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Postapokalypse ohne Romantik

Im minimalistischen Strategiespiel „Overland“ ist das Überleben hart, trostlos und deprimierend. Wie konsequent.

Von Rainer Sigl

Ella hat ein Glücksspielproblem und Rolf wurde mal bei illegalen Autorennen verhaftet. Eigentlich ist aber beides egal, denn die Welt, in der das eine Rolle gespielt hat, ist Geschichte. Die USA sind eine verwüstete Ruinenlandschaft, überrannt von grotesken Monstern aus dem Untergrund. Alles, was bleibt, ist der endlose Trek von der Ostküste Richtung Kalifornien - und die Hoffnung, dass es dort besser ist.

Im Videospiel „Overland“ reisen wir als kleine Gruppe Überlebender Stopp für Stopp nach Westen und müssen uns immer wieder auf die Suche nach Benzin, Waffen und Verbündeten machen. Die düstere Postapokalypse sieht dabei ausnehmend hübsch aus: Jeder Halt zeigt uns ein kleines Diorama, das an die Gemälde des spätimpressionistischen US-Malers Edward Hopper erinnert: eine zerstörte Tankstelle, verlassene Vorstadtcafes, Kreuzungen voller ausgebrannter Autos. Es ist die Welt nach dem Ende des amerikanischen Traums.

Rundenweise schwere Entscheidungen

Spielerisch ist „Overland“ im Kern ein simples Rundentaktikspiel, nach der Art eines „XCOM“: Man kann mit jeder der Figuren pro Runde zwei Aktionen ausführen, dann sind die Gegner an der Reihe. In jeder Szene ist das Ziel, möglichst viele Ressourcen zu sammeln und unbeschadet zu entkommen; am Ende jeder Reiseetappe steht eine besonders schwierige Aufgabe wie das Überwinden einer Straßensperre an. Zwischen den Einsätzen lernt man in kurzen, lakonischen Dialogen die Figuren näher kennen, die bei jedem Spielstart samt knapper Charakterisierung - siehe oben: Glücksspielproblem, Straßenrennen - neu zufallsgeneriert werden.

Der spielerische Minimalismus hat hier durchaus seinen Reiz, denn so rücken schnell schwere Entscheidungen ins Zentrum: Soll ich es noch wagen, von diesem Autowrack Benzin abzuzapfen oder nicht? Verschwende ich einen wertvollen Molotowcocktail, um dieses Monster zu töten, oder brauche ich ihn später noch? Opfere ich diesen Fremden, um dem Schrecken zu entkommen? Und - opfere ich auch meine Freunde, wenn es nicht anders geht? „Overland“ ist ziemlich schwer geraten, und wenn eine Gruppe scheitert, startet man nach Rogue-like-Manier mit neuen Figuren wieder ganz von vorn.

Overland

Finji

„The Road“ zum Selbstverzagen

Für gewöhnlich ist zumindest in Videospielen die Welt nach der Apokalypse bei allem Katastrophen-Chic dennoch voller düster-romantischer Freiheiten und verheißungsvoller Abenteuer; „Overland“ zeigt dagegen wie Cormac McCarthys „The Road“ eher eine hoffnungslos tödliche Welt. Das Überleben in dieser Postapokalypse ist hart, trostlos und ziemlich deprimierend - in dieser Hinsicht ist „Overland“ eigentlich sogar etwas zu überzeugend geraten.

„Overland“, erschienen für Windows, Mac, PS4, Nintendo Switch, XboX One und iOS.

Wenn man in langen Partien liebgewonnene Figuren dann doch noch an Monster verliert und die ganze Reise von vorn beginnen muss, macht sich auch beim Spielen Hoffnungslosigkeit und Depression breit. Zwar erschafft das Spiel immer wieder dramatische und einzigartige Szenen, doch ein Happy End gibt es in dieser Endzeit nicht. Besonders viel Spaß darf man sich davon nicht erwarten; wie die Ruinen der Zivilisation, durch die hier gereist wird, werden auch die darin leidenden Menschen früher oder später ohne Pathos und jede Romantik von der Oberfläche des Planeten verschwunden sein.

So betrachtet ist „Overland“ das vielleicht bislang konsequenteste Spiel zum Thema Weltuntergang.

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