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Viennale-Überraschungsfilm: „Motherless Brooklyn“ von und mit Edward Norton

Der diesjährige Viennale-Überraschungsfilm lässt nicht wenige Hollywood-Stars auf der Leinwand des Wiener Gartenbaukinos auftanzen: Edward Norton, Bruce Willis, Alec Baldwin und Willem Defoe im Neo-Noir-Kriminalfilm „Motherless Brooklyn“. Ein Viennale-Tagebucheintrag.

Von Jan Hestmann

Suspense funktioniert nicht nur im Film gut, sondern auch dann, wenn man ein Festival kuratiert. Der Überraschungsfilm der Viennale hat eine lange Tradition und auch dieses Mal war die Neugier groß, welcher Film heuer gezeigt werden würde. Am Samstag Nachmittag war es dann soweit, das Wiener Gartenbaukino, das Herzstück der Viennale, bis auf den letzten Platz gefüllt.

Viennale-Festivalintendantin Eva Sangiorgi betritt die Bühne. Aber auch sie will den Titel des Überraschungsfilms noch nicht vorweg nehmen. Das soll uns die Leinwand selbst in Kürze verraten. Als das wohlbekannte Logo von Warner Brothers dann erscheint, kann eine Besucherin einen knappen Ausruf der Freude nicht zurückhalten. Das Publikum lacht.

Und dann erscheint auch schon das verschmitzte Gesicht von Edward Norton auf der Bildfläche, die Vorfreude steigt. Kurz darauf der Filmtitel Weiß auf Schwarz: „Motherless Brooklyn“.

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Gugu Mbatha-Raw und Edward Norton in „Motherless Brooklyn“

Im New York der Fünziger-Jahre setzt der Privatdetektiv Lionel Essrog (Edward Norton) alles daran, den Mord an seinem Freund und Mentor Frank Minna (Bruce Willis) aufzuklären. Lionel besitzt ein fotografisches Gedächtnis, leidet aber auch an dem Tourette-Syndrom. Seine Untersuchungen führen ihn immer tiefer in ein korruptes Polit-Netzwerk. Dabei lernt er auch Laura Rose (Gugu Mbatha-Raw) kennen, die die Proteste gegen die voranschreitende Ghettoisierung der ärmeren, primär schwarzen Bevölkerung in New York anführt.

Edward Nortons Langzeitprojekt

„Motherless Brooklyn“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jonathan Lethem aus dem Jahr 1999. Die Verfilmung dessen ist so etwas wie Edward Nortons Langzeitprojekt. Fast 20 Jahre habe es gedauert, bis die Verfilmung von der Idee in Produktion gegangen ist. Edward Norton verfrachtet die Handlung in die Fünfziger Jahre und versetzt sie mit klassischen Stilmitteln des Film Noir. So tönt auch Edward Nortons Erzählerstimme aus dem Off und führt durch die Ermittlungen. Norton, der selbst die Hauptrolle für seinen Film übernommen hat, spielt den vom Tourette-Syndrom geplagten Ermittler mit Leib und Seele. Seine Performance ist ganz klar Highlight dieses Films.

Was das Pacing betrifft, ist „Motherless Brooklyn“ nicht zu 100% geglückt. Der Film zieht sich über weite Strecken wie ein Strudelteig, die Handlung kommt nur zäh voran. Mit einer Laufzeit von 144 Minuten wirkt er schlicht zu lang. Darüber können auch die liebevolle 50s-Ausstattung und ein paar wirklich schön inszenierte Szenen (Todeswaffe Blumentopf!) nicht hinwegtäuschen. Trotzdem: Vom Viennale-Publikum im Gartenbaukino gibt es im Anschluss an den Abspann Applaus. Das war aber auch zu erwarten, denn seien wir uns mal ehrlich, von Edward Norton kann man nie genug haben.

Rettungswagen, die um die Wette fahren

Zu späterer Stunde füllt sich im Urania Kino der Saal. Hier steht der Dokumentarfilm „Midnight Family“ am Programm, eine US-mexikanische Koproduktion von Luke Lorentzen. Einmal öfter ist der Saal ausverkauft.

Zu Beginn wird ein Text eingeblendet, der festhält, dass die 9-Millionen-Einwohner-Stadt Mexico City insgesamt weniger als 45 Krankenwagen zur Verfügung stellt. Aus diesem massiven Mangel heraus hat sich ein loses Netzwerk an halblegalen Laienambulanzen etabliert. Der Film verfolgt die Familie Ochoa, die ein solches Unternehmen führt, durch die nachtschwarzen Straßen von Mexico City.

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„Midnight Family“ von Luke Lorentzen

Im rostigen Krankenwagen liefern sie sich mit Konkurrenten Wettrennen und bestechen Polizisten, bloß um als erstes am Unfallort zu sein und damit ein paar Pesos zu verdienen. Am Ende stehen sie trotzdem oft ohne Bezahlung da, weil die Patient*innen nicht versichert sind, schlicht kein Geld haben und auch die Krankenhäuser eine Bezahlung für den Krankentransport häufig verweigern.

„Midnight Family“ ist ein rasanter Film mit spektakulärer Kameraführung, der am Ende vor allem drastisch vor Augen führt, was passiert, wenn man den Rettungsdienst einer gänzlich unregulierten Privatwirtschaft überlässt.

Takashi Miikes Blutrausch

Was aus diesem Viennale-Wochenende unbedingt noch erwähnt werden muss: Samstag Nacht war Takashi Miikes „Hatsukoi“, englischer Titel „First Love“, im Stadtkino im Künstlerhaus zu sehen. Wer den japanischen Kultregisseur und Meister des Gemetzels („Audition“) noch nicht kennt, sollte ihn unbedingt nachschlagen. Zu seinen Fans gehören unter anderen Quentin Tarantino und das kommt nicht von ungefähr. Mit „Hatsukoi“ liefert der 58-Jährige unglaublicherweise schon seinen mittlerweile 103. Film ab.

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„Hatsukoi“ von Takashi Miike

„Hatsukoi“ ist eine Gangster-Komödie, ein - wie für Miike üblich - wilder Blutrausch, der sich in nur einer Nacht in Tokio abspielt. Yakuza treffen auf korrupte Cops. Und inmitten des Wahnsinns ein unbescholtener junger Boxer, der da irgendwie so reingeraten ist. Es geht um Drogen und Klankämpfe - auch die Chinesen mischen mit. Pistolen, Messer, Pump Guns, Brechstangen, Samuraischwerter und Taser werden gezückt und jeder auf jeden losgelassen.

Es ist ein großer blutiger Spaß. Nicht nur die komischen Momente, auch die besonders brutalen erwidert das Viennale-Publikum mit lautem Lachen. Man kann gar nicht anders. Und so taumelt man dann irgendwann um 1 Uhr morgens aus dem Stadtkino und steht plötzlich wieder am Wiener Ring. Alles ruhig und gut behütet, und der Kopf dreht sich noch vom Miike-Karusell.

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