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Die Heimkino-Tagebücher: Mit Edgar Wright gegen die Apokalypse anlachen

„Shaun of the Dead“, „Hot Fuzz“ und „The World’s End“: Wer Edgar Wrights Cornetto-Trilogie noch nicht kennt, sollte sie spätestens jetzt nachholen.

Von Christian Fuchs

Derzeit ist sein neuer Film noch für September angekündigt: „Last Night in Soho“ soll der erste grimmige Horrorthriller des ewig jung wirkenden Regisseurs Edgar Wright sein. Alleine das Setting, das Swinging London der 60ies, klingt in Zusammenhang mit den Popkultur-Leidenschaften des britischen Filmemachers mehr als vielversprechend. Eine junge Frau, die von Mode besessen ist, reist auf geheimnisvolle Weise in der Zeit zurück und wird mit dem Grauen konfrontiert - mehr weiß man derzeit über den Plot nicht.

Man kann als Filmfan nur davon träumen, „Last Night in Soho“ irgendwann in einem wieder eröffneten Kino zu erleben. Es wird auch spannend zu sehen, ob Edgar Wright darin wirklich einen dunkleren Tonfall anschlägt. Filme wie „Baby Driver“ und vor allem „Scott Pilgrim vs. the World“ setzten ja auf komplette Reizüberflutung und comichafte Überzeichnung. Manchmal so sehr, dass man sich nach dem Anschauen ähnlich übersättigt fühlte wie nach einem Punschkrapferl-Wettessen.

Komplett in sich stimmig ist dagegen immer noch Wrights komisches Opus Magnum. Die Blood-and-Ice-Cream-Trilogy, auch Drei-Sorten-Cornetto-Trilogie genannt, hat ihren Titel wegen zwei essentiellen Ingredienzen. Sowohl in „Shaun of the Dead“ als auch „Hot Fuzz“ und „The World’s End“ spritzt viel Kunstblut - und schleckt ein Protagonist eine ganz spezielle Eissorte. Edgar Wright geht in diesen Filmen, vor allem im ersten und dritten Teil, aber auch satirisch mit einer bestimmten Befindlichkeit um. Die Apokalypse liegt in der Luft - und sie hat ihre bizarr komischen Seiten.

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Die Zombifizierung der Welt

„Shaun Of The Dead“, der immer noch beste und lustigste Beitrag zum Genre der Zombiefilm-Persiflagen, hat seine Ursprünge beim Fernsehen. Die britische TV-Sitcom „Spaced“ vereint Ende der 90er zum ersten Mal die Talente von Edgar Wright und den Darstellern Simon Pegg und Nick Frost. 2004 gelingt es dem Trio, seinen Mix aus bekifftem Slacker-Humor und Filmnerd-Referenzen erfolgreich ins Kino zu transportieren.

Bereits die Eröffnungssequenz ist grandios: Wir beobachten den ganz normalen britischen Alltag und sehen Menschen, die sich längst wie Zombies verhalten. Shoppingmall-Zombies, Mobiltelefon-Zombies, berufstätige Zombies. Unsere Gesellschaft, sagt uns der damals 30-jährige Regisseur Wright, ist schon längst scheintot, noch vor dem Ausbruch des Untoten-Virus.

„Shaun Of The Dead“ folgt einer kleinen Gruppe Londoner Durchschnittstypen bei ihrer Odyssee durch die zombifizierte Metropole. Dass sich dabei das lokale Pub als idealer Zufluchtsort herauskristallisiert, klingt nach derber Komik, aber die liebevolle ZomCom hat mehr zu bieten. Edgar Wright verbeugt sich charmant vor dem Schaffen des großen Zombie-Regisseurs George A. Romero. Und gleichzeitig gelingt es ihm genuin britische Verkorkstheiten aufs Korn zu nehmen. Wer in und über bedrohliche(n) Krisensituationen auch einmal lachen will, abseits nerviger Facebook-Memes, das ist der definitive Film.

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Leben und Sterben in Sandford

2007 kommt der zweite Teil der Cornetto-Trilogie. Mit pechschwarzem Humor parodiert „Hot Fuzz“ amerikanische Copmovies und entlarvt zugleich britische Provinzidyllen. Simon Pegg, zuvor eher auf gemütliche Verlierer abonniert, präsentiert sich hier von einer anderen Seite. Als Supercop Nicholas Angel ist er der knochenharte Streber unter Londons Polizisten, mit einer immensen Verhaftungsquote. Gleichzeitig lässt so viel Ehrgeiz die Kollegen schlecht dastehen.

Also wird Nicholas versetzt, und zwar ausgerechnet in die verschlafenste Kleinstadt Großbritanniens. In Sandford kennt jeder jeden und nichts stört die friedliche Langeweile. Nur sein schwerfälliger Partner Danny (umwerfend: Nick Frost) akzeptiert den verbissenen Nicholas. Als sich in dem Städtchen mit der niedrigsten Kriminalitätsrate im Lande plötzlich tödliche Unfälle häufen, beginnt ein Feuerwerk absurder Gags.

Stilbrüche gehören bei den Machern von „Hot Fuzz“ zum Programm. Da werden zu melodramatischer Musik persönliche Probleme gewälzt und verbitterte Sprüche geklopft, ganz wie in echten Copstreifen. Rabiater Klamauk, subtile Wortwitze, verschmitzte Insider-Scherze und blutige Actioneinlagen lösen sich ab. Immer mehr mutiert der Film gegen Ende zu einer sarkastischen Attacke gegen provinzielles Spießertum.

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Der Weltuntergang kann warten

Auch der finale Film der Three-Flavours-Cornetto-Trilogie funktioniert, wie die wohlbekannte Eissorte, in Schichten. In der Klamauk-Waffeltüte steckt emotionales Drama, durchzogen von Splatter-Fruchtstücken, Thrilleraction-Splittern oder Science-Fiction-Rosinen. Die bravourösen Briten Wright, Pegg und Frost sehen das einerseits als augenzwinkernde Anspielung an Krzysztof Kieślowskis strenge Drei-Farben-Trilogie, andererseits meinen sie es durchaus ernst.

„The World’s End“ lautet in diesem Sinn nicht nur der unheilverkündende Titel ihres Epos, so heißt im Film auch ganz schnöde ein Pub im schnarchigen englischen Kaff Newton Haven. Für Gary King (Pegg), den einstigen Anführer einer trinkfreudigen Bubenclique, ist der Name des Lokals mit einer schmachvollen Nacht verbunden. Vergeblich versuchten sich die Mittelschüler in den frühen Neunzigern an einem Kneipenmarathon, der lange vor dem World’s End scheiterte. In der Gegenwart soll die goldene Biermeile nun geknackt werden.

Mit so viel Herzblut nähern sich die Macher dem Thema der infantilen Erstarrung, dass „The World’s End“ wohl der emotionalste Cornetto-Film ist. Was sich auch der großartigen Besetzung der Sauf-Gang mit Brit-Stars wie Martin Freeman, Paddy Considine oder Eddie Marsan verdankt, die ihre Rollen jenseits von Karikaturen anlegen. Nick Frost verkörpert natürlich auch einen dieser Typen, die nicht erwachsen werden wollen.

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Es wäre kein Film von Edgar Wright, wenn sich das Szenario auf eine tragikomische Sauftour beschränken würde. Der Filmtitel ist auch wörtlich zu nehmen. In Newton Haven gehen mysteriöse außerirdische Verschwörungen vor sich, die auf den Untergang der Menschheit abzielen. Erneut gelingt dem Regisseur ein köstliches Kino-Mash-Up, diesmal aus Science-Fiction-Blockbuster-Persiflage und Nostalgie-Reflexion. Unabhängig davon wie sich die Karrieren von Wright, Pegg und Frost danach entwickelten, ihre Cornetto-Trilogie bleibt uns als komödiantischer Meilenstein.

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