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Screenshots aus dem Spiel The Outer Worlds

Obsidian Entertainment

Revolution am Ende der Galaxie

In „The Outer Worlds“ hat die Profitgier von Megakonzernen schon ferne Galaxien erreicht. Ein Rollenspiel, das sich an Kapitalismuskritik wagt.

Von Ali Cem Deniz

In „The Outer Worlds“ spielen wir einen wieder aufgetauten Tiefkühl-Fabrikarbeiter, der mithilfe eines leicht durchgeknallten, aber freundlichen Professors die Arbeitskolleg*innen aus dem Tiefkühler retten und dem Brutalo-Kapitalismus in der fernen Galaxie Halcyon einen Riegel vorschieben soll. Dabei wandern wir in der Ego-Perspektive auf den hübschen, exotischen Planeten von Halcyon.

Auch wenn die Geschichte vorgegeben ist, lässt The Outer Worlds uns bei der Charaktererstellung freie Hand. Aussehen und Fähigkeiten bestimmen wir. Die Optionen sind vielfältig, aber nicht besonders originell. Wir können einen stämmigen Nahkämpfer spielen, der die durchgedrehten Konzern-Roboter mit stumpfen Waffen verformt. Oder wir schleichen uns mit einem geschickten Charakter durch die Spielwelt und greifen Gegner*innen aus dem Hinterhalt an. Oder gar nicht. Auch das geht in „The Outer Worlds“. Viele gewalttätige Konflikte lassen sich gänzlich vermeiden.

Reden bringt die Leute zusammen

Was sich nicht vermeiden lässt, sind die vielen Dialoge. Sie bilden das Gerüst des Spiels, das nur an der Oberfläche ein actionreicher Ego-Shooter ist. Hinter der Fassade steckt ein klassisches Rollenspiel, dessen Mechaniken stellenweise angestaubt wirken. Die vielen Gespräche lassen uns zwar in die Welt eintauchen, aber die ständigen Unterbrechungen durch die redelustigen Charaktere stören das Gameplay. Als Rollenspiel setzt „The Outer Worlds“ viel auf Entscheidungsfreiheit. Wie wir vorgehen, verändert den Spielverlauf und die Reaktionen von Nichtspieler-Charakteren.

Screenshots aus dem Spiel The Outer Worlds

Obsidian Entertainment

Wir können sogar von unserem Ziel abkommen und uns selbst am korrupten System, das in Halcyon herrscht, bedienen. Zu Beginn bekommen wir etwa von einer Gruppe anarchistischer Systemaussteiger*innen den Auftrag, den Strom abzudrehen. Wenn wir uns dagegen entscheiden, bekommt die Fabrik keinen Strom mehr und hunderte Menschen verlieren ihre Jobs. Und nicht mehr ausgebeutet zu werden, ist in dieser Welt für die meisten die schlimmere Alternative.

Alles im Fokus

Im Gegensatz zu vielen Rollenspielen setzt „The Outer Worlds“ nicht auf eine offene Spielwelt. Das ist eine angenehme Abwechslung zum unaufhörlichen Trend immer größer, aber auch langweiliger werdender Spielwelten. In „The Outer Worlds“ gibt es nur einige Planeten mit betretbaren Regionen. Die sind zwar auch stellenweise ziemlich leer. Dennoch tut gut diese Fokussierung gut.

Wären da nicht die vielen Ladebildschirme, die zumindest auf der von uns getesteten Xbox-One-Version ziemlich nerven. Fokussieren muss man übrigens auch auf die zahlreichen Menüs, die man braucht, um den namenlosen Protagonisten auszurüsten oder um neue Waffen zu bauen. Die Schrift ist so klein gehalten, dass man ein Fernglas in Griffnähe haben sollte, um gemütlich von der Couch aus zu spielen. Oder man entwickelt alternativ durch konstantes Augenzusammenkneifen eine Sehschwäche. „The Outer Worlds“ setzt eben auf Entscheidungsfreiheit.

Das große Vorbild

Entwickelt wurde „The Outer Worlds“ vom hochangesehenen Studio Obsidian Entertainment. Dieses hat in den letzten Jahren mit komplexen Rollenspielen wie „Tyranny“ oder „Pillars Of Eternity“ die Herzen jener Gamer*innen erobert, die mit den Trends der AAA-Mainstream-Spiele nicht viel anfangen können.

Der größte Erfolg ist Obsidian aber mit „Fallout New Vegas“ gelungen. Die Fallout-Reihe ist eigentlich beim Giganten Bethesda Softworks zuhause. Viele Fallout-Fans sehen in New Vegas jedoch den besten Ableger der Reihe.

Der FM4-Fallout-Experte Daniel Grabner über Fallout 4 und das katastrophale Fallout 76.

So ist es nicht überraschend, dass sich die Entwickler*innen am mittlerweile knapp zehn Jahre alten „Fallout New Vegas“ orientiert haben. Obwohl ähnliche Spielelemente da sind, kommt keine vergleichbare Atmosphäre auf. Das Ende des Universums, das im Würgegriff der profitgierigen Konzerne ist, ist ein interessantes Setting. Doch im Vergleich zur postapokalpytischen Endzeitstimmung von „New Vegas“ wirkt „The Outer Worlds“ eher flach.

Screenshots aus dem Spiel The Outer Worlds

Obsidian Entertainment

Die fehlende Identität

Schon als der erste Trailer von „The Outer Worlds“ veröffentlicht wurde, erkannten viele darin einen spirituellen Nachfolger von New Vegas. Das hat die Hypemaschine um das Spiel ordentlich angekurbelt. Doch letztendlich könnte genau diese Orientierung an New Vegas dem Spiel geschadet haben. Denn „The Outer Worlds“ schafft es nicht, das gleiche Gefühl zu erzeugen und scheitert auch daran, eine eigene Identität aufzubauen.

The Outer Worlds ist für Windows, Playstation 4 und Xbox One erschienen. Eine Version für die Nintendo Switch folgt 2020.

Die Kapitalismuskritik, die wohl das Markenzeichen des Spiels sein soll, bleibt trotz der schwierigen moralischen Entscheidungen, die man treffen muss, banal. Die diabolisch bösen Megakonzerne sind cartoonhaft. Der Kapitalismus ist trotz des futuristischen Settings im späten 19. Jahrhundert hängen geblieben, wo Fabrikarbeiter*innen wie Leibeigene ihr Dasein fristen. Und am Ende zieht „The Outer Worlds“ eine klare Line zwischen Gut und Böse, die man ganz ohne Augenzukneifen erkennen kann.

Eine hyperintelligente Auseinandersetzung mit einem menschenfeindlichen Wirtschaftssystem ist „The Outer Worlds“ definitiv nicht. Fans von klassischen Rollenspielen, die weniger Neues erfinden und stattdessen den Genreprinzipien treu bleiben, dürfen einen Blick riskieren. Und Karl Marx hätte wohl auch seinen Spaß daran, den Großunternehmern die Hölle heiß zu machen.

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