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Kulturszene kämpft mit Absagen

Seit Dienstagmittag mussten in Österreich unzählige Veranstaltungen mit mehr als 100 Besucherinnen und Besuchern abgesagt werden. Gerade für Labels und Clubbetreiber können diese wochenlangen Sicherheitsmaßnahmen existenzbedrohend werden.

Von Viktoria Waldegger

Hinter jeder neuen Künstler*in, hinter jeder Tournee steckt jahrelange Vorarbeit von der Organisation bis hin zur Werbung. Das Wiener Label Ink Music mit Gründer Hannes Tschürtz hat die letzten ein bis zwei Jahre mit den Künstler*innen Oehl, My Ugly Clementine und Lou Asril ein Paket aus Konzerten, Tourneen und Plattenveröffentlichungen erarbeitet. Im März und April hätte sich die Arbeit dann auszahlen sollen. Dann hätten sich auch die vielen Investitionen der Firmen und der Künstlerinnen und Künstler rechnen sollen, berichtet Tschürtz.

Hilfe im Gespräch

Wiener Politiker haben bereits finanzielle Unterstützung für die Kulturszene versprochen. Auch die EU hat Hilfsgelder angekündigt. Ob es Entschädigungen von Versicherungen oder der Regierung geben wird, ist derzeit nicht klar.

Ein wichtiger Teil der Planung sind die Konzerte, die jetzt aber zu einem großen Teil nicht stattfinden können. „My Ugly Clementine“ allein hätten im April über 20 Konzerte spielen sollen. An jedem Konzert hängt dabei deutlich mehr als „nur“ das Einkommen aus den Ticketverkäufen. Komponisten fallen um Tantiemen um, ohne Konzerte gibt es weniger Presseberichte, dadurch werden Songs seltener im Radio gespielt, und letztendlich auch seltener zuhause gestreamt oder gekauft, erzählt Tschürtz aus der Branche.

Verluste: Von Tontechnik bis zum Merchandising

Vor dieser schwierigen Situation stehen seit gestern, Dienstag, viele Künstler*innen. Und auch zahlreiche Menschen im Umfeld der Bands sind betroffen: Von Securitys bei den Locations, über die Produzent*innen von Merchandising bis hin zu Ton- und Lichttechniker*innen. Dass sich die Absagen nur auf die nächsten Wochen beziehen, glaubt Tschürzt nicht, „ich kann beim besten Willen nicht glauben, dass am 4. April plötzlich alles wieder gut ist“. Er geht davon aus, dass zumindest drei Monate lang keine Großveranstaltungen möglich sein werden. Die Unsicherheit mache die ganze Situation aber noch schwieriger.

Und sollte es wirklich länger dauern, wird das eine Belastungsprobe für die gesamte Branche. „Ich fürchte mich vor einem solchen Szenario, ohne dass ich den Teufel an die Wand malen will“, so Tschürtz. Da bleibe dann nicht mehr viel übrig, als den Kulturbetrieb bleiben zu lassen und zuzusperren.

Neuland für Clubbetreiber*innen

Vor Schließungen stehen derzeit auch zahlreiche Clubs. Auch sie trifft die 100-Personen-Beschränkung hart, berichten Martina Brunner und Stefan Niederwieser von der „Vienna Club Commission“. Viele Clubbetreiber*innen würden derzeit überlegen, ob sie die 100-Personen-Beschränkung umsetzen oder den Club generell schließen.

Die Einschränkungen seien zwar aus gesundheitlicher Sicht nachvollziehbar, für viele Clubs sind sie aber existenzbedrohend. Ein Monat ohne Events kann über weitermachen oder aufhören für einen Club entscheiden, berichteten die beiden.

70 Jahre altes Gesetz solls richten

Für solche Fälle gibt es in Österreich zwar das Epidemiegesetz. Es stammt aber aus dem Jahr 1950, damals gab es noch deutlich weniger Veranstaltungen. Damit betritt die Kulturszene hier Neuland. Wer es sich leisten kann, wird zusperren, auch um zu vermeiden, dass wie in Japan Menschen in kleinen Clubs mit dem Corona-Virus angesteckt werden, glauben Brunner und Niederwieser. Aber bei vielen Clubs sei es eben aus finanziellen Gründen nicht möglich, einfach zuzusperren.

Derzeit ist nicht klar, ob es für die Clubbetreiber Entschädigungen geben wird, oder ob und wieviel Versicherungen übernehmen. Eine große Frage ist auch, wie es mit den Arbeitnehmern der Clubs weitergeht, ob sie etwa zur Kurzarbeit für 20 Stunden beim AMS angemeldet werden und das AMS den Verdienstentgang ausgleichen wird. Für die Clubbetreiber ist die Dauer der Maßnahmen eine der wichtigsten Fragen. Denn schließlich müsse bereits jetzt für die Zeit nach dem vierten April geplant werden, durch Anzahlungen bei Acts entstehen dadurch wieder Kosten. Wenn die Frist dann verlängert wird, muss wieder alles gecancelled werden, erzählen Brunner und Niederwieser. Wie sollen die Kulturschaffenden also langfristig mit Corona umgehen? Weiter planen oder vorsorglich absagen? Das kann derzeit niemand beantworten.

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