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Jeremy Deller / BBC

Jeremy Deller hat die beste Musikdoku des Jahres gemacht

Der Brite Jeremy Deller ist durch die Zugänglichkeit und den pointierten Humor seiner Arbeiten zu einem Star der Kunstwelt geworden, obwohl er selbst bei vielen seiner Arbeiten abstreitet, dass es sich um Kunst handelt. In seiner Doku „Everybody in the Place“ erzählt er die Rave-Geschichte als Geschichte des Klassenkampfs.

Von Natalie Brunner

In „Everybody in the Place“ befasst sich Jeremy Deller mit dem kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Wandel Großbritanniens, wie sich diese Neuordnung der Verhältnisse in der Rave-Kultur der 80er und frühen 90er Jahre manifestierte und was für eine sozial-utopische Kraft von dieser norm- und hierachiefreien Bewegung, in der jede*r willkommen war, ausging.

Die Doku, die diesen August von der BBC ausgestrahlt wurde, ist didaktisch sehr klug aufgebaut. Jeremy Deller kommt zu Besuch in eine Schulklasse und erzählt den um die Jahrtausendwende geborenen Schüler*innen mit extrem gut ausgewähltem Archivmaterial die Geschichte von Rave-Kultur als eine Geschichte des Klassenkampfs und des Widerstands gegen die Degradierung von Menschen zu Faktoren in einem Produktionsprozess, die bei Bedarf wegrationalisiert werden können.

„Hätte Marx House Music verstanden?“, fragt Deller in den Klassenraum. Er lässt die Frage unbeantwortet, meint aber, dass Marx verstanden hätte, was es bedeutet, wenn sich junge Menschen Industriegebäude aneignen, deren Funktion genau so wie ihre eigene Arbeitskraft vom Neoliberalismus der Thatcher-Regierung wegrationalisiert wurde, um darin zu einer an den Rhythmus von Maschinen erinnernden Musik zu feiern, jenseits der Gesetze einer kapitalistischen Verwertungslogik.

Wem das zu kompliziert und abstrakt klingt, das ist nur meine Unfähigkeit es simpler zu formulieren. Jeremy Deller besitzt das große Talent, diese Zusammenhänge verständlich darzustellen. „Everybody in the Place: An Incomplete History of Britain 1984-1992“ ist die beste Musikdoku des Jahres.

Das ausführliche Interview mit Jermey Deller gibt es im FM4 Interview Podcast zu hören:

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Jeremy Deller am Steirischen Herbst

„Grand Hotel Abyss“, so heißt das Kernprogramm des steirischen Herbst 2019. Dieses Luxushotel am Abgrund ist Europa zwischen Ultrarechten, Brexit und moralischem Versagen angesichts der Flüchtlingskrise, die auch durch den Klimawandel ausgelöst worden ist.

Beim steirischen Herbst ist eine Auftragsvideoarbeit von Deller zu sehen: Mit „Putin is Happy“ ist diesen Sommer ein 45-minütiges Video entstanden, in dem Deller bei einer Brexit-Kundgebung in London die Teilnehmer*innen mit einfachen Fragen dazu bringt ihre abstrusen Weltverschwörungstheorien und Geschichtsinterpretationen zu erzählen und erklären. Jeremy Deller hat sich bereits 2017 im Rahmen seiner „Fuck Brexit“-T-Shirt-Kampagne mit dem, wie im Programm zu lesen ist, „faulen Zauber britischer Nationalmythen und politischer Geschichte auseinandergesetzt, die die heutige Situation in Großbritannien hervorgebracht haben“.

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