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Shigeru Mizuki Graphic Novel Hitler und Zweiter Weltkrieg

Shigeru Mizuki / Reprodukt Verlag

Ein Manga über Hitler

Mit großer Verspätung sind zwei Manga von Shigeru Mizuki über den Aufstieg Hitlers und Japans Verbrechen im Zweiten Weltkrieg auch bei uns erschienen.

von Ali Cem Deniz

Ein Buch über Adolf Hitler zu schreiben ist eine Herausforderung. Ein Manga aber ist ein gewagtes Experiment. Als Shigeru Mizuki sich der heiklen Materie annahm, war es einzigartig.

Der 2015 verstorbene Manga-Autor ist in seiner Heimat für seine Geschichten über die Fabelwesen Yo-Kai bekannt. Die von seinen Büchern inspirierte Spielereihe Yo-Kai Watch ist auch hierzulande erschienen und gilt als gute Alternative zu Pokemon. Die politischen Werke von Mizuki hingegen sind in Vergessenheit geraten.

Ein einzigartiger Manga

Shigeru Mizuki Graphic Novel Hitler und Zweiter Weltkrieg

Shigeru Mizuki / Reprodukt Verlag

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg verkehrte der Autor in linken Studierendenkreisen. Es war auch jene Zeit, in der sich die Manga-Kultur langsam dem erwachsenen Publikum öffnete. Mizuki fühlte sich zwar der traditionellen japanischen Kultur verbunden, beschäftigte sich aber gleichzeitig mit der Geschichte Japans und des Faschismus. Daraus entstand 1971 ein Manga über Adolf Hitler.

In seiner Hitler-Biografie erzählt Mizuki wie aus dem frauen- und judenhassenden, talentfreien Kunsstunden der Fanatiker wurde, der am Ende eine ganze Nation fanatisiert und Millionen Menschen ermordet. Dabei konzentriert er sich vor allem auf die persönliche Entwicklung von Hitler und auf die Zeit vor der Machtergreifung. Die nötige kritische Distanz schafft Mizuki nicht nur mit seiner Erzählung, sondern auch seinem Zeichenstil. Er platziert karikaturhafte Darstellungen von Hitler, Göbbels, Strasser & Co. vor hyperrealistischen Hintergründen.

Diese Herangehensweise an die NS-Diktatur ist in der Anime- und Mangawelt, wo Hitlers Schreckensherrschaft häufig exotisiert und ästhetisiert wird, einzigartig. Dabei bleibt er bei seiner Erzählung immer gewissenhaft. Dass sich trotzdem Fehler eingeschlichen haben, liegt nicht an einer schlampigen Recherche, sondern an der damaligen Quellenlage. Im Grunde geht es dem Manga-Autor auch gar nicht darum, den Leser*innen den Aufstieg Hitlers in seiner ganzen Komplexität zu erklären, sondern eher: sich selbst.

Shigeru Mizuki Graphic Novel Hitler und Zweiter Weltkrieg

Shigeru Mizuki / Reprodukt Verlag

Vom Soldat zum Pazifisten

“Mein Schicksal wäre ein anderes gewesen. Mein Leben wäre nicht im Krieg ruiniert worden, und ohne Hitler hätte ich immer noch meinen linken Arm.” Mizukis Interesse für Hitlers Diktatur ist nicht nur politisch-historischer Natur. Im Zweiten Weltkrieg wird der Autor in die Kaiserliche Japanische Armee einberufen. Die traumatischen Erlebnisse im Krieg prägen seine Arbeit und manifestieren seine pazifistische Gesinnung, die er sowohl in seinen Kindergeschichten, als auch politischen Werken vermittelt.

Nur zwei Jahre nach der Hitler-Biografie veröffentlicht Mizuki mit “Auf in den Heldentod!” eine Anti-Kriegsgeschichte. In dem Buch erzählt er von einem fatalen Einsatz der Kaiserlichen Armee im Südpazifik, den er als junger Soldat selbst miterlebt hat. Auf Papua-Neuguinea müssen 500 Soldaten, teils einfache Rekruten ohne Ausbildung, einen aussichtslosen Kampf gegen die Amerikaner führen. Sie werden von ihren Vorgesetzten schikaniert, von der unmenschlichen Hitze und Malaria heimgesucht, doch aufgeben dürfen sie nicht. Wenn sie den Kampf nicht gewinnen, müssen sie den Heldentod für den Kaiser und das Vaterland sterben.

Shigeru Mizuki Graphic Novel Hitler und Zweiter Weltkrieg

Shigeru Mizuki / Reprodukt Verlag

„Hitler“ und „Auf in den Heldtod!" von Shigeru Mizuki sind in der Übersetzung von Jens Ossa im Reprodukt Verlag erschienen.“

Auch in dieser Geschichte erschafft Mizuki mit seinen ständig wechselnden Zeichenstilen eine ganz eigene Atmosphäre. Aus der Distanz wirken die japanischen Truppen wie aus heroisierenden Propaganda-Plakaten. Wenn Mizuki dann hineinzoomt, sehen wir karikaturhafte, jämmerliche und zutiefst menschliche Gestalten, die alles wollen, nur nicht den Heldentod. Ihre Vorgesetzten bestimmen nicht nur über ihren Tod, sondern über jeden Aspekt ihres Lebens. Der Manga beginnt mit zwei Rekruten, die von einem Offizier gezwungen werden, zu Prostituierten zu gehen. Als sich die erschöpften Männer wehren, werden sie mit Schlägen bedroht und beschimpft.

Diese kritische und entlarvende Auseinandersetzung mit Hierarchien, Militarismus, Nationalismus und den Verbrechen der Japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg, waren zum Erscheinungsdatum von “Auf in den Heldentod!” eine Seltenheit.

Mit dieser Geschichte und der Hitler-Biografie ist Shigeru Mizuki etwas gelungen, dem er sein Leben gewidmet hat. Er hat ein Zeichen gegen Faschismus und Kriegstreiberei gesetzt, die heute genauso relevant ist wie zum Erscheinungsdatum.

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