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Lukas Gmeiner

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Manches Schweigen war sehr laut

Im Vorjahr hat Lukas Gmeiner die Wortlaut-Jury überzeugt und den FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb gewonnen. Heuer ist er selbst Juror: „Juror ist ein schöner Titel. Ich hab nur keine Ahnung, was man da macht.“

Von Zita Bereuter

Wir erinnern uns: Mit „erbseneintopf“ hat Lukas Gmeiner Wortlaut 2019 gewonnen. Der Ich-Erzähler sitzt im Rollstuhl, hat sprachliche Probleme und ist Schüler in einem Förderzentrum. Dort glaubt er, einen Mord aufzudecken. Lukas Gmeiner wusste, wovon er schrieb. Er arbeitet in einem Förderzentrum. Dennoch ist „erbseneintopf“ fiktiv. Nichtsdestotrotz haben seine Kolleg*innen immer wieder nach realen Beweisen und Personen gesucht. Witzig fand er die besorgte Reaktion einer Lehrerin: „Ja findest du es wirklich so schlimm bei uns?“ Lukas Gmeiner lacht. „Ich find’s natürlich nicht schlimm.“ Die Geschichte ist erfunden, bekräftigt Lukas Gmeiner, auch wenn das Setting dem seiner Arbeit entspricht. Alle Personen sind erfunden. Man frage ja auch nicht: „Wie real ist Winnie Puuh?“

Manches Schweigen war sehr laut

„Ich würde mich freuen, wenn möglichst viele Menschen die Geschichte lesen und mir ein Feedback geben. Auch Menschen mit Beeinträchtigung – das ist ja eigentlich der Hauptgedanke, warum ich eine Kurzgeschichte in leichter Sprache gemacht habe, weil ich wollte, dass das wirklich für möglichst viele Menschen zugänglich ist. Dementsprechend bin ich sehr offen für Kritik und Anregung“, hoffte Lukas Gmeiner im Vorjahr auf Reaktionen. Die waren ihm dann zu verhalten.

„Ich glaube, es gibt ganz viele Berührungsängste von Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft mit Menschen mit Behinderung. Das ist vielleicht auch mit ein Grund, warum es sehr viel Zurückhaltung gab, was allgemeines Feedback oder Kritik am Text angeht.“ Da habe sich die Realität auf den Text übertragen. „Dass man nicht so recht weiß: Darf ich das jetzt kritisieren oder ist das dann schon behindertenfeindlich?“ Lukas Gmeiner hätte sich mehr Offenheit gewünscht. „Manches Schweigen war sehr laut.“

Lukas Gmeiner

Lukas Gmeiner

Lukas Gmeiner ist gebürtiger Vorarlberger, der mit seiner Partnerin und ihren zwei gemeinsamen Kindern in Berlin lebt, dort Rehabilitationspädagogik studiert und in einem Förderzentrum als Schulhelfer arbeitet.

Er schreibt Kurzgeschichten mittlerweile nur noch exklusiv für FM4 Wortlaut (Shortlist 2017).

Hier gibt’s den Siegertext von Wortlaut 2019 zum Download: Lukas Gmeiner - „erbseneintopf“.

„erbseneintopf“ staubt vor sich hin

Mit seiner Kurzgeschichte „erbseneintopf“ sei genau gar nichts weiter passiert. „Die staubt vor sich hin.“ Lukas Gmeiner fehlt die Zeit zu schreiben. Das findet er schade, aber „ich habe einfach nicht den Luxus, dass ich mich hinsetzen und schreiben kann“.

Nach wie vor studiert Lukas Gmeiner Rehabilitationspädagogik, das hätte er gern im Herbst abgeschlossen, aber Corona hat das verhindert. Derzeit finden keine Seminare statt. „Es dauert noch.“ Seinen Job als Fahrradkurier hat er mittlerweile an den Nagel gehängt. „Ich bin doch lieber Familienvater, als dass ich nachts aufs Rad steige und an wildfremde Menschen Essen ausliefere.“

Einzig eine Ideensammlung befüllt er, wenn auch sparsam: Auf seinem Desktop hat er das Dokument „privat“. Darin notiert er unterschiedliche Ideen für Geschichten in leichter Sprache. Eine Seite, die kein Drittel voll ist. Es schwebt ihm die Idee vor, fünf bis sechs Geschichten in einem Buch zu sammeln.

Lukas Gmeiner ist ganz froh, dass er nach zehn Jahren FM4 Wortlaut - denn so lange oder länger habe er versucht, „das Ding endlich mal zu gewinnen“ - nun ein Jahr Pause hat und Texte nur lesen muss. „Vielleicht schreibe ich nächstes Jahr wieder was“, lacht er, „ne, Scherz“.

Heuer jedenfalls ist er Juror. „Juror ist ein schöner Titel. Ich habe nur keine Ahnung, was man da macht. Also ich lese Texte und such mir den schönsten aus und hoffe, dass die anderen Jurorinnen und Juroren den auch gut finden?"
Genau so ist es.

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Kontaktfragebogen mit Lukas Gmeiner

Was müsste in deiner Kontaktanzeige stehen?
Puh. Privat sehr glücklich, beruflich äußerst prekär.

Was wäre ein guter erster Satz für deine Kontaktanzeige?
Liebevoller, zweifacher Vater sucht keine Frau, weil er hat schon eine. Aber ein Verleger wär’ ganz nett.

Auf was würdest du reagieren?
Suchen Jungautor, der in leichter Sprache schreiben kann.

Logotype Wortlaut 2020

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Die Wortlautjury 2020

Mit wem würdest du gern Kontakt aufnehmen?
Gelegentlich rutscht mein Gehirn über alte bekannte Gesichter, die ich schon länger nicht mehr gesehen hab. Vielleicht könnte ich ja wieder mal Clemens anrufen.

Welches Emoticon brauchst du am häufigsten?
Smiley oder Smiley mit Herzchen in den Augen.

Schreibst du im Urlaub Postkarten?
Ja, aber immer nur eine und die geht immer an meine Nichte.

Dein erster Kontakt mit Literatur?
„Franz“ von Christine Nöstlinger. Das hab ich noch lebhaft vor mir: Die Erdbeertorte und wie Franz dann gespuckt hat. Wahrscheinlich bin ich deswegen nie warm geworden mit Erdbeeren. Literatur ist schuld!

Hättest du gern Kontakt zu Außerirdischen oder ins Jenseits?
Ja, warum eigentlich nicht? Bin eigentlich begeisterter Science-Fiction-Leser. So ein bisschen Kontakt zu Außerirdischen könnte spannend werden.

illustration telefonhörer

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Anrufen oder SMS?
Ich bin eher ein Nachrichtenschreiber. Obwohl Anrufen meistens effektiver ist.

Gast oder Gastgeber?
Ich bin tatsächlich lieber Gastgeber.

Spontane Besuche oder spontan besuchen?
In Coronazeiten spontane Besuche eher schlecht. Aber ansonsten? Man kann schon einen Funk machen, bevor man kommt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich je spontan jemanden besucht habe.

Tinder oder Kinder?
Kinder.

Kontaktlos zahlen oder bar?
Heutzutage kontaktlos, wobei in kleinen Läden zahle ich eigentlich lieber bar, da ich weiß, dass die ansonsten mit Kartenlesegeräten noch weniger Geld verdienen. Aber jetzt vor allem kontaktlos.

Anreden oder anreden lassen?
Ich bin der passive Typ – anreden lassen.

Das erste oder das letzte Wort?
Mal so, mal so.

illustration kamera

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Gruppenfoto oder Einzelportrait?
Gruppenfoto – kann man sich besser verstecken.

Eine gute Kurzgeschichte macht aus ...
Wenn sie mich überrascht, schöne Bilder, schön verdichtet, gute Metaphern. Ich werde gern überrascht von Inhalt, Form, Sprache.

Eine gute Geschichte beginnt:
Wie fängt denn meine nochmal an? Ich habe ein Haus. Und dieses Haus gehört mir. Ganz allein. Kann ich empfehlen, hat funktioniert.

Als Juror zeichnet mich aus ...
Dass ich jung und sehr gütig bin. Dass ich nicht weiß, was ich tue.

Mein Rat an Jungautor*innen:
Besorgt euch irgendwas, was euch Spaß macht und womit ihr Geld verdienen könnt - irgendwie. Weil ich glaube nicht, dass man durch das Schreiben wirklich Geld verdienen kann. Oder nur ganz, ganz wenige. Das heißt, wenn ihr schreiben wollt, dann macht das, aber guckt, dass ihr einen Job oder eine Ausbildung habt, die Spaß macht und die euch euer Schreiben auch finanziert.

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