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Roskilde Festival Luftaufnahmen des Geländes

Roskilde Festival

Was macht das Roskilde Festival so besonders?

Es klingt fast zu gut, um wahr zu sein: Beim Roskilde Festival steht der gemeinschaftlichen Spirit im Fokus. Alle Einnahmen werden hier gespendet und organisiert wird das Festival zum Großteil von ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen.

Von Susi Ondrušová

Einmal im Jahr verwandelt sich das dänische Städtchen Roskilde zur viertgrößten Stadt Dänemarks: 130.000 Menschen nehmen am Roskilde Festival teil. 30.000 davon als „volunteers“. Das Roskilde Festival ist ein Non-Profit-Festival, alle Einnahmen werden hier gespendet und organisiert wird das Festival eben zum Großteil von ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen.

Den Begriff Besucher*innen mögen die Festival-Veranstalter*innen eigentlich nicht. Hier spricht man lieber von Teilnehmer*innen. Es sind die Musikfans, die Ehrenamtlichen, die für den gemeinschaftlichen Spirit am Festival sorgen. Mit dem Gedanken, das Festival zu optimieren, aber ohne die Reichtums-Dollarzeichen in den Augen. Jeder einzelne „volunteer“ ist ein Rädchen, das das „große Ganze“ zum Laufen bringt: Die Menschen hinter den Bars, das Ordnerpersonal in den Wavebreakern und an den Einlasstoren, die Booker, die für das Programm sorgen, oder jene handwerklich begabte Menschen, die schon eine Woche vor dem Festival einen Urlaub von ihrem Brotjob nehmen, um am Aufbau der acht Bühnen hier mitzuarbeiten.

Roskilde Festival Luftaufnahmen des Geländes

Roskilde Festival

Ein Festival für die ganze Familie

Alles damit 100.000 Musikfans Bands wie The Cure, Cardi B, Travis Scott oder Robyn sehen können. “Robyn who? I´m here for the Death Grips“, erzählt ein auf der Wiese liegender Besucher und schwärmt von den sieben anderen Bühnen, die neben, der mit einer orangen Plane überdachten, Hauptbühne erkundet werden müssen: Hip Hop von CupcaKKe zur Mittagszeit oder Reise in die 80er zum Sonnenuntergang mit Tears For Fears? Fontaines DC, die gefühlt angesagteste Rock-Band Irlands seit U2-Zeitrechnung hat hier gespielt, genauso wie Rosalia, die einer 7.500 Menschenmasse versucht hat, Fingerschnippen im Flamenco-Rhythmus beizubringen. Bob Dylan - ich meine: ein gut gelaunter lächelnder, am Keyboard stehender (!) Bob Dylan! - hat hier zeitgleich mit Skepta gespielt. Ihr merkt: ein Festival für die ganze Familie. Ein Festival für alle Genres.

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Roskilde we love youuu 💗 Photo by @hannahtw

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Festival heißt auch Veränderung: Alle drei Jahre werden die Essensstände im „Food Court“ an neue Betreiber vergeben. Wer hier mal in einem Jahr die beste Ramen-Suppe gegessen hat wird heuer vielleicht am gleichen Stand auf frittierte Schnecken und Pommes stoßen. Kulinarisch ist Roskilde eine Ausnahmeerscheinung. Wer das nötige Kleingeld hat, kann sich hier zu Mittag auch eine Lobster-Roll gönnen. „What are you going to do after the Robyn Gig now?” frage ich eine Besucherin um 3 Uhr früh? “I will eat spaghetti!” Es ist wie auf allen Festivals: ein Ort der Gegensätze. Eine Gemeinschaft aus 100.000 Menschen mit allen ihren Facetten.

Roskilde möchte eine „Utopia bauen“, hört man hier, „ein Ort, an dem man man selbst sein kann“. Der Druck der Gesellschaft zu „performen“ soll in dieser Woche weichen, aber der Rahmen, der hier vorgelebt wird, soll ein auf die Gemeinschaft und Solidarität fokussierter sein. Hier sind wir wir selbst und behandeln uns mit Respekt. Statistisch gesehen ist das „Wir“ in Roskilde übrigens im Durchschnitt 24 Jahre alt.

Sauberkeit & Umwelt

Es ist ein sehr freundlicher Ort, aber ist es auch ein sauberer Ort? Letztes Jahr hat das Festival Luftaufnahmen veröffentlicht, auf denen zu sehen war, wie sauber die Besucher*innen den Green-Camping-Platz hinterlassen haben und wie dreckig der „normale“ Camping Platz ausgeschaut hat.

Das Glastonbury Festival, das nur ein Jahr älter ist als das Roskilde Festival, hat heuer vermeldet, dass 99,3% der Camping-Zelte mitgenommen wurden und dabei dieses Foto veröffentlicht.

Das Glastonbury Festival hat heuer den Verkauf von Plastikflaschen am Gelände verboten und stattdessen vermehrt Wasserstellen angeboten und refill bottles verkauft. Die Veränderungen des Glastonbury Festivals hat man heuer am Roskilde ebenfalls beobachtet und wird sich damit näher auseinandersetzen, wie mir der Roskilde Pressesprecher Martin Frederiksen erklärt: Man möchte sich die „Analysen“ anschauen, aber gibt sich vorsichtig damit „zu viele Verbote zu machen“. Aber Fakt sei, „Müll ist am Roskilde Festival das größte Problem. Es kostet uns rund 1 Million Euro das Festival aufzuräumen. Eine Million Euro, die wir spenden könnten und spenden wollen. Wir sind an allen Lösungen interessiert.“

Fakt ist aber auch: Mit wenigen Ausnahmen gibt es hier sowieso Getränke nur in Pfandbechern zu kaufen. Geschirr und (teilweise) Besteck aus wiederverwertbarem Material. Volunteers, die den liegen gebliebenen Müll der Besucherinnen rund um das Bühnengelände wegräumen. Die Strohhalme an der Bar sind auch nicht aus Plastik.

Am Campingplatz schaut die Situation allerdings weitgehend auch nicht anders als auf dem heimischen Nova Rock Festival aus. Aber es gibt auch positive Beispiele: Beim CupcaKKe Konzert treffe ich einen Besucher, der dieses Wochenende mit seinen Maturakolleginnen am Campingplatz eine Müllsammelaktion gestartet hat. Eine andere Festivalbesucherin erzählt, dass Schulklassen das am Festival gesammelte Recycling-Geld an karitative Organisationen spenden. Anderen wäre es wichtiger, das Festival „smoke free“ statt „plastic free“ zu machen. Das Roskilde selbst möchte eine „positive Kultur bauen, in der die jungen Leute auch gerne Verantwortung übernehmen. Wir müssen einen Mittelweg finden können, wo sie (die Festivalbesucher*innen) sie selbst sein können und frei sein können!“, heißt es. Und das ohne, dass jemand mit einem Zeigefinger auf sie zeigt.

Rücksicht nehmen statt Zeigefinger

Statt Zeigefinger gibt es hier bei der Hauptbühne Videowalls an denen simple Botschaften und Informationen transportiert werden - zum Beispiel wie teuer das Aufräumen nach dem Festival ist. Immer wieder flackert auch ein „Take care of each other“ über den Bildschirm. Tatsächlich wird man hier überdurchschnittlich oft gefragt, wie es einem geht, wenn man mal ziellos wo steht. Richtig kitschig auch die Ordner, die einen beim Einlass in den Wavebreaker mit High Five begrüßen.

Menschen kann man mit Emotionen anstecken und das ist bei der tristen Wetterlage nur gut und wichtig: Am Wochenende, als das Campinggelände eröffnet wurde, hat es noch über 30 Grad gegeben, mittlerweile sind die Roskilde-Pullis und Roskilde-Jacken an den offiziellen Merch-Ständen ausverkauft. Die letzten Tage hat es viel geregnet, in der Nacht kühlt es auf unter 10 Grad ab. Es gibt den sanften Sprüh-Regen oder den dramatischen Spuck-Regen, der einen durch den Tag und die Nacht begleitet. Suboptimales Festivalwetter für die Open-Air-Liebhaber*innen, die nichts von Zwiebellook, Plastiklook, Gaffalook halten. Wer es allerdings positiv sehen möchte: vielleicht gerade richtig für eine dramatische Show der Samstags-Headliner The Cure. Davor spielt Lizzo also sollte man sich mit entsprechenden Euphorie-Tanzmoves auch über Wasser, ähm warm halten können.

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