MiniDisc-Revival: Vintage-Fantasien und Flucht in die Vergangenheit

Nicht nur der „Record Store Day 2020“ ist dem Corona-Virus zum Opfer gefallen. Auch der "Mini Disc Day 2020“ musste unter der neuartigen Pest leiden. Das Speichermedium aus den Neunziger- und Nullerjahren feiert eine Renaissance als trendy Tonträger-Fetisch.

Von David Pfister

Trotz aller digitaler Revolutionen ist der Gedanke vom Musikalbum nicht totzukriegen und auch Tonträger wollen nicht aussterben. Wobei sich natürlich die Aufgabe eines Tonträgers drastisch verändert hat. Primäre Schuldigkeit einer Schallplatte ist die einseitige Kontaktaufnahme von Fan zu KünstlerIn geworden. Denn der vielbeschworene bessere Klang der Schallplatte interessiert nur eine marginale Hörergruppe. Viele KäuferInnen von Vinyl besitzen oftmals gar keinen Plattenspieler. Die Schallplatte dient als Fetisch. Diese fast schon transzendente Handlung pflegen auffällig viele junge HörerInnen. Und da gilt: Umso exotischer der Tonträger umso besser.

Vor etwa 10 Jahren verdankte die Musikkassette dieser Neigung eine kleine, aber bis jetzt anhaltende Renaissance. Indie-Labels begannen, die Alben ihrer Acts auf Tape zu veröffentlichen. Hierzulande war das Grazer Kassetten-Label Wilhelm Show Me The Major Label Vorreiter. Mit ein wenig Verzögerung zogen dann sogar manche großen Musikkonzerne nach und veröffentlichten Mini-Auflagen ihrer Mainstream-Acts auf Kassette.

Wichtig bei der Flucht in die Vergangenheit sind all die retro-futuristisch anmutenden Abspielgeräte, die man für die Pflege dieser Kulte benötigt. Die Befriedigung wächst natürlich mit der Limitiertheit der verfügbaren Maschinen. Der größte Genuss kommt von Geräten, die schon lange nicht mehr hergestellt werden. Und so konnte man in den letzten Monaten in den Online-Foren auffällig viele beobachten, die nach MiniDisc-Playern suchten.

Die MiniDisc war ein von Sony entwickeltes, sogenanntes magneto-optisches Speichermedium zur digitalen Aufnahme und Wiedergabe von Audio-Aufnahmen. Die MiniDisc oder MD wurde zwar schon 1991 vorgestellt, hatte ihre große Zeit aber Ende der Neunziger bis Mitte der Nullerjahre. Es wurden zwar auch Alben auf MiniDisc veröffentlicht, primär wurde die MiniDisc allerdings als privates Aufnahmemedium genutzt, beispielsweise für Compilations. Ähnlich wie die Musikkassette. Eine enorme Erleichterung brachte die MiniDisc auch dem (Radio)Journalismus. Interviews konnten unkompliziert und relativ verlässlich mit einem handlichen MiniDisc-Recorder aufgenommen werden. FM4 verbrauchte abertausende MiniDiscs.

Das nun explodierende MiniDisc-Revival hat seinen Ursprung im Vaporwave, einer Musik- und Kunstbewegung, die in den frühen 2010er Jahren entstand. Eine Retrokultur, die sich in alten Technologien suhlt und sich besonders mit vergangener Konsumkultur und vergangenen Design- und Werbeästhetiken beschäftigt und ihren kulturellen Ursprung in Japan hat. Die Motive hierfür pendeln zwischen simpler Flucht in verklärte Vintage-Fantasien und cleverer Konsum-Kritik. Wie auch immer, die MiniDisc macht momentan wieder vielen Menschen Spaß. Am diesjährigen MiniDisc Day am 7. März 2020 nahmen offiziell schon 28 Indie-Labels teil.

Eine besondere Liebe zur MiniDisc hegt das blutjunge Synth Wave-Genre, das sich ja maßgeblich aus Impulsen aus der Vergangenheit nährt. Der holländische Synth Wave-Star Timecop1983 surft ganz vorne mit auf der MiniDisc-Welle. Prominente MiniDisc-Fans sind auch die australischen Psychedelic Rocker King Gizzard And The Lizard Wizard. Die haben eine limitierte Auflage ihres beliebten Albums „Polygondwanaland“ auf MiniDisc veröffentlicht.

Noch ist der MiniDisc-Hype zu klein, sodass die Industrie noch nicht darauf reagierte und man neue Veröffentlichungen auf alten Abspielgeräten laufen lassen muss. Tatsächlich stellte Sony die Produktion seiner MiniDisc-Player 2011 ein. Zusätzlicher Kick!