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Whitney

Olivia Bee

Die Songs der Chicagoer Folkband Whitney sind Gedanken- und Herzheizung

Soeben haben Whitney ihr zweites Album „Forever Turned Around“ veröffentlicht. Eine Bandempfehlung.

Von Lisa Schneider

Jede Beziehung ernährt sich auch ein bisschen von Sorgen. Wird es immer so gut laufen wie jetzt? Kann ich alleine überhaupt noch weitermachen? Ebenfalls in einer Beziehung, und somit ähnlichen Fragen ausgesetzt, sind Musiker*innen und ihre Musik. Und genau darüber hat die Chicagoer Folkband Whitney jetzt ein Album geschrieben.

Geheimtippstatus hoch

2016 veröffentlichen Whitney ihr Debütalbum „Light Upon The Lake“ , entstauben damit die amerikanische Countryfolkszene und waren schnell der eine, richtige musikalische Geheimtipp. Sie sind von angesagtem Festival zu angesagtem Festival gereist, und haben es mit ihren Songs schließlich sogar in die Playlist von Elton John geschafft. Die sanfte, gute, erdige Musik, die Songs locker, ehrlich und gutmütig. Seelenbalsam, Seelentröster.

Whitney ist aktuell eine live bis zu acht Mitlieder umfassende Band, den Kern bilden aber die beiden Musiker Julien Ehrlich und Max Kakacek. Julien Ehrlich war zuerst Schlagzeuger des Unknown Mortal Orchestra, Max Kakacek Gitarrist bei den Indie-Glamrock-Posern Smith Westerns.

Whitney ist ihr gemeinsames, ihr Freundschaftsprojekt: Im Chicagoer Winter 2014, der mit seinen Temperaturen einen neuen Kälterekord aufgestellt hat, schreiben Julien Ehrlich und Max Kakacek ihre ersten gemeinsamen Songs. Darunter kleine, entschleunigte, verwunderlich warme Meisterwerke wie „No Woman“.

Die gute Zurückhaltung

Die Songs von Whitney folgen immer schon, und so auch am neuen, zweiten Album „Forever Turned Around“ einer schlichten Popstruktur. Das klingt so einfach, das perlt so gut: Wie das Falsett von Julien Ehrlich sich über die Töne schmiegt und wie Max Kakacek an der Leadgitarre subtil seine Soli spielt.

Dabei sind es mehrere, ja vier Gitarren, und Julien Ehrlich singt nicht nur, er spielt erneut Schlagzeug. Fast alle Songs sind mit Streicher- und Bläsersätzen ausgeschmückt. Das Opulente, Dichte erkennt man bei Whitney oft erst nach einer Weile - ebenso wie die Doppeldeutigkeit ihrer Songs, die so leicht fließen, aber inhaltlich von den schon erwähnten Sorgen erzählen.

Whitney Album Cover "Forever Turned Around"

Secretly Canadian

„Forever Turned Around“ heißt das zweite Album von Whitney und erscheint via Secretly Canadian.

„Anxiety“ ist das schöne englische Wort, das sich nicht wirklich gut ins Deutsche übersetzen lässt, und das oft in den Songs von Whitney - wenn auch nicht direkt, sondern umschrieben - aber auch im FM4-Interview mit Max Kakacek fällt. Als wir uns unterhalten, sind Whitney gerade wieder zuhause in Chicago angekommen, das zweite Album ist im Kasten und beim sehr guten amerikanischen Independent-Label Secretly Canadian (Alex Cameron, Suuns) erschienen.

Hinter Max Kakacek, Julien Ehrlich und dem Rest der Liveband liegen zu diesem Zeitpunkt monatelanges Touren, die ersten richtigen Hochs der Karriere, und das Fürchten vor den ersten richtigen Tiefs. Wächst der Erfolg, wachsen auch die Selbstzweifel.

Diesen Selbstzweifeln, diesen Zukunftsängsten ist das neue Album „Forever Turned Around“ gewidmet. Und so klug, wie Whitney eben Songs schreiben, heißt gleich der Eröffnungssong „Giving Up“. Ein kleines Eingeständnis am Anfang, sympathisch, unprätentiös. Die Musik von Whitney muss man lieben oder total langweilig finden. Für die Band ist - in aller Bescheidenheit - beides in Ordnung.

All the feels

Für Max Kakacek und Julien Ehrlich ist ein guter Popsong nicht einfach nur traurig. Er ist auch nicht einfach nur fröhlich. Sondern er nimmt seine Zuhörer*innen im besten Fall auf verschiedenen Gefühlsebenen ein; etwa, wenn es in der Nummer „Valleys (My Love)“ zur naiv-fröhlich mäandernden Melodie heißt: „There’s fire burning in the trees / Maybe life is the way it seems“.

„Forever Turned Around“ dockt an große existenzielle Fragen an, Fragen nach Liebe und Freundschaft, nach Zweifeln, nach der Endlichkeit aller Dinge. Gleichzeitig klingen sie wie die Art von Dialogen, die man mit sich selbst führt: ehrlich, unumwunden und direkt im Wissen darum, dass mitgeteilte Ängste sich besser ertragen lassen: „Well it made no sense at all / Until you came along“ („Used To Be Lonely“).

Einmal mehr geschrieben und aufgenommen im arschkalten Chicagoer Winter, diesmal 2018, sind die Songs von Whitney immer noch oder schon wieder Gedanken- und Herzheizung in einem. So weich, klug und auch ein bisschen traurig muss die gut vertonte Sorge klingen.

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