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„Crip Camp": Eine übersehene Bürgerrechtsbewegung

Die Doku „Crip Camp - A Disability Revolution“ wirft mit sensationellen Aufnahmen und aktuellen Interviews mit Aktivist*innen von damals Licht auf ein übersehenes Kapitel der Bürgerrechtsbewegung. Und sie ermutigt uns, Solidarität über als Realismus getarnte Resignation zu stellen.

Von Natalie Brunner

Seit einigen Tagen ist auf Netflix die historisch interessante und emotional berührende Doku „Crip Camp“ zu sehen. Dieses Jahr wurde die von den Obamas produzierte Doku beim Sundance Festival enthusiastisch gefeiert und mit dem Audience Award ausgezeichnet.

Crip Camp beleuchtet einen wenig bekannten Aspekt der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung: wie die größte Minderheit der Vereinigten Staaten, Menschen mit Behinderung, begann, sich zu organisieren und mit Hungerstreiks und der Besetzung von öffentlichen Ämtern ihre Rechte zu fordern.

Camp Jened war ein in keinerlei Hinsicht gewöhnliches Sommercamp in Upstate New York. Es war ein freigeistiger Ort für Jugendliche mit Behinderungen, wo - so erzählen die Teilnehmerinnen von 1971 - die Grenzen zwischen Betreuer*innen und Camper*innen verschwanden.

Zum ersten Mal hätten sie sich als Jugendliche gefühlt, und nicht als betreuungsbedürftige Menschen mit Behinderung.

Crip Camp beginnt im Sommer 1971 im Camp Jened und endet im Jahr 1990. Die Regisseur*innen Nicole Newnham und Jim LeBrecht, selbst ehemaliger Jened-Camper, zeigen uns in einer gekonnt geschnittenen Mischung aus Archivnachrichten und privaten Filmen, wie in diesem Sommer aus den Jugendlichen Aktivist*innen wurden, die für Millionen von Menschen Zugänglichkeit zur und Teilhabe an der Welt erkämpften.

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Es war, was damals keiner der Bewohner*innen des Camps vermutet hätte, der Beginn einer sich bis in die Gegenwart ziehenden Revolution. Der Mut und die Kraft der Gruppe beeindrucken ebenso wie sehr sie die Zukunft der Behindertenrechtsbewegung prägten und einen Staat, der Profit über menschliche Interessen stellt, in die Knie zwangen.

Meilensteine in der Behindertenrechtsbewegung überschneiden sich mit der persönlichen Geschichte des Regisseurs LeBrechts persönlicher Geschichte und Biographien der Camp-Jened-Absolvent*innen.

Eine wichtige historische Rolle - so erfahren wir aus der Doku - spielt die im Rollstuhl sitzende damalige Camp-Beraterin Judy Heumann. Heumann treibt die Bemühungen um die Rechte von Menschen mit Behinderungen voran. Sie organisiert die Besetzung von Gebäuden und organisiert Proteste vor den Häusern der Politiker, die sich weigern, die Mittel für einen barrierefreien Zugang zu öffentlichen Gebäuden freizugeben.

Eine von vielen traurigen Anekdoten ist, dass die Aktivist*innen in Umzugslastwägen und damit auch in völliger Dunkelheit zu den Protesten fuhren, weil damals keine rollstuhlgerechten Fahrzeuge zur Verfügung standen.

„Crip Camp - A Disability Revolution“ wirft mit sensationellen Aufnahmen und aktuellen Interviews mit Aktivist*innen von damals Licht auf ein übersehenes Kapitel der Bürgerrechtsbewegung. Und sie ermutigt uns, Solidarität über als Realismus getarnte Resignation zu stellen.

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