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Buchcover von Josef von Neupauers Roman "Österreich 2020"

Luftschacht Verlag

Buch

Retro-Utopie: Der Roman „Österreich 2020“ aus dem Jahr 1893

Einen weiten Blick nach vorn wagte der Wiener Anwalt Josef von Neupauer im Jahr 1893. Damals erschien seine Utopie „Österreich im Jahre 2020“. Schrullig und skuril ist da einiges. Der Verleger Jürgen Lagger erzählt wie es dazu gekommen ist.

Von Zita Bereuter

„Wir kamen am 13. Juli 2020 abends 6 Uhr in Salzburg, einer reizend gelegenen Kreisstadt an, welche einmal ziemlich volkreich war und gegenwärtig nur etwa 1.500 bleibende Einwohner zählt, aber immer an 2.500 bis 3.000 Fremde beherbergt.“

Das Besondere an diesen Zeilen ist, dass sie im vorletzten Jahrhundert geschrieben wurden. Der damalige Ausblick auf eine sehr ungewisse Zukunft beeindruckt den Verleger Jürgen Lagger. Er hat das Buch zufällig erhalten und war gleich nach dem ersten Lesen fasziniert von diesem „schrägen Ding“. „Es ist ja sowohl stilistisch als auch inhaltlich sehr, sehr schrullig.“

Buchcover von Josef von Neupauers Roman "Österreich 2020"

Luftschacht Verlag

Während der Originalroman ein unscheinbarer, schlichter, kleiner brauner Band ohne Zierrat ist, erstrahlt die Neuauflage vom Luftschachtverlag in Rot mit Gold, dazu eine Prägung und güldener Schrift - passend zur kommunistischen Monarchie erinnert das Rot an den Kommunismus und Gold an den Adel.

„Österreich 2020“ ist eigentlich ein Reisebericht. Zwei Amerikaner reisen in einem fiktiven 2020 nach Österreich und lassen sich Land und Leute erklären. Hauptsächlich spielt der Roman in Tulln. Wien hat gerade mal vier Kirchen, auf dem Bodensee schwimmen tausende Boote. Die Staatsform, die in diesem utopischen Österreich 2020 herrscht, ist erstaunlich – einerseits Kommunismus, andererseits gibt es Monarchen und Adelige, die alle sehr nett und wohlgesonnen sind. Jürgen Lagger grinst bei dieser Vorstellung. „Es hat sich ja alles so ein bisschen in Wohlgefallen aufgelöst. Es gibt den Leistungsdruck nicht mehr, es gibt Gelddruck nicht mehr. Es gibt keine Dinge, die man unbedingt erreichen muss, weil es ist alles so ein bisschen gleich geworden. Und dann gibt’s diese netten Adeligen, die man ganz gerne ein bisschen herzeigt mit all ihrem Gold und Schmuck. Die dürfen den noch haben. Aber nur für Repräsentationszwecke - Das find ich eigentlich eine ganz schöne Idee.“

Dabei ist Gold in diesem Österreich wertlos. Auch Geld gibt es nicht - Alles gehört allen. Ebenso verzichtet man auf eine Armee. Denn in dieser, vor 125 Jahren geschrieben, Utopie hat keiner der Weltkriege stattgefunden. Dennoch ist einiges nah dran an der Realität. Rauchverbot in Österreich etwa oder ein europäischer Staatenbund ohne Großbritannien.

„Dass es auch Sanitätsbezirke gibt, also, dass Pandemien, in der Form, wie wir sie gerade erleben, gar nicht mehr möglich sind, waren lauter Dinge, die mich sehr auf dieses Buch angefixt haben.“ Natürlich seien diese lustigen Parallelitäten zufällig, so Lagger, aber gerade im Jahr 2020 passe das ideal.

Ansonsten bescheinigt Jürgen Lagger dem Autor Josef von Neupauer keine großen Prophezeiungen. Auch Science Fiction oder Vorstellungen über den technischen Fortschritt, fehlen in dieser Utopie. Nur mit Pneumatik, also der Druckluft, liebäugelt der Autor Josef von Neupauer hin und wieder. Die großen Weltausstellungen waren ja auch erst sehr viel später. Jürgen Lagger vermutet, dass es dem Autor um die gesellschaftspolitische Entwicklung ging und „um ein Menschenbild, wie das in 130 Jahren ausschauen wird.“ (Das zeigt auch das spätere Hauptwerk von Josef von Neupauer „Der Kollektivismus und die soziale Monarchie“ von 1909.)

Buchcover von Josef von Neupauers Roman "Österreich 2020"

Luftschacht Verlag

Josef von Neupauer: Österreich im Jahre 2020. Herausgegeben und bevorwortet von Tobias Roth, Luftschachtverlag 2020

In Josef von Neubauers Vision vom Leben der Zukunft „Österreich im Jahre 2020“ geht es geregelt zu. Von der Schulbildung zur Ehe, vom Beruf, den Arbeitszeiten und Urlaubtagen bis in die Freizeit scheint alles bestimmt. Interessant auch die Stellung und Rollen der Frauen und ihre Organisation in Frauenkurien. Einerseits sehr fortschrittlich mit Gleichberechtigung und einer Art Frauenbewegung, andererseits waren Heiraten und Fortpflanzen das Wichtigste.

Vom Autor, dem Wiener Anwalt Josef von Neupauer, weiß man so gut wie nichts. Er wurde Mitte des 19. Jahrhunderts geboren und starb 1914 in Innsbruck.

Josef von Neupauer verliert sich in seinen Beschreibungen durchaus in Details und driftet auch in Kitsch und Geplänkel ab. Gegen Ende hin wird es auch noch leicht erotisch.

„Österreich im Jahre 2020“ ist eigentlich eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert. Für Jürgen Lagger ist das Wichtige an dem Buch die Grundaussage: „Es könnte alles auch ganz anders sein. Also alle politischen Verhältnisse oder wie wir unser Zusammenleben und unsere Gesellschaft gestalten, das ist eigentlich komplett verhandelbar. Und das macht einem die Lektüre dieses Buches wieder so richtig bewusst.“

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