Controllern geliefert. Über Hände in VR zu verfügen erhöht die Immersion und ist praktisch, denn so können auf völlig natürliche Weise virtuelle Gegenstände berührt oder aufgenommen, Knöpfe und Schalter bedient, Texte auf virtuellen Tastaturen eingegeben werden und vieles mehr. Somit ist das „Room Scale“-Erlebnis, wie wir es bisher nur von „großen“, am PC betriebenen VR-Headsets wie HTC Vive und Oculus Rift kannten, komplett.

Eine der beeindruckendesten Anwendungen in VR ist schon seit mehreren Jahren das von Google veröffentlichte Grafikprogramm Tilt Brush. Damit zeichnet und malt man in drei Dimensionen – kaum vorstellbar, solang man es nicht selbst ausprobiert hat. Im Oculus Quest profitiert diese App davon, dass das lästige Verbindungskabel zum PC wegfällt: Erst jetzt fühlt sich die Bewegung im virtuellen Raum wirklich frei an.

Für Videospiel-Fans

Hauptsächlich richtet sich Oculus mit dem Quest an die Liebhaber von Videospielen - und hat deshalb unter anderem eine „Star Wars“-Lizenz erworben. Zu den Launchtiteln gehört der erste Teil einer Trilogie namens „Vader Immortal“. Das Geschehen wird aus der Sicht eines Schmugglers erlebt, dessen Raumschiff von Darth Vaders Schergen gekapert wird. Die Geschichte bietet intensive Momente wie zum Beispiel eine schwindelerregende Kletterpartie hunderte Meter über einem Lavasee. Die virtuelle Höhe wirkt im Quest sehr realistisch – genauso wie die Angriffe von Lightsaber schwingenden Gegnern.

Vader

Oculus

Apropos Lichtsäbel: Auch einige VR-Games, die im vorigen Jahr auf Rift und Vive erfolgreich waren, funktionieren mit dem Oculus Quest: zum Beispiel das Rhythmusspiel Beat Saber, bei dem man zu elektronischer Musik im Takt Würfel zerschneidet. Ein weiterer VR-Klassiker, der für das Quest adaptiert wurde, ist der faszinierende Slow-Motion-Shooter Superhot VR, in dem sich Spielerinnen und Spieler mitunter auch auf dem Wohnzimmerboden kriechend fortbewegen. Superhot profitiert wohl am meisten davon, dass man beim Spielen nicht an einem Kabel hängt.

Beat Saber

Hyperbolic Magnetism

Die Bewegungsfreiheit hat allerdings einen Nachteil: Das Gewicht des Oculus Quest ist etwas höher als das von Rift, Vive und anderen PC-Headsets. Nach ungefähr einer Stunde muss ich das Gerät meistens aus dem Gesicht nehmen, weil es unangenehm zu drücken beginnt.

Spiele und Applikationen werden grundsätzlich über den Oculus Store erworben und installiert. Derzeit gibt es dort rund 80 Games und Apps, darunter auch die bereits vom Go bekannten Apps für Netflix, Youtube. Praktisch wie immer sind die von Rift, Vive und Go bekannten Apps Virtual Desktop und Bigscreen – beide im Oculus Store erhältlich und dank der hohen Pixeldichte des Quest angenehmer als je zuvor. Ein Webbrowser, der auch VR-Inhalte und 360°-Videos darstellt, ist bereits vorinstalliert.

Experiment an der Grenze des technisch Machbaren

Weiters besteht auch die Möglichkeit des Sideloading von Homebrew-Apps und Modifikationen. Das Betriebssystem basiert wie schon beim Vorgängermodell Oculus Go auf Android, also Linux. Beim Anschluss an einen Windows-PC via USB-Kabel wird das Headset als Laufwerk erkannt. Findige Hacker haben bereits diverse Lösungen gebaut, mittels der auch Steam-VR-Spiele auf dem Quest gespielt werden können – vorausgesetzt der PC und das Quest befinden sich im gleichen WLAN. Ist der Router schnell genug, halten sich die Latenzzeiten dabei einigermaßen in Grenzen.

Facebook, seit 2014 Eigentümerin des 2012 gegründeten Unternehmens Oculus VR, wirbt derzeit mit drei verschiedenen Headsets um VR-Userinnen und -User: dem Oculus Go für Einsteiger und Interessierte an VR-Medieninhalten, dem Oculus Rift S für PC-Gamer, und dem Oculus Quest für Gamer, die es unkompliziert wollen. Das Quest soll sozusagen jene Menschen ansprechen, die sich auch bisher lieber eine Videospiel-Konsole als einen PC gekauft haben. Ob die Dreifach-Strategie aufgeht, wird sich zeigen. Auf jeden Fall ist das Quest ein hochinteressantes Experiment an der Grenze des heute technisch Machbaren.

Diskutiere mit!

mehr Game:

Aktuell: