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Sabine Derflinger

Gersin Livia Paya

Wir nehmen die Hälfte vom Kuchen

Sie ist eine der meist beschäftigten Regisseurinnen im deutschsprachigen Raum: Sabine Derflinger ist zu Gast im FM4 Doppelzimmer.

Von Elisabeth Scharang

Johanna Dohnal stand viele Jahre ganz oben auf meiner Wunschliste für Gäste für das FM4 Doppelzimmer. Aber entweder sie war krank oder nicht da und dann hatten wir endlich einen Termin. Kurz davor ist sie gestorben. Sie war erst 71 Jahre alt. Und es hat mich sehr traurig gemacht, sie nie persönlich kennenlernen zu dürfen – die Frau, die 1979 als Staatssekretärin in die Regierung Kreisky einzog und die 1990 zur ersten Frauenministerin ernannt wurde. Die sich für die Umsetzung der Fristenlösung einsetzte und die in ihrem ersten Interview als Staatssekretärin Ende der 70iger Jahre klar machte: Frauenfragen sind immer Gesellschaftsfragen, die alle angehen.
Und nun sitze ich Sabine Derflinger im Studio gegenüber, die mir Johanna Dohnal über die Nebentür mit hereinbringt.

Sabine Derflinger

Elisabeth Scharang

Die Filmemacherin präsentiert am Abend des 1. November auf der Viennale ihren neuen Dokumentarfilm „Die Dohnal“, ein Porträt dieser außergewöhnlichen Politikerin. „Die Beschäftigung mit Johanna Dohnal hat mich nochmal total radikalisiert“, erzählt Sabine Derflinger. „Dohnals klare Argumentation, dass es eine Umverteilung geben muss, hat meine Haltung gegenüber eine Frauenquote nochmal gestärkt. Wir wollen die Hälfte vom Kuchen. Und Aus.“

Das Überwinden der Steinzeit

Sabine Derflinger hat sich in den letzten zwanzig Jahren den Platz hart erkämpft, an dem sie heute steht: sie ist eine der meist beschäftigten TV-Regisseurinnen im deutschsprachigen Raum. 2011 hat sie als erste Frau in Österreich die Regie für einen TATORT im ORF geführt. 2011? Ja. Genau. Klingt wie Steinzeit. Ist aber so. Dieses Vorzeigeprodukt des öffentlich- rechtlichen Hauptabendprogramms war bis dahin fest in männlicher Regiehand. Als Sabine Derflinger dann 2014 die erste Staffel der Serie VORSTADTWEIBER inszeniert hat, gab es laute Stimmen, die an ihr als Feministin zweifelten.

„In der Serie benehmen sich sowohl die Männer als auch die Frauen wie Arschlöcher – sie lügen und betrügen. Und das ist unterhaltsam. Ich habe überhaupt kein Problem damit, das mit meiner Haltung als Feministin zu vereinbaren. Als wir ANNA FUCKING MOLNAR im Kino präsentierten, haben die Aussagen von Nina Proll über die #metoo Debatte leider alles andere vom Tisch gewischt. Ich teile die Meinung von Nina Proll nicht, aber es war schade, dass über diese Debatte völlig untergegangen ist, dass hier eine Produzentin, eine Autorin und eine Regisseurin eine Kino-Komödie für ein breites Publikum gemacht haben. Auch das war bisher ausschließlich in männlichen Händen gelegen.“

Regisseurin Sabine Derflinger

Gersin Livia Paya

Die Feinde in den eigenen Reihen

Mit „Die Dohnal“ geht die vielseitige Regisseurin Sabine Derflinger wieder einmal ins Doku-Fach. Der Film verbindet die heutige Sicht von österreichischen Feministinnen mit den Argumenten ihrer Vorreiterinnen und Mitstreiterinnen. Aber am meisten beeindruckt hat mich die unglaubliche Ruhe, mit der sich Johanna Dohnal oft in Diskussionen (auch im live TV) mit untergriffigen Sexismen auseinandergesetzt hat.

Manchmal ist es kaum auszuhalten, mit wieviel unterschwelliger Aggression ihr begegnet wurde und über diesen Wortduellen in großen roten Buchstaben steht: WIR WERDEN VERHINDERN, DASS IHR DIE HÄLFTE VOM KUCHEN BEKOMMT.

Johanna Dohnal musste schließlich unter Bundeskanzler Franz Vranitzky aus der Regierung ausscheiden. Vor der Zeit, die sie ursprünglich mit ihm ausgemacht hatte. Mir war bevor ich den Film gesehen hatte nicht bewusst, dass sie, eine der erfolgreichsten sozialdemokratischen Politikerinnen, aus den eigenen Reihen heraus demontiert wurde. Was muss das für eine Enttäuschung für sie gewesen sein! Kurzum: Es zahlt sich aus, sich ins Kino zu setzen und sich eineinhalb Stunden diesen beiden starken Frauen zu widmen: Johanna Dohnal vor der Kamera und Sabine Derflinger hinter der Kamera.

Filmregisseurin Sabine Derflinger

Gersin Livia Paya

Sabine Derflinger im FM4 Doppelzimmer

Am 1. November von 13 bis 15 Uhr erzählt die Filmproduzentin, Autorin und Regisseurin Sabine Derflinger, warum sie mit vielen indischen Gästen aufgewachsen ist, die nach Wels kamen, wie sie in ihrem Job Machtkämpfe führt und warum sie sich als sehr junge Mutter dann doch entschlossen hat, an die Filmakademie zu gehen.

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