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Radio FM4 | Zita Bereuter

Janett Lederer gewinnt Wortlaut 2023 mit „Tigerbalsam“

Janett Lederer hat eine innige Beziehung zu Tigerbalsam. Der hilft nicht nur bei Erkältungen, sondern hat der Drehbuchautorin auch den ersten Platz bei Wortlaut gebracht.

Von Zita Bereuter

„Wir haben eine sehr innige Beziehung, der Tigerbalsam und ich,“ meint Janett Lederer. Kündigt sich eine Erkältung an, greift sie als erstes zu Tigerbalsam. „Sehr zuverlässig.“ Jetzt hat ihr Tigerbalsam auch den Wortlautgewinn gebracht, oder besser ihre Kurzgeschichte „Tigerbalsam ist mein safe place, weil da riecht es zumindest frisch“.

Ihr Safe place: im Zug zwei Sitze, Kopfhörer und eine Fahrkarte. Unterwegs ist Janett Lederer viel, ist sie doch oft umgezogen. Immer wieder mal war sie in Berlin: „Das ist auch so eine Hassliebe“. Mittlerweile lebt sie seit drei Jahren dort. Geboren ist sie mit deutsch-ungarischer Staatsbürgerschaft in Passau, bereits als Kind ist sie oft umgezogen „und wahrscheinlich drängt es mich auch deswegen immer neu die Kartons zu packen.“

„scharf“ war 2023 das Thema von Wortlaut, dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb.

Das ist die heurige Longlist, und das die Shortlist.

Und das sind die besten drei:
Platz 1 - Janett Lederer
Platz 2 – Nikolai Köhle
Platz 3 - Elisa Past

Alle Infos zu Wortlaut

Die namenlose Ich-Erzählerin ihrer ausgezeichneten Kurzgeschichte lebt jedenfalls nicht in Berlin, überlegt aber dorthin zu ziehen. Sie spiegelt für Janett Lederer „ein Lebensgefühl von vielen. Man hat alles, eine Zweizimmerwohnung, man lebt vielleicht in einer coolen Stadt, aber trotzdem ist man wahnsinnig unzufrieden, weil man sich denkt: ‚Was soll der ganze Scheiß eigentlich?‘ Und überlegt dann, nach Brandenburg aufs Dorf zu ziehen, oder halt eben doch nach Berlin wieder.“

Es ist 19 Uhr 30 und zu dieser Jahreszeit muss ich noch fast zwei Stunden mit einer zeitschindenden Aktivität verbringen, bevor ich ins Bett gehen kann. Draußen sitzen sie auf den Balkonen zusammen und lachen. Man geht nur vor Sonnenuntergang ins Bett, wenn man krank ist, oder lebensmüde. Ich würde mich eher als tagesmüde begreifen. An sich habe ich nichts gegen das Leben, wir beide haben uns in letzter Zeit eben nur nicht so viel zu sagen.

Drehbuchautorin

Autorin Janett Lederer

Privat

Janett Lederer
* 1989 mit deutsch-ungarischer Staatsbürgerschaft in Passau. Nach einem Drehbuch-Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg lebt sie mittlerweile in Berlin und schlägt sich als unverfilmte Drehbuchautorin, Redakteurin für Reality-Shows und Kellnerin durch.

Janett Lederer ist vor Jahren nach Baden-Württemberg zurückgekehrt „obwohl ich eigentlich immer weg wollte“. In Ludwigsburg an der Filmhochschule hat sie „Drehbuch“ studiert. „Ich dachte, ich studiere das und werde dann Intendantin, weiß ich nicht - von der ARD - so einfach geht’s!“, lacht sie. „Oder kriege da zumindest irgendeinen Job, weil ich dann gemerkt habe, ich habe echt nichts Gescheites gelernt.“
Umso mehr hat sie sich bei dem Anruf gefreut, als sie vom Wortlautgewinn erfahren hat. Damals meinte sie, dass sie „wahnsinnig viele Konzepte schreibt, aber immer noch unverfilmt“ ist. Und das dann „langsam so ein Makel ist, ein äußerer. Wie die Syphilis trägt man das dann mit sich herum in der Branche."
Darüber lacht sie mittlerweile. Natürlich sei es ein schönes Gefühl, wenn ein selbst geschriebener Text auch gedruckt wird. Bei Drehbüchern ist das nicht selbstverständlich. "Selbst da muss ich auch noch mal für alle Kolleg:innen in der Branche in die Bresche springen, also für Drehbuchautor:innen. Selbst wenn man veröffentlicht wird - da wird so viel dann geändert am geschriebenen Wort.“ Umso mehr sei es jetzt „ein schönes Gefühl, wenn der Text einfach so rauskommt, wie man ihn damals geschrieben hat.“

Vielleicht liegt es auch an dem Tigerbalsam, den ich mir auf meine Lippen schmiere, weil es so schön brennt. Seit einigen Monaten kann ich ohne Tigerbalsam nicht mehr leben, weil es mich atmen lässt. Nicht metaphorisch gesehen. Ich frage mich, ob ich eigentlich gerade einen Herzinfarkt habe und bin froh, dass meine Mutter konditioniert ist, täglich von mir angerufen zu werden, so werde ich nicht verwesen in der Wohnung zum spätsommerlichen Lachen anderer.

Die namenlose Ich-Erzählerin ist jedenfalls Teil eines Briefromans, den Janett Lederer schon vor längerem geschrieben hat. Erst mal für sich. Denn: „Ich bin eine ganz unveröffentlichte, jungfräuliche Autorin.“ Heuer hat sie auf vorhandenes zurückgegriffen - sie hat eben erst ein Baby bekommen und hätte keine Zeit zum Schreiben. Vor zwei Jahren hat sie schon mal bei Wortlaut mitgemacht. „Da ist es nix geworden.“ Daher ihr Ratschlag fürs Leben: „Man kann’s immer noch mal versuchen. Vielleicht wird es dann was. Nicht trotzig sein.“

Humor

„Ich glaube, Humor sollte jedem wichtig sein.“ Humor ist ihr nicht nur beim Schreiben enorm wichtig. „Ich glaube, das war auch immer meine Coping-Strategie, dass man, wenn alles elend war, wenigstens noch einen Witz darüber machen kann.“

Offensichtlich teilt die Jury ihren Humor. „Ich fand ‚Tigerbalsam‘ beim Erstlesen wirklich einen der lustigsten Texte. Und ich bin ein extremer Fan von Texten, in denen eigentlich sehr wenig passiert. Das, was passiert, aber extrem gut gemacht ist.“ „Eine Geschichte, die mich maximal gut unterhalten und amüsiert hat. Das war ein großes Vergnügen, die zu lesen.“ „‚Tigerbalsam‘ ist ein ganz großartiger Text, weil er einen eigenen Sound hat, aber auch stilistisch sehr sauber gearbeitet ist. Witzig ist und melancholisch, aber ohne Pathos. Super.“ „Dass man sein Herz an eine Uhr koppelt und deswegen aus dem Fenster springt, weil das nicht synchron geht. Allein diese Szene erfordert unbedingt Platz eins.“

Als er nach der Narkose aufgewacht war und sein optimiertes Herz zuverlässig schlagen hörte, war er zunächst beruhigt, dass er noch lebte. Nach weiteren Minuten fiel ihm auf, dass sein Herz nicht synchron im Takt zum Sekundenzeiger war. Er hielt also die Luft an, dann atmete er schnell, dann wiederum langsamer, dann hustete er, dann trank er etwas Wasser, aber der Herzschlag und die Uhr näherten sich einander nicht an. Und ansonsten gab es auch keine anderen Unterhaltungsangebote in dem Krankenzimmer, abgesehen von der Uhr; die anderen drei Patienten schliefen. Also stand Lajos auf und sprang aus dem Fenster.
Die Ärztin, die ihm den Herzschrittmacher eingesetzt hatte, fand ihn dann, er hatte sich nur das Bein gebrochen, weil es lediglich der zweite Stock gewesen war, aus dem er sich gestürzt hatte, aber sie schrie ihn trotzdem an, weil sie es unverschämt fand, dass er ihre Arbeit nicht respektierte und sich stattdessen aus dem Fenster stürzte, weil warum auch, zum Teufel, dann hätte sie sich die Operation auch sparen können. Und Lajos antwortete: „Das Ticktick vom Herz und das Ticktack der Zeit kommen nicht zusammen. Wie soll man den Scheiß aushalten?“

Der Soundtrack zum Text:

  • Caroline Rose: Feel the Way I Want
  • Angel Olsen: Chasing the Sun
  • Get Well Soon: Marienbad

Film - Soundtrack

Beim Schreiben hat Janett Lederer nicht unbedingt einen Film im Kopf. Aber Bilder helfen ihr. Um die passenden zu erzeugen, stellt sie sich immer einen Soundtrack zusammen. „Weil da schon sehr viel von den Gefühlen, die man so beschreiben will, vermittelt wird.“ Musik hilft ihr für die Stimmung.

Buchcover Top 10 Wortlaut zum Thema "scharf"

Luftschacht Verlag

Live

„Tigerbalsam ist mein safe place, weil da riecht es zumindest frisch“ liest Janett Lederer bei der Buchpräsentation, am Freitag 24. November, ab 19 Uhr im Literaturhaus Wien (Zieglergasse 26a, 1070 Wien).
Dort lesen auch Nikolai Köhle (Platz 2 mit „Abinseln“) und Elisa Past (Platz 3 mit „Fangirling“)
Der Eintritt ist frei.
Die Buchpräsentation gibt es auch als Livestream vom Literaturhaus.

Man kann „Tigerbalsam“ auf fm4.orf.at lesen, im Album von „Der Standard“ am 2.12. und online auf derstandard.at sowie in Volltext. Besonders schön mit den andern neun Kurzgeschichten natürlich im Wortlautbuch, das bei Luftschacht erschienen ist.

DerStandard

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Die beste Kurzgeschichte wird in DER STANDARD veröffentlicht.

Janett Lederer gewinnt

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