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CocoRosie

Peter Hönnemann

Bauernhoftiere, der Tod und CocoRosie

In „Put The Shine On“ beleuchten Sierra und Bianca Casady dunkle Gefilde zwischen Märchenwelt und Realitätskeule – und das in musikalisch gewohnt-ungewöhnlicher CocoRosie-Manier.

von Michaela Pichler

CocoRosie sind geübte Meisterinnen im Welten Erschaffen. Seit mittlerweile siebzehn Jahren heben die US-amerikanischen Geschwister Sierra und Bianca Casady mit ihrer Kreativität Popmusik auf eine neue Ebene: Das fängt bei ungewöhnlichen Instrumenten an, wie eine Popcornmaschine oder Kinderspielzeug; und hört bei der Aufhebung von Geschlechterrollen und bunten Kostümschlachten bei ihren Live-Performances auf.

CocoRosie

CocoRosie

Die Popsongs, die in dieser Zeit entstanden sind, bewegen sich in den unterschiedlichsten Genres - von Hip Hop, über avantgardistischen Electro und theatralischem Operngesang ist da vieles dabei, zudem sind die Schwestern große Fans vom Sampling alltäglichster Geräusche. Als CocoRosie in den 00er-Jahre auf der Popbildfläche erschienen sind, wurde ihre Musik als Freak Folk bezeichnet. Auf ihrem neuen und mittlerweile siebten Studioalbum „Put The Shine On“ ist die skurrile Freak-Attitüde immer noch hörbar.

Düstere Popmärchen

CocoRosie schlagen mit ihrem neuen Album „Put the Shine On“ ein weiteres Kapitel ihres ganz eigenen Pop-Märchenbuches auf. Die Raben krähen verhängnisvoll als Sample, die Männer jagen im Wald, irgendwo versteckt sich auch ein paar Wölfe. Es ist ein schauriges Märchen, das die Casady-Schwestern in ihren zwölf Songs erzählen. Das beginnt schon mit dem Opener „High Road“, ein Song, der sich perfekt für einen Horrorfilm im viktorianischen Setting eignen würde. Ein Mädchen ist auf der Flucht, die blutigen Knie aufgeschlagen, im Hintergrund kracht ein Lo-Fi-Rhythmus und eine Spieluhr rundet die fatale Szenerie ab, die nichts gutes erahnen lässt.

Never cry wolf / Don’t tell lies / Don’t let the boys / Between your thighs

Auch auf „Smash My Head“ ist die Spieluhr vertreten. Der Song ist bereits im Oktober 2019 erschienen und war das erste Lebenszeichen von CocoRosie nach einer vierjährigen Releasepause. In der Zwischenzeit waren Sierra und Bianca Casady trotzdem kreativ tätig: Auf Chance the Rappers Debütalbum „The Big Day“ gastieren CocoRosie letztes Jahr mit dem Song „Roo“ als Featured Artists, außerdem arbeiten sie mit Regisseur Robert Wilson an gemeinsamen Theaterinszenierungen und auch im Privaten waren die Release-freien Jahre alles andere als ruhig: „New life, death, marriage, divorce, sickness, healing, healing, healing. The list goes on“, erzählen die CocoRosie-Schwestern in einem Interview mit The Fader.

Die Arbeiten am neuen Album haben schon vor Jahren begonnen, auf dem Bauernhof des Bruders in Hawaii. Wer ganz genau hinhört, wird auch einige der Farmtiere in den CocoRosie-Songs entdecken. Zum Beispiel auf dem poppigsten Hit des Albums, „Restless“. Im Song kräht zwar ein hawaiianischer Hahn, im Musikvideo präsentieren sich CocoRosie aber als Rollschuhdisco-Band, ganz viel Nostalgie-Kitsch und Liebe zum Detail inklusive. Das weniger glänzende Thema Scheidung hat CocoRosie während den Aufnahmen zum Album beschäftigt. Daraus ist dieser Song entstanden, eine emanzipatorische Hymne an eine Frau, die sich nach einer gescheiterten Liebe wieder aufrappelt.

Eine Aufnahme für die Ewigkeit

CocoRosie verwandeln auf ihrem neuen Album schwere Momente in bunte, eklektische Kunst. Während den Studioarbeiten zum neuen Album ist die Mutter der Casady-Schwestern verstorben, nicht in einem Krankenhaus, sondern zu Hause im Beisein von Sierra und Bianca. Dieser Verlust hat sich im Song nicht nur textlich verewigt. Irgendwo im mehrstimmigen Refrain von „Ruby Red“ versteckt sich auch der Gesang der Mutter, den sie elf Tage vor ihrem Tod noch gemeinsam im Studio in San Francisco aufgenommen haben.

Little momma ruby red / With your wings made of lead / Hit the road and dust will fly / Black birds fill the sky

Mit „Put the Shine on“ beleuchten CocoRosie einige Schattenseiten des Lebens. Und verbinden das mit Lo-Fi-Beats, theatralischem Gesang, Harfen-Melodien und Bianca Casadys Rap-Lines. CocoRosie bleiben damit ihrem lang erprobten Motto treu: Vorhang auf und Manege frei – es lebe der Freak-Pop.

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