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Julian Pörksen

Ines Marie Westernströer

Buch

Großes Scheitern im Lockdown von Julian Pörksen

„Da ist einfach nichts mehr, was mich von mir ablenkt.“ Auf sich zurückgeworfen kämpft sich der Erzähler durch den Alltag im Lockdown. Der Theaterregisseur Julian Pörksen hat „Episoden aus dem stillgelegten Leben“ geschrieben.

Von Zita Bereuter

Mit der Krise kommen die Bücher. Die Bücher zur Krise. Sachbücher einerseits, Erzählerisches andererseits. Natürlich konnte man schon, gerade zu Beginn der Coronavirus-Krise, etliche Tagebücher, Statusmeldungen oder auch längere Formen online lesen. Und auch Podcasts hören wie etwa „Lockdown“ von Julian Pörksen, ein Podcast, den der Theaterregisseur für das Schauspielhaus Köln geschrieben hat. „Ein Podcast aus dem stillgelegten Leben“ war der Untertitel und „Draußen Frühling, drinnen Krise.“ Das ist jetzt als Buch erschienen: Unter „Brief an die Kanzlerin“ wurden die „Episoden aus dem stillgelegten Leben“ veröffentlicht.

Gezeichnete Figur erschöpft am Sofa

David Kellner

Alltag abgesagt

„Lockdown“ heißt dann naheliegend auch die erste Episode und ja, dieser wehleidige Ich-Erzähler ist schon lustig. Und böse: über Covid-19 meint er: „Man weiß überhaupt sehr wenig über diese Krankheit. Eigentlich fast nichts. Nur, dass sie aus China kommt. Und bei älteren Menschen besonders erfolgreich ist. Im Grunde hat sie die gleiche Zielgruppe wie die ARD.“

Der Ich-Erzähler muss zu Hause bleiben, ist auf sich selbst zurückgeworfen. Schwierig, dieses Allein-Sein. „Mein ICH ist einfach nicht besonders angenehm. Es nervt sehr schnell. Es ist so wehleidig und schwach und seufzt immer so viel. Ein sehr verheddertes, sehr unglückliches ICH ist das. Außerdem riecht es so ein bisschen. Wie ein langfristig unbetreuter Kühlschrank.“

Buchcover mit Zeichnung: Person in einem Haus am Fenster hat ein Fernglas in der Hand und bemerkt mit Schrecken, dass ein Vogel im Baum gegenüber ihn beobachtet

Alexander Verlag Berlin

Julian Pörksen: Brief an die Kanzlerin. Episoden aus dem stillgelegten Leben, Alexander Verlag 2020, mit Zeichnungen von David Kellner

Das unzufriedene Ich muss also notgedrungen erst mal in den eigenen vier Wänden sein Unglück übertauchen und sucht nach positiven Alternativen: von Sport zu Superfood und Vulkanasche, vom Aufräumen der Wohnung zu Reisesimulationen. Oder Achtsamkeitsübungen. „Ich solle bitte erstmal IM MOMENT ankommen. Im Hier und Jetzt. Das sei der erste Schritt, das würden alle Weisen sagen: Buddha und Eckhart Tolle und Rihanna.“

So tingelt dieser Monolog miesfröhlich dahin, beobachtet scharf die Umwelt und wundert sich über die kleinen oder großen Dinge. Er lernt online eine Frau kennen und schreibt schließlich der Kanzlerin einen Brief. Und da fängt es dann allmählich an zu kippen. Das ist weniger feiner, schwarzer Humor als mehr völlig überdrehter, übersteigerter und klamaukiger Witz, der auf absehbare Pointen rausläuft und mit der Situation im Lockdown kaum etwas zu tun hat. Das wirkt dann mehr wie ein Lesebühnenprogramm. So oder so, Humor hilft immer, auch beim Coronavirus.

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