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Cover Emotionaler Leerstand im privaten Eigentum

Conny Lee

Lena Hödls Roman „Emotionaler Leerstand im privaten Eigentum“: Auf der Suche nach dem Glitzer

Die junge Autorin aus der Steiermark beschreibt in ihrem zweiten Buch ihre Biographie auf Basis der vielen Lieben ihres bisherigen Lebens, die zwar sehr unterschiedlich, aber allesamt episch waren.

Von Conny Lee

Die Protagonistin in Lena Johanna Hödls neuem Buch „Emotionaler Leerstand im privaten Eigentum“ heißt ebenso wie sie, Lena, wächst auch in der Steiermark auf, bewegt sich ebenso in der Poetry Slam Szene und schreibt. Da drängt sich die Frage auf, wie groß der autobiographische Anteil des Buches tatsächlich ist. Ist das Alles sie? „Fast“ - gesteht sie im Interview. Die Namen der Personen wurden größten Teils geändert, einige Details über- oder auch untertrieben, aber zu 85-90%, schätzt die Autorin, ist das wirklich alles sie.

Autorin Lena Johanna Hödl

Conny Lee

„Emotionaler Leerstand im privaten Eigentum“ von Lena Johanna Hödl ist erschienen beim Achse Verlag

Hödl erzählt vom Aufwachsen in der Steiermark im allzu behüteten Zuhause und von der Depression die daraus in ihr wächst.

Diesen inneren Leerstand versucht die Protagonistin zu füllen, wie eine leere Wohnung, um glücklich zu werden. Das Buch erzählt von dieser Sehnsucht und Suche nach Liebe, von der Euphorie und der Verletzung. Jedes Kapitel ist einem anderen Menschen gewidmet, in den sie sich an irgendeinem Punkt ihres Lebens verliebt hat. Das reicht von der kindlichen Vorstellung, eines Tages den Papa zu heiraten, bis zur ersten Teenagerliebe, von langjähriger Freundschaft bis zu sexuellen Bekanntschaften die es nicht über die körperliche Beziehung hinaus schaffen. Auf die Frage, ob für sie die Liebe in diesen unterschiedlichen Abstufungen trotzdem immer gleichwertig sei, meint Lena Johanna Hödl im Interview:

„In dem Moment wo man in jemanden verliebt ist, fühlt es sich ja immer irgendwie an als wäre man der erste Mensch in der Geschichte des Universums der jemals jemanden liebt. Und du vergisst die anderen, und es gab nie jemanden davor. In dem Moment wo die Person sich trennt, ist es als würden alle Leute, die je mit dir Schluss gemacht haben, wieder gleichzeitig mit dir Schluss machen. Was ich geil fand an der Idee war, dass es diese unglaublich unterschiedlichen Lieben gibt, aber sie sind alle episch und biblisch und großartig und wunderschön.“

„Ich bin vierzehn, ich habe nichts, was mich noch interessiert, und schleichend, wie die Krankheit, die er ist, ergreift der Leerstand von mir Besitz. Er definiert sich als die vollkommene und absolute Abwesenheit jeglichen Sinnes und die Gewissheit, dass alles viel zu wenig und gleichzeitig viel zu viel ist.“
(aus „Emotionaler Leerstand im privaten Eigentum“)

Man merkt der Autorin in ihrem Umgang mit Sprache an, dass sie aus der Poetry Slam Szene kommt. Wortgewandt und mit viel (teils schwarzem) Humor seziert sie ihre eigenen Gefühle und Gedanken. Damit schafft sie eine fast durchgehende Ambivalenz von Tragik und Komik. Das Bücherschreiben läge ihr aber viel mehr, meint die Autorin, da sie sich erstens nie so recht an die 5-Minuten-Beschränkung von Poetry Slams halten hätte können und sie zweitens unter dem Bewertungsystem gelitten hätte. Ihr Buch besteht zwar aus Episoden, die den Poetry Slam Background erahnen lassen, diese werden aber durch mehrere Fäden zusammengehalten, die sich durch das Buch ziehen. Motive wie der „Gallert“ der für den Stillstand im Elternhaus steht, der „Glitzer“, nach dem sich die Protagonistin so sehr sehnt in ihrem Leben. Diese Bilder kehren immer wieder.

„Manuel kauft mir vorm PPC eine Rose als Trost, weil der Club heute geschlossen hat, und ich ziehe meine Schuhe mit dem Keilabsatz aus und renne quietschend quer über den Lendplatz. Damit die angestaute Sehnsucht besser durch meinen Körper zirkulieren kann und nicht klumpt, wenn sie jetzt schon einmal die Gelegenheit hat, mir bei allen Löchern rauszulaufen."
(aus "Emotionaler Leerstand im privaten Eigentum“)

In ihrem nunmehr zweiten Buch schreibt Hödl von ihrem Suizidversuch mit 14, von regelmäßigen BDSM Treffen mit einem Mann, von mangelndem Selbstwertgefühl, von ihren persönlichsten Ängsten und Hoffnungen. Sie gibt sich mit diesem Buch der Öffentlichkeit völlig preis. „Ich bin jemand - ich treffe jemanden und innerhalb von fünf Minuten habe ich der Person ungefragt (!) meine Lebensgeschichte erzählt“, meint Hödl im Interview, auf die Frage wie es ihr damit geht, so viel von sich herzugeben mit ihrem Buch. „So gesehen ist es keine große Umstellung. Und ich empfinde es immer als wahnsinnig befreiend, Leuten etwas zu erzählen, was man eigentlich für sich behalten sollte. Weil du gibst damit quasi alles her und die Leute können dich nicht mehr angreifen. Das einzige was richtig gschissen ist“, fügt sie hinzu „ist, dieses Buch besteht zu einem großen Teil aus lustigen Anekdoten, die man auf Partys erzählt. Und dann kommst du auf eine Hausparty, du triffst Leute, willst ihnen irgendwas erzählen uns sie so, Ja, das weiß ich eh, ich hab das Buch gelesen. Und dann hast du nichts mehr worüber du mit ihnen reden kannst.“

„Emotionaler Leerstand im privaten Eigentum“ von Lena Johanna Hödl ist berührend ehrlich, atemberaubend sehnsüchtig und wahrscheinlich eine der präzisesten Bestandsaufnahmen der Liebe in Zeiten von Tinder und Castingshows.

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