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Gerhard Struber im Oktober 2019

APA/AFP/Ozan KOSE

Blumenaus 20er-Journal

Sehnsucht nach der Halle

Warum englischer Feiertags-Fußball dann auch wieder nervt. Trotz Gerhard Struber in Barnsley. Und wo das Stadthallen-Turnier bleibt, wenn man’s braucht.

Von Martin Blumenau

Die Marketing-Maschine hat funktioniert. Selbst meine Frau, und die interessiert sich genau gar nicht für Fußball, hat es mitbekommen: Die Meisterschafts-Runde am Boxing Day, also am zweiten Weihnachtsfeiertag, ist ein unique selling point für die beste Liga der Welt, der auch in den Mainstream durchstrahlt.

Nicht dass das Gefühl aufkommt, dass mich der Spiele-Overload an den Feiertagen jetzt deshalb nervt, nur weil alle drüber reden. Klar, früher war diese Ballung von drei Runden in sieben Tagen hierzulande ein Geheimtipp, den man verstohlen konsumierte wie Amateur-Porno. Jetzt kommt er in Super-HD.

Und anstrengend ist es wegen der hohen Verfügbarkeit (via Sky oder dem Wett-Cafe deiner Wahl) und der Unübersichtlichkeit, die wohl auch die Coaches plagt, die teilweise zwei verschiedene Teams aufs Feld schicken, also High-Rotation betreiben, und so die Meisterschaft auch irgendwie verfälschen. Zudem fühlt man sich wie im Wiener Süd-Speckgürtel, wo ein Ort in den anderen überlappt, wenn eine Runde so direkt an die nächste stößt. Und, zugegeben: Dass Liverpool vorne so wegmarschiert, dass der Kampf der Guten gegen das Böse (ManCity) so vergleichsweise unspannend ist, trägt auch nicht zum gierigen Schauen bei. Immerhin: Die Österreicher-Front kommt halbwegs gut weg, Fuchs darf wieder einmal 90 Minuten spielen und Hasenhüttls heiliges Southampton hat sich nach dem schlimmen Kegelabend (Ende Oktober haben sie 0:9 gegen Leicester verloren) erholt und Anschluss ans Mittelfeld gefunden - in Österreich wäre er sofort gefeuert worden.

Trotzdem hat mich ein zufällig erwischtes Spiel eine Stufe tiefer mehr gepackt, nämlich Barnsleys Sieg bei Millwall in der Championship. Barnsley ist die neue Heimat von Coach Gerhard Struber, den seine Europacup-Performance mit dem Wolfsberger AC (vor allem gegen Gladbach und die Roma) in den internationalen Fokus gerückt hat, und die ältere von Pippo Schmidt, dem Hosiner-Cousin aus dem Admira-Stall und Tormann Sami Sahin-Radlinger, der von Hannover kam.

Und dieses Match war durchaus augenöffnend. Zum einen, weil das Tempo auch im Vergleich zur Premier League atemberaubend war, zum anderen, weil das Niveau des Teams aus Barnsley doch sehr überschaubar ist und man dort all seine Schläue aufbieten muss, um aus dem Tabellenkeller rauszukommen, was ihm mit 12 Punkten aus seinen zehn Liga-Spielen und einem Cupsieg doch irgendwie gelungen ist. Gegen Millwall war die Mannschaft in jeder Hinsicht unterlegen, konnte lange nicht mehr anbieten als intensive Verteidigung, hatte dann aber die nötige Konsequenz im gelegentlichen Angriffspiel, was die Führung zur Folge hatte. Der Ausgleich knapp vor Ende war allerdings folgerichtig, zu hoch war der Qualitäts-Unterschied. Dass es just der in der 84. Minute reingekommene Patrick Pippo Schmidt war, der in der Nachspielzeit den dann doch irgendwie richtigen Sieg fixierte, war richtig schön anzusehen; und bestätigte die Spiel-Idee von Struber, dessen Handschrift samt WAC-artigem System (4-3-1-2) deutlich sichtbar waren und wohl innerhalb von kurzer Zeit gegriffen haben. Nicht dass das so sein musste, aber: Wer eine Idee hat und umsetzungsschlau ist, bei dem besteht eben die Chance auf kalkulierbaren Erfolg.

Gestern nun war die Halle dran, traditionelles Jugend-Turnier in Sindelfingen, wieder mit einem Sieg der SK-Rapid-Jahrgänge von unter 2001, wieder mit Yusuf Demir, dem Jahrhunderte-Talent als MVP. Wichtige Fuß- und Fingerübungen, gut anzusehen. Und da denke ich dann sehnsüchtig an frühere Weihnachts-Feiertage, als die Wiener Stadthalle das alljährliche Turnier der Wiener Vereine mit lässigen Gästen aus Graz, Linz, Innsbruck oder dem Ausland ausrichtete, an drei oder vier Spieltagen clever über die Feiertage verteilt. Es ging um ein bissl Preisgeld, die Ehre, um massive Fan-Nähe und einen angenehmen Ausklang des Jahres. Und es war eine kontemplative Veranstaltung im besten Sinn, egal ob live in der Halle oder per Bild-Übertragung.

Klar, das ist anno 2020 nicht mehr herstellbar: Die Vereine haben andere Vorbereitungs-Pläne, die Spieler andere Interessen, die Sponsoren entsprechend keine. Nur die Fans würden es genießen, aber die sind das schwächste Glied der Verwertungslogik-Kette. Und so müssen wir uns mit Hallen-Fußball von Senioren- und Traditions-Teams herumschlagen, in Graz oder im DSF. Und das ist, ehrlich gesagt, so duftig wie Zehenkäse.

Also wird es das nicht spielen. Und meinereins nur der Boxing-Day-Schmäh bleiben. Vielleicht 2020 dann auch mit Gerhard Struber eine Liga weiter oben.

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