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Portrait Lana Del Rey 2020

Mat Hayward/Getty Images

Lana Del Reys Gedichte sind eine oberflächliche Selbstreflektion

„Violet bent backwards over the grass“ heißt der erste Gedichtband der Künstlerin, der sowohl in schriftlicher als auch in hörbarer Form erschienen ist.

Von Alica Ouschan

Erst vor wenigen Wochen hat Lana Del Rey bei einer Autogrammstunde für Aufsehen gesorgt: Die Musikerin tauchte nämlich mit einer Maske auf, die aus einer Art silbernem Netz-Stoff bestand und zwar total ästhetisch, aber durch die vielen Löcher auch total nutzlos war.

Der Anlass für die Autogrammstunde war nicht etwa neue Musik, sondern dass die Musikerin und Produzentin jetzt auch unter die Autorinnen gegangen ist. „Violet bent backwards over the grass“ heißt der erste Gedichtband der Künstlerin. Da sie hauptberuflich Musikerin ist, hat sie sich mit Jack Antonoff zusammengetan, einem Produzenten, mit dem sie schon an ihrem letzten Album gearbeitet hat, und vierzehn der insgesamt dreißig Gedichte vertont.

Flüstern, hauchen und klimpern

Knapp 40 Minuten lang flüstert Lana Del Reys Stimme, untermalt von Klavier-Geklimper, Elektro-Sounds und Saxophon-Gedudel blumige Wortspiele, die sich in ihrer Musik bereits bewährt haben. Mit ihrem letzten Album „Norman F*cking Rockwell!“ hat die Musikerin ihren Status als eine der einflussreichsten Popmusikerinnen der heutigen Zeit erneut bewiesen und zum Zeitpunkt des Releases verkündet, dass auch eine Dichterin in ihr steckt und sie bald einen Gedichtband herausbringen will.

Dieser ist nun erschienen und die Erwartungen waren wenig überraschend hoch. Auch wenn viele ihrer Fans ihre Poesie-Versuche als unglaublich inspirierend und bahnbrechend beurteilen, das Buch in den meisten Online-Bookstores vier von fünf Sternen hat und Poesie genau wie jede Kunstform natürlich Geschmackssache ist, ist die dichterische Leistung Lana Del Reys in ihrem Debut leider doch eher mäßig ausgefallen. Auch wenn ihre Zeilen zweifellos das Potential haben, einige Menschen emotional zu erreichen, so sorgen sie bei anderen vielleicht schon beim ersten Satz für Augenverdrehen.

You thought I was rich
And I am but not how you think.

Inspiriert sei „Violet bent backwards over the grass“ und Lana Del Reys Lyrik im Allgemeinen von der feministischen Dichterinnen-Größe Sylvia Plath und Vertretern der Beat Generation wie Jack Kerouac und Allen Ginsberg - generell sind ihre Texte und Gedichte also geprägt von einem kaputten, müden Flair, der in sprühende Euphorie umschlagen kann und das eigene, zerbrechliche und teils bipolare Selbst darstellen soll, das auf der Suche nach seinem Platz in der amerikanischen Gesellschaft ist.

Worthülsen mit wenig Substanz

Lana Del Rey versucht die Ästhetik früherer Jahrzehnte und das Bild der nostalgischen Frau mit gebrochenem Herzen, die sich nach einem starken Mann sehnt, wie schon in ihrer gesamten Inszenierung als Musikerin auch auf ihre Gedichte umzulegen. Heraus kommen gehauchte Worthülsen, die teils sehr ehrlich und selbstreflektiert, gleichzeitig aber auch sehr banal und ausschweifend sind und wenig Substanz haben.

Das zweite Gedicht mit dem Titel „LA who am I to love you“ lebt von seiner Leichtigkeit, Wortwiederholungen und trivialen Vergleichen. Doch bei „Paradise is fragile“, dem Gedicht, das am ehesten als politisch bezeichnet werden kann und bei dem man sich doch etwas Tiefgang erhofft, greift die Sängerin dann ebenfalls auf bereits bekannte Bezeichnungen zurück, wenn sie Donald Trump als „Megalomaniac“ bezeichnet. Ihr Innovation oder lyrisches Genie zuzugestehen, wäre also gewagt.

Paradise is very fragile
And it seems like it’s only getting worse
Our leader is a megalomaniac
And we’ve seen that before
But never ’cause it was what the country deserved

Lana Del Reys Verkörperung der gutsituierten Amerikanerin und einige ihrer Aussagen wurde in den letzten Jahren bereits als „antifeministisch“ aufgefasst und diskutiert. Auch wenn Lana Del Rey in ihren Gedichten durchaus hier und da versucht, feministisch zu sein, passiert erneut das, was ihr bereits als Person und in ihrer Musik von Kritiker*innen vorgeworfen wird: Es mangelt ihr an einem intersektionalen Verständnis von Feminismus, der in ihrem Fall leider nicht viel mehr mitbedenkt als die Wahrnehmung und Gefühlswelt von Frauen ihrer eigenen Lebensrealität - weiß, wohlhabend, cis, hetero und westlich - und sich gleichzeitig unabsichtlich bzw. unsensibel damit über jene stellt, die sie eigentlich mitbedenken sollte.

Gleichzeitig kann Lana Del Rey aber wiederrum zugesprochen werden, dass sie damit vielleicht einer Gruppe die Grundzüge feministischen Gedankenguts näherbringt, die ansonsten möglicherweise überhaupt keine Berührungspunkte damit hätte. Sich aus toxischen Beziehungen herausemanzipieren zu wollen, Empowerment durch sexuelle Offenheit und das Eingestehen der eigenen Verletzlichkeit und daraus resultierende Stärke sind vielleicht durch blumige Metaphern, flache Wortspiele und pseudo-tiefgründige Reime zugänglicher und verständlicher für ihre Zielgruppe.

Buchcover

Simon & Schuster/Lana Del Rey

Violet bent backwards over the grass von Lana Del Rey ist bei Simon & Schuster erschienen.

Die Banalität der Popmusik

Lana Del Reys „Violet bent backwards over the grass“ ist ein perfektes Beispiel für die Banalität der Popmusik, die in ihrem Fall in den gesungenen Lyrics einfach besser funktioniert als in gelesener und geschriebener Form. Gleichzeitig ist genau dieses Plakative in den Texten der Popmusik eine ihrer schönsten Eigenschaften. Es sind ebendiese plakativen Vergleiche, simplen Reime und wiederkehrenden, vertrauten Beschreibungen, die Lana Del Reys Texte für viele so leicht nachempfindbar machen.

Trotzdem muss auch dieses künstlerische Werk von ihr mit einem kritischen Blick betrachtet werden und dann können die vielen Gänseblümchen, Rosen und Veilchen über eines nicht hinwegtäuschen: Auch wenn sie von vielen ihrer Fans als große Inspiration bezeichnet werden, sind Lana Del Reys Gedichte unterm Strich eine recht oberflächliche Selbstreflektion - und wenn man ehrlich ist, vermutlich auch nur für Frauen einer weißen, amerikanischen Mittelschicht.

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