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"Warcraft 3: Reforged"

Blizzard Entertainment

Wut wegen Warcraft

Die Computerspielmarke Warcraft blickt auf eine 25-jährige Geschichte zurück. Bisher war die Fantasy-Saga ein Garant für spielerische Qualität, doch mit der Wiederveröffentlichung des beliebten Strategiespiels „Warcraft 3“ erlebt die Herstellerfirma Blizzard Entertainment nun ein weiteres Debakel innerhalb ihrer jüngeren Geschichte.

Von Robert Glashüttner

Wenige visuelle Neuerungen, mehrere Softwarefehler, schlechte Performance und ein merkbar abgespeckter Multiplayer-Modus. Die für hohe spielerische und technische Qualität bekannte Computerspielherstellerfirma Blizzard Entertainment aus den USA erlebt mit der überarbeiteten Wiederveröffentlichung ihres Klassikers „Warcraft 3“ derzeit einen veritablen Shitstorm. Viele verärgerte User äußern in Foren und auf Social Media-Plattformen wie Reddit oder Twitter teils aggressiv ihren Unmut, es hagelt Rückerstattungen der getätigten Spielkäufe.

Dabei hätte eigentlich gar nichts schiefgehen dürfen. Das 2002 erstmals erschienene Strategiespiel gilt innerhalb seiner Gattung als eines der besten digitalen Spiele überhaupt. Mit Problemen bei der technischen und visuellen Überarbeitung des 18 Jahre alten Spiels hatte niemand gerechnet, ist Blizzard doch eine der renommiertesten Firmen der Branche, die auch bekannt dafür war, Produkte nie verfrüht auf den Markt zu bringen.

Doch seit einiger Zeit strauchelt das Unternehmen mit der Aufrechterhaltung seiner Spiele: User brechen weg, E-Sport-Strukturen werden aufgelöst oder ausgelagert, und neuangekündigte Titel bei der Spielerschaft mitunter schlecht angenommen. Im Herbst 2019 gab es darüber hinaus einen politischen Skandal, als ein Profispieler aus Hongkong von einem hoch dotierten Turnier suspendiert wurde, nachdem er sich während eines Livestreams mit der Protestbewegung in Hongkong solidarisiert hatte. Das aktuelle Debakel mit der durchwachsenen Wiederveröffentlichung eines alten Spiels ist nun ein weiterer Indikator dafür, dass die Firma Blizzard Entertainment derzeit eine schwierige Phase durchläuft. Ihre starke Marke Warcraft wird dadurch aber langfristig nicht geschwächt werden, denn sie ist gut genug in unterschiedlichen Computerspielen und der Popkultur allgemein verästelt.

Ein Vierteljahrhundert Warcraft

Über 25 Jahre sind mittlerweile vergangen als zum ersten Mal die Fantasy-Saga „Warcraft“ auf Computerbildschirmen geflimmert ist. Die inhaltlich recht einfach gestrickte, aber mit vielen einprägsamen Charakteren versehene Geschichte um einen andauernden kriegerischen Konflikt zwischen Menschen, Orks und anderen Völkern in einer mittelalterlichen Welt hat eine Computerspielgattung eingeleitet, die davor nur als Experiment existierte: das Genre der Echtzeitstrategie, bei dem Spielerinnen und Spieler als auch Computergegner gleichzeitig ihre Heimatbasen und Truppen hochziehen - wer schneller baut und seine Figuren effektiver zusammenstellt, hat hohe Chancen auf den Sieg.

"Warcraft 3: Reforged"

Blizzard Entertainment

Die dahinter stehende Entwicklerfirma Blizzard Entertainment war 1994 noch ein kleines, junges Unternehmen, das vor allem für die damaligen Spielkonsolen Super Nintendo oder Sega Mega Drive Games entwickelt hatte, die damals noch von anderen Verlagen vertrieben wurden. Mit „Warcraft: Orcs & Human“, das als erstes Blizzard-Spiel im Eigenverlag erschienen ist, war der Grundstein für die heutige Firma gelegt, die zwischen 4.000 und 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an neun Standorten in den USA beschäftigt. Das Spiel hat Mitte der 1990er Jahre 300.000 Lizenzen verkauft - für damalige Verhältnisse ein sehr guter finanzieller Erfolg, der die Rezeption von Spielerschaft und Presse widerspiegelte: Sowohl das dynamische Gameplay als auch die klassisch bis klischeehaft in Szene gesetzte Fantasy-Geschichte konnte überzeugen.

Aufstieg mit Wartezeit

Der Nachfolger „Warcraft 2: Tides of Darkness“ folgte bereits ein Jahr später, bei dem sich die Verkaufszahlen im Vergleich zum Original gleich mal verzehnfachen sollten. Danach wurde es jedoch ziemlich still um die Serie, weil stattdessen in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre an einer neuen Strategiespielserie gebastelt wurde: der Weltraumoper „Starcraft“ (1998), die anfangs von vielen noch herablassend als Warcraft in Space bezeichnet wurde. Doch auch „Starcraft“ wurde ein Erfolg, unter anderem deshalb, weil mehr Fraktionen (drei statt vormals zwei) spielbar waren und das Game intuitiver zu bedienen war.

Erst 2002 durfte „Warcraft“ wieder nachziehen: Der dritte Teil „Reign of Chaos“ hatte nun vier statt vormals zwei spielbare Fraktionen sowie eine mit 3D-Modellen aufgepeppte Spielewelt. Neben einer umfangreichen Solokampagne, einer epischen Geschichte, die mit vielen Zwischensequenzen und umfangreichen Dialogen ausgestattet war, sowie ausgeklügelten Online-Funktionen wurde „Warcraft 3“ zu einem riesigen Wurf, der Blizzard Entertainent endgültig in die Königsklasse der Computerspielentwicklerstudios gehievt hat. Doch dieser inhaltliche und wirtschaftliche Höhepunkt von Blizzard sollte auch eine Entwicklung innerhalb der Gameskultur einleiten, die sie einige Jahre später merkbar zurückwerfen würde.

"Warcraft 3: Reforged"

Blizzard Entertainment

Die MOBA-Krise

Bereits ein Jahr nach der Veröffentlichung von „Warcraft 3“ hat ein findiger User mittels des dem Spiel beigefügten Leveleditors eine Modifikation erstellt, die besonders viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat: „Defense of the Ancients“, kurz „Dota“. Dabei spielt jeder Spieler und jede Spielerin nur eine Heldenfigur der Wahl und tritt mit Mitstreitern gegen das gegnerische Team an. Der Basenbau fällt komplett weg.

Gut zehn Jahre später ist aus dieser Modifikation eine neue, bis heute hocherfolgreiche Computerspielgattung geworden, und zwar jene der MOBAs, kurz für multiplayer online battle arena. Heute stehen die MOBA-Zugpferde „League of Legends“ und „Dota 2“ an vorderster Stelle von zeitgenössischer Gameskultur überhaupt. Besonders bitter für Blizzard Entertainment: Obwohl das ursprüngliche „Dota“ nur innerhalb von „Warcraft 3“ spielbar war, hat das Unternehmen davon keinerlei Vorteile schöpfen können, denn es wurde verabsäumt, die Rechte von usergenerierten Inhalten einzubehalten. Schließlich ist auch noch die Konkurrenz auf den Plan getreten: Der „Dota“-Entwickler mit dem Pseudonym IceFrog wurde 2009 von der Spielefirma Valve eingestellt, damit er dort fortan am eigenständigen Nachfolger „Dota 2“ arbeitet, das 2013 erschienen ist. Blizzard hat den Trend verschlafen: Das Mitte 2015 selbst entwickelte MOBA „Heroes of the Storm“ konnte nie an den Erfolg der großen Namen anschließen.

„World of Warcraft“ als Dauerbrenner

Unabhängig der MOBA-Krise hat sich Blizzard Mitte der 2000er Jahre mit der Warcraft-Marke von Strategiespielen abgewandt und ist damit zu neuen Ufern aufgebrochen. „World of Warcraft“, in Europa Anfang 2005 erstmals online gegangen, hat die Saga um Orks, Menschen, Nachtelfen und Co. im großen Stil weitererzählt. Es war die Blaupause westlicher Online-Rollenspiele und ist bis heute ein anhaltender Erfolg. Das ist etwa beim Livestreaming-Dienst Twitch.tv gut sichtbar, wo „World of Warcraft“ regelmäßig in den Top 5 der meistgespielten Games vertreten ist. Durch regelmäßig veröffentlichte Erweiterungen wird einerseits das Spielerlebnis immer frisch gehalten, andererseits können Figuren und Erzählungen aus der Spielwelt stets aufs Neue gut in Szene gesetzt werden.

Weil sich die virtuelle Welt von „World of Warcraft“ aber innerhalb von 15 Jahren stark verändert hat und sich manche Spielerinnen und Spieler nostalgisch an ihre früheren Erlebnisse zurückerinnern, hat Blizzard einen schlauen Trick angewandt: Das im Vorjahr veröffentlichte „World of Warcraft Classic“ macht einen Reset und hat die interne Spieleuhr auf 2005 zurückgedreht. Auch hinsichtlich der Bedienung war damals einiges anders als es später Schritt für Schritt geworden ist - dieser Aspekt wird durch das Retroerlebnis ebenfalls geboten. Die zwei parallel existierenden „World of Warcraft“-Spiele haben sich für den Konzern bisher bezahlt gemacht.

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Blizzard Entertainment

Zurück zu den Klassikern?

Mitte der 2010er Jahre startet Blizzard zwar einige neue Serien (darunter das im Warcraft-Universum angesiedelte „Hearthstone“), doch neue Strategiespiele sind darunter keine mehr. Immerhin werden die Klassiker wieder aus der Mottenkiste geholt: 2017 wird das originale „Starcraft“ aufwendig auf den neuesten technischen Stand gebracht („Starcraft: Remastered“), 2019 erscheinen die ersten beiden „Warcraft“-Teile am Online-Marktplatz Good Old Games (GOG).

Vor einer Woche ist auch das durch die Jahre hinweg mit Preisen überhäufte „Warcraft 3“ neu aufgelegt worden. Vorab wurde viel versprochen: Das Spielinterface sollte generalüberholt werden, die Figuren sollten viel detailverliebter werden, die Dialoge würde man neu einsprechen. Obwohl die Veröffentlichung um ein paar Monate verschoben worden ist, handelt es sich beim nun vorliegenden „Warcraft 3: Reforged“ um ein unfertig wirkendes Produkt mit technischen Fehlern und nur teilweise umgesetzten neuen Features. Visuell ist der Sprung von 2002 auf 2020 kaum merkbar, und auch die neu eingesprochenen Dialoge bieten zu wenig Unterschied zum ursprünglichen Spiel. Besonders ärgerlich ist der abgespeckte Online-Modus, wo ehemals etablierte Elemente wie ein Rangsystem komplett verschwunden sind. Immerhin verspricht Blizzard Entertainment Besserung: Die negativen Stimmen wurden gehört und werden ernstgenommen. Demnächst sollen mit Patches die gröbsten Probleme ausgemerzt werden.

„Warcraft 3“ in der FM4 Spielekammerl-Show

Heute (Donnerstag, 6. Februar) spielen Chris Stipkovits und Robert Glashüttner mit dem Gast Orlando Süss in der FM4 Spielekammerl-Show vier Stunden lang „Warcraft 3: Reforged“. Geplaudert und gespielt wird durchgehend von 17 bis 21 Uhr auf twitch.tv/radio_fm4.

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