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Becca Mancari, roter Anzug, in der Wüste

Zac Farro

Wer ist Becca Mancari?

Die US-amerikanische Songschreiberin Becca Mancari machte sich mit ihrem zwischen Americana-Folk und Indie-Rock angesiedelten Gitarrenpop vor wenigen Jahren einen Namen. Ihr zweites Album ist superber Alternative-Pop mit tollen Grooves. Ernste Themen verpackt in ins Ohr gehende Cosmic-Pop-Songs. Becca Mancaris „The Greatest Part“ ist schon jetzt ein Album des Jahres.

Von Eva Umbauer

Becca Mancari wurde in Staten Island, New York, geboren. Im Laufe ihres Lebens verbrachte sie aber viel Zeit außerhalb der USA, etwa in Peru, den afrikanischen Staaten Simbabwe und Sambia oder auch in Indien. Die Eltern von Becca Mancari standen einer Freikirche vor, reisten viel mit ihrer Tochter und lebten im Zuge dieser Tätigkeit als Familie auch im Ausland.

All die Orte, an denen sich Becca Mancari als Kind und junge Erwachsene aufhielt, inspirierten sie mehr oder weniger direkt dann als Musikerin. So sind etwa südamerikanische Grooves in ihrer Musik eingewoben, ihre Liebe zu Indie-Rock kommt aus der Zeit an der US-Ostküste und in England, die Elemente des Americana-Folk haben ihre Wurzeln in den Jahren im US-Bundesstaat Virgina, wo Becca Mancari mit der Volksmusik der Appalachian Mountains in Berührung kam.

Becca Mancari auf dem Cover des Albums

Captured Tracks

„The Greatest Part“ von Becca Mancari ist bei Captured Tracks erschienen.

Eklektische Künstlerin

Becca Mancari - ihre Mutter stammt von der Karibikinsel Puerto Rico, ihr Vater aus Italien und Irland - ist eine eklektische Persönlichkeit, genauso wie ihre Musik. Es handelt sich bei letzterer aber nicht um eine Art Fleckerlteppich, nein, alles ist subtil und ganz organisch miteinander verbunden. Eine große Hilfe das zu realisieren, war beim zweiten Album jetzt ein gewisser Zac Farro, ein Freund von Becca Mancari und der Schlagzeuger der US-Rockband Paramore. In seinem Homestudio in Nashville nahm Becca Mancari zusammen mit Zac ihre neuen Songs auf. Beide spielten alle Instrumente ein, außer bei „Hunter“ und „Like This“ spielt Joey Howard von Paramore Bass, und einen Slide-Gitarristen holten beide noch hinzu.

Becca Mancari arbeitet gerne mit anderen Musiker*innen zusammen. So ist sie etwa auch in der Band Bermuda Triangle, zusammen mit Brittany Howard - von der Band Alabama Shakes und auch Solokünstlerin - und einer weiteren Musikerin. Lebensmittelpunkt für alle ist Nashville, Tennessee, jene Stadt, die das Zentrum der US-Country-Music ist, aber auch ein Epizentrum für Songschreiber*innen, Blues- und Soul-Künstler*innen.

Nashville, TN

In Nashville leben etwa auch Jack White, die Black Keys oder Kings Of Leon. Es ist eine ganz besondere Stadt, sagt Becca Mancari in Interviews: Es ist nicht New York und es ist nicht L.A., es ist Nashville, und man spürt den ganz eigenen Vibe schon beim Reinfahren in diese Stadt. Becca Mancari liebt Nashville, auch wenn die Stadt sie erst nicht wirklich mit offenen Armen aufgenommen hatte, schließlich wuchs Becca nicht mit Country auf, sondern mit Indie-Rock.

Der Albumtitel, „The Greatest Part“, bezieht sich auf „love and forgiveness“, wie Becca Mancari ausführt. Was ist der „greatest part of life?“, fragt sie. Für sie bedeutet das Größte am Leben, es leben zu dürfen, geliebt zu werden, sich selbst zu lieben und anderen, und auch sich selbst, zu verzeihen. So hat Becca Mancari auch ihren Eltern vergeben. Im Album-Closer, dem Song „Forgiveness“, einem wunderschönen Acoustic-Track, geht es darum.

„This was the last song that Zac and I recorded for the record. He sat in the same room with me, and I sat there with a classical guitar and sang the song. It was a really beautiful moment. I remember it was raining outside, and you can hear in the song a couple of cars driving through the water.“

Mrs und Mr Mancari waren noch sehr jung, als sie Eltern wurden. Und ihr christlicher Glaube war ziemlich radikal. Ihre Kirche war wie ein Kult, eine Sekte. Vater Mancari war mehr als vor den Kopf gestoßen, als er erfuhr, dass seine Tochter nicht auf Männer, sondern auf Frauen steht. Er umarmte Becca nicht mehr. Der bittersüße Indie-Rock-Song „First Time“, ein Coming-out-Song, handelt davon.

„Hunter“, gleich der erste Song am neuen Album von Becca Mancari, behandelt wieder das Thema gleichgeschlechtliche Liebe. Ein Mann aus der Kirchengemeinde ihrer Eltern schreibt ihr seit mehreren Jahren Drohbriefe: „I’m gonna hunt you down“, schreibt er. „You never gonna track me down, no, you never gonna find me out“, singt Becca Mancari in „Hunter“, diesem betörenden Alternative-Pop-Song. Ihre kristalline Stimme schwebt über dem leicht dunklen musikalischen Gebräu, das Becca Mancari voller kleiner Details zusammen mit Zac Farro erschaffen hat.

„That man is writing to let me know that my life is a waste of time and that I need to repent for my nasty woman ways. So I sat down and wrote this song, and I wrote it from this man’s perspective and from mine. He felt like he had ‚power‘ to speak over me and tell me that he had a place in my life to ‚save‘ me. My response calls out that he would never be able to silence my voice. As soon as I brought the song to Zac we finished it on the spot. You can feel the energy and organic power it has.“

„Lonely Boy“ ist eine wundersam verträumte Kakophonie aus Synths und Sreichern, ein Song über ihren Hund Abe, einen früheren Straßenhund, der durch seine Vergangenheit noch immer voller Angst ist. Dieser Track ist ein weiterer Electronica-Ohrwurm, der Becca Mancari im neuen Sound-Gewand zeigt, drei Jahre nach ihrem Debutalbum „Good Woman“, mit dem sich Becca einen Namen als Singer-Songwriterin gemacht hatte.

Becca & Julien

So führte sie auch eine Tour nach Europa, wo sie im Vorprogramm von Julien Baker auch in Wien spielte. Julien Baker, die Musikerin aus Memphis, Tennessee, gastiert nun auch auf dem neuen Album von Becca Mancari und zwar als Backing-Sängerin bei „First Time“ und „I’m Sorry“.

„We actually had not known each other when we went on tour together, and we became friends. I wanted a queer voice on ‚First Time‘ with me, and ’I’m Sorry’ is all about not wanting to let go of the pain that you feel went from the abandonment, from the loss, and you want to hold it in your body, and she was like, ‚Oh yeah, I know what that’s like.‘“

„The Greatest Part“ ist voller Leben und voller bunter Farben. Ein Songwriter-Pop-Album voller Herzenswärme. Becca Mancari ist wie eine liebe Freundin, an die man sich oft erinnert, aber die man zuletzt nicht mehr gesehen hat, plötzlich steht sie vor einem, wunderschön und selbstbewusst. „The Greatest Part“ von Becca Mancari ist bester moderner Cosmic Pop und schon jetzt ein Album des Jahres.

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