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Mann liegt auf einer Parkbank und schläft

APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER

Wo können Obdachlose jetzt hin?

Die Bevölkerung soll zu Hause bleiben, um das Coronavirus einzudämmen und Risikogruppen zu schützen. Aber was machen obdachlose Personen angesichts dieser Vorschrift? Conny Lee hat mit Klaus Schwertner, Chef der Caritas Wien, darüber gesprochen.

FM4: Was machen Menschen ohne Zuhause jetzt? Wo können sie hin?

Klaus Schwertner: Wir haben aktuell unsere Angebote speziell in Wien ausgebaut und in den letzten Tagen intensiv im Krisenstab, den es seit über zwei Wochen bei der Caritas gibt, beraten. Seit heute konnten wir gemeinsam mit der Stadt Wien und dem Fonds Soziales Wien unsere Notquartiere für die Nacht auch auf Tagesbetrieb umstellen, sodass die obdachlosen Menschen in der Früh nicht mehr hinaus müssen, sondern in den Einrichtungen bleiben können. Das ist eine Riesenerleichterung. Gleichzeitig gibt es aber nach wie vor akut obdachlose Menschen, die sich im Freien aufhalten, wo wir auch mit Streetwork-Teams unterwegs sind und sie vor Ort versorgen, aber auch versuchen, dass sie mit in eines der Quartiere kommen.

FM4: Wir sind alle dazu angehalten, möglichst Abstand zu anderen Person zu halten und mit möglichst wenigen Menschen in Kontakt zu kommen. Wie geht das für Obdachlose in den Notschlafstellen oder wenn sie zum Essen kommen?

Klaus Schwertner: In den Tageszentren, wie etwa der „Gruft“, der zweiten Gruft oder dem Tageszentrum am Hauptbahnhof, haben wir die Kapazitäten ein bisschen reduzieren müssen. Dort fahren wir jetzt eine Art Schichtbetrieb. Das heißt, wenn warmes Essen verteilt wird, werden weniger Menschen als normalerweise gleichzeitig hineingelassen, damit ein Mindestabstand eingehalten werden kann. Es ist auch sehr viel Aufklärungsarbeit, was die Hygienemaßnahmen anlangt, notwendig. Wir versuchen die Obdachlosen da bestmöglich zu informieren. Etwa zu sagen, dass es wichtig ist, regelmäßig die Hände zu waschen, und wir haben auch Desinfektionsspender aufgestellt. Wir machen da ganz viel Bewusstseinsbildung, für die ich den Mitarbeiter*innen und Freiwilligen wirklich sehr dankbar bin.

FM4: Wie viele Personen sind denn in Österreich insgesamt in etwa von der Situation betroffen?

Klaus Schwertner: Das ist schwer zu sagen. Es gibt Schätzungen, dass circa 15.000 Menschen in Österreich obdachlos sind beziehungsweise wohnungslos. In Wien haben wir aktuell Gott sei Dank die Situation, dass die Winterhilfe der Stadt Wien mit Caritas, Rotem Kreuz und anderen Aktionen läuft. Das heißt, es gibt aktuell ausreichend Schlafplätze für obdachlose Menschen. Aber es gibt immer noch Gründe, warum Menschen diese Schlafplätze derzeit nicht annehmen. Etwa, weil sie psychisch schwer krank sind, weil sie sich schämen, Hilfe anzunehmen, oder weil sie irgendwo an Plätzen in öffentlichen WC-Anlagen auf der Donauinsel oder an anderen Orten nächtigen. Deshalb ist auch nach wie vor unser Kältetelefon im Einsatz und rund um die Uhr erreichbar. Wir sind mit den Streetwork-Teams auch draußen unterwegs, um diese aufsuchende Arbeit weiter fortzusetzen.

FM4: Mit welchen Maßnahmen wird versucht, das Ansteckungsrisiko in den Notschlafstellen zu minimieren?

Klaus Schwertner: Wir versuchen, dass nicht mehr so viele Menschen in einem Raum gemeinsam schlafen und kleinere Einheiten einzurichten. Dass das herausfordernd ist, kann man sich wahrscheinlich vorstellen. Da sind wir dran, aber das wird sicher noch einige Tage dauern, bis das komplett umgestellt werden kann.

FM4: Was wird derzeit gebraucht? Werden mehr Freiwillige gesucht oder braucht es Spenden? Wie kann man helfen?

Klaus Schwertner: Wir haben alle Freiwilligen, die in die Risikogruppe fallen, außer Dienst gestellt und jetzt auch einen Aufruf gestartet, dass wir Freiwillige suchen. In den letzten Tagen haben sich über 1.200 Menschen bei uns gemeldet, die hier einen Beitrag leisten wollen, das ist unglaublich. Ich finde das eine unglaubliche Kraft und ein positives Zeichen der Mitmenschlichkeit, dass jetzt gerade auf die Schwächsten in der Gesellschaft nicht vergessen wird.

Außerdem kann jeder Einzelne, wenn er unterwegs ist zum Supermarkt oder dergleichen, etwas machen. Nämlich, dass er obdachlosen Menschen mit Respekt begegnet, dass er den entsprechenden Abstand hält, aber trotzdem fragt, ob die Menschen etwas brauchen, etwa zum Essen oder auch Hygieneartikel, und ihnen nicht abschätzig begegnet.

Hier könnt ihr für den Caritas Corona Nothilfefonds spenden.

Als Caritas haben wir die Herausforderung, dass uns etliche Kochgruppen etwa in der Gruft abgesprungen sind. Jetzt müssen wir Lebensmittel einkaufen, die wir normalerweise gespendet bekommen. Wir raten momentan davon ab, Sachspenden vorbeizubringen und haben stattdessen eine Facebook-Spendenaktion gestartet, wo schon fast 50.000 Euro gespendet wurden und wo dringend noch Spenden gebraucht werden. Das geht auch von zu Hause, online und über Facebook. Hier bitten wir darum, mit Geldspenden zu unterstützen. Ich weiß, dass es für ganz viele Menschen in unserem Land momentan herausfordernd ist und viele in einer schwierigen Situationen sind. Aber alle, die jetzt helfen können und spenden können, sind eine große Hilfe.

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