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Capital Bra - Blyat

Phong Le

Capital Bra: Bra, Bra, Bra, Bam, Bam, Bam

Capital Bra ist einer der erfolgreichsten Rapper im deutschsprachigen Raum. Angeblich ist er erfolgreicher als die Beatles. Wie kommt’s?

Von Johann Voigt

„Berlin lebt“ wegen Capital Bra, sagt er. Denn so heißt sein beliebtestes Soloalbum und „Berlin lebt 2“ sein vor einigen Wochen veröffentlichtes Kollabo-Album mit dem Rapper Samra. Deutschrap-Fans unter 14 Jahren hören zum ersten Mal von den Beatles wegen Capital Bra, sagen andere.

So erfolgreich wie der 24-Jährige Vladislav Balovatsky, der in Sibirien geboren wurde und im Plattenbau im Ostberliner Randbezirk Hohenschönhausen aufwuchs, ist momentan kaum ein Rapper in Deutschland und Österreich. Nicht bei Instagram (Capital Bra hat 3,7 Millionen Follower*innen), nicht in den Single- und Album-Charts. 17 Nummer-Eins-Singles hatte er allein in Deutschland – die Beatles hatten weniger. Darum wurde Capital Bra in letzter Zeit immer wieder mit der Band verglichen.

Klingt ja krass, aber natürlich hinkt der Vergleich. Die Beatles haben Millionen von Schallplatten verkauft, Capital Bra verdient sein Geld, damit, dass er millionenfach via Streamingdienst über Smartphones auf dem Schulhof gehört wird.

Capital Bra ist, und das ist das Interessante, vor allem ein Musterbeispiel dafür, wie Popstars im Jahr 2019 funktionieren – ganz anders als John Lennon.

Capital Bra braucht keine ausgefuchsten Songtexte, muss keine neuen Musikstile entwickeln, keine geheimnisvolle Aura um sich kreieren, nicht die Welt retten. Er muss vor allem möglichst viel bei Instagram posten und dabei möglichst nahbar sein. Dort interagiert er mit seinen Fans, beantwortet Fragen, filmt sich live dabei, wie er mit Gucci Cap auf dem Kopf (das er wieder und wieder in seinen Songs berappt, „Bratan, ich trag’ nur noch Gucci“) durch Berlin läuft und gibt sich überhaupt nicht wie ein Star. Er ist der Kumpel von nebenan, der früher Scheiße gebaut hat, um Geld zu verdienen und heute Studios zerlegt, um Songs aufzunehmen. Für sich und, das betont er immer wieder, für seine Fans: seine Bratans und Bratinas.

Die Fans danken es ihm, kaufen seine Deluxeboxen, streamen seine Songs wieder und wieder und wieder, seine Touren sind ausverkauft. Rund 5 Millionen Menschen hören monatlich Capital-Bra-Songs bei Spotify.

Die Fannähe, die Capital Bra via Social Media konstruiert, weil es ihm Spaß macht und wahrscheinlich auch, weil es ihm was bringt, verhilft ihm zum Erfolg. Solange er weiter liefert, reißen ihm seine Fans jeden neuen Song aus den Händen. Egal ob es ein Remake von Dieter Bohlens „Cherry Lady“ ist, ob er über seine „Prinzessa“, den Fußballer „Benzema“, seine Lieblingskleidungsmarke „Gucci“ oder die bei Hooligans beliebte Droge „Tilidin“ rappt. Capital Bra ist ein Influencer und das einzige Produkt, das er bewirbt, ist seine Musik. Das funktioniert.

Wie Capital Bras Musik aber überhaupt klingt, lässt sich schwer charakterisieren. Er hat in den letzten drei Jahren sechs Soloalben, mehrere EPs und ein Kollabo-Album veröffentlicht. Stilistisch sind die Songs vielfältig. Hörer*innen können aus dem riesigen Song-Pool, und das ist ein weiterer Grund für seinen Erfolg, einfach ihren Wunsch-Capital-Bra zusammenstellen und alle Songs, die nicht ins Schema passen, ignorieren.

Oft wird Capital Bra unterstellt, er sei unmusikalisch, seine Beats klängen immer gleich: ein bisschen Marimba-Geklöppel, ein bisschen Gesang mit Autotune, eine Catchphrase in der Hook, Ende. Das stimmt auch, aber nicht nur. Es ist nur so, dass diese Klischee-Capital-Songs am besten in große Playlists der Streaminganbieter passen, dadurch noch mehr Hörer*innen erreichen und als Maßstab genommen werden.

In Wirklichkeit kann Capital Bra durchaus etwas zur Pop-Musik im Jahr 2019 hinzufügen. Seine große Stärke sind nicht die Beats, nicht die teils sexistischen, arg verknappten Texte, sondern seine Stimme und wie er damit arbeitet. Capital Bra kann den banalsten Quatsch rappen oder singen, aber ihn so klingen lassen, als wäre er das Wichtigste auf der Welt. Capital Bra kann so wütend klingen, dass man selbst die Einrichtung seines Zimmers zertrümmern will. Er kann so viel Leid in seiner Stimme transportieren, dass man weinen muss. Er kann so fröhlich und aufgekratzt rappen, dass man gleich mitfeiern will. Und er kann so verstörend ins Mikrofon schreien, dass man Angst bekommt. Am besten kommt das bei seinem Alter Ego Joker Bra zur Geltung, auf absurden Songs, die teilweise nicht mal Namen haben.

Wer die Stärken, die vielen Stimmen von Capital Bra entdecken will, muss alle seine Songs studieren. Natürlich macht das kaum jemand. Capital Bra kann es völlig egal sein, solange er weiter auf Instagram, YouTube und Spotify Content liefert. Denn Pop-Star im Jahr 2019 zu sein bedeutet vor allem eins: Contentproduktionsmaschine zu sein, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Capital Bra hat das verinnerlicht.

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