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Tombadour Portraitfoto mit Blumen

Tombadour

Tombadour: Die Ritter des Underground

Sie kombinieren Reggae mit Jazz, Hip Hop mit Klassik und streuen eine Prise Pop ein. Das Wiener Duo Tombadour legt mit „Kentertainment“ ein spannendes, witziges, und vor allem politisches Album vor.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Wie ein klassisches Klavierstück eröffnet das Wiener Duo Tombadour den Song „Ritter von der Schwafelrunde“. Schon allein im Titel spiegelt sich die Freude des Sprachspiels von Sänger und Schlagzeuger Thomas „Tombo“ Gartmayer wider. Dann folgt ein Hip Hop-angelehnter Beat, ein swingender Vibe und wunderschöne Bläsersätze. Über den furiosen Sound stellen Tombadour gleich klar: Sie wissen, Mainstream ist was anderes. Mit ihren Ritterrüstungen voller Dellen und Macken stehen sie im Undergroundschatten, Hauptsache der gute Vibe bleibt. Und den bekommt man auch, wenn man das liebevolle Video sieht, in dem die beiden Musiker als Marionetten ihren Song performen.

Die Kombination der Freude

Thomas „Tombo“ Gartmayer hat mit 17 begonnen, Schlagzeug zu spielen und 1995 seine Reggae-Band Cheese Vibes gegründet. Als sich das Projekt langsam auflöste, lernte Thomas bei einer Aufnahmesession den studierten Jazz-Pianisten Markus Jakisic kennen. Zuerst war Markus sein „Orgelsklave“, wie er es augenzwinkernd beschreibt, doch als sie dann begonnen haben, zusammen Songs zu schreiben, ist der Funke übergesprungen. Aus den musikalischen Vorlieben der beiden hat sich ein Sound generiert, der sehr gekonnt und vor allem leichtfüßig zwischen den Genres wandelt. Da darf Jazz und Reggae neben Hip Hop und Pop einfließen, Klassik ebenso wie klassische Songstrukturen. Das wichtigste ist und bleibt für die beiden:

„Was wir machen funktioniert nicht, wenn es sein soll. Es muss Markus Spaß machen, es muss mir Spaß machen und dann gibt’s diese Schnittmenge, wo es dann Tombadour heißt.“ (Tombo)

Was bei den beiden nach kompletter Unbeschwertheit klingt, ist aber auch harte Arbeit. Zwar könnte man meinen, die Songs flutschen nur so aus Tombadour heraus, ohne Anstrengung. Jedoch wird viel an den Texten und an den Stücken gefeilt. Thomas und Markus schicken sich Ideen, Skizzen und in weiterer Folge Versionen der Songs hin und her, bis es für beide passt. Die Kunst liege darin, den Moment nicht zu übersehen, wenn ein Stück schon ausgereift sei.

Manchmal braucht es da auch Feedback von außen. Den Song „Nie wieder lästern“ hat Thomas seiner Frau gewidmet. Der Refrain mit der Zeile „Alles ist gut, wenn du da bist“ war Thomas doch ein bisschen zu cheesy und so haben die beiden begonnen, Ecken und Kanten in den Song zu hauen. Als Thomas das Liebeslied voller Stolz seiner Frau vorgespielt hat, war ihre Reaktion: „Eh nett, danke. Aber der Refrain klingt furchtbar - so quäkig und monoton. Lass es so wenn du meinst, aber...“ Und so haben sich Tombadour erneut daran gemacht, an dem Lied zu arbeiten. Mit einer schönen Klaviermelodie und erneut den warmen Bläsern macht der Refrain den Song jetzt zu einer wunderschönen Hymne auf die Liebe.

Wenn man nicht mehr unpolitisch sein kann

Bei diesem Liebeslied schwingt auch schon ein Hauch Sozialkritisches mit. Denn neben der Ich-hole-dir-die-Sterne-vom-Himmel-Aussage klingt die Kritik am Optimierungswahn an, sich selbst und den andern ständig ändern zu wollen. Tombadour sind nicht vordergründig eine politische Band. Doch der Einfluss der Politik in das unmittelbare Alltagsleben von jedem einzelnen ist mittlerweile so stark, dass man eigentlich fast nicht mehr unpolitisch agieren oder texten könne.

Albumcover "Kentertainment" von Tombadour

Tombadour/Monkey Music

Das Album „Kentertainment“ von Tombadour erscheint am 20.11.2020 auf Monkey Music.

Der Titelsong des Album „Kentertainment“ ist wohl der politisch direkteste des Albums. Alleine in den ersten Textzeilen wird von den Twitterkrallen von Trump gesprochen, dem Zwiebelprogramm der Parteien, das vielschichtig erscheint und doch nach Abziehen der Schalen braun aussieht. Der Ruf nach dem starken Mann und dem sich Sehnen nach den Alpha-Tier-Genen wird immer stärker. Für Thomas verhandelt der Song hinter dieser offensichtlichen Reflexionsebene noch ein anderes Thema:

„Mir ging es darum, anzusprechen, dass Entertainment heute oft über Inhalte funktioniert. So muss auch Politik entertainen. Dabei wird das oberflächliche Glänzen dann oft wichtiger als das, was man vermittelt. Und das ist auf lange Sicht zum Scheitern verurteilt. Deshalb ist es Kentertainment.“

Im Fall von Tombadour schlägt nicht Form den Inhalt, sondern eher umgekehrt. Hier bestimmt die Liebe zur Musik und zur Sprache den Song. Doch nicht romantisch verklärt, sondern mit den von Thomas und Markus geliebten Ecken und Kanten. So zeichnet auch ihre Hymne an Wien ein differenziertes Bild der Großstadt, ohne zu viele Klischees zu bedienen. Auch der Rap, den Yasmo hier beisteuert, ist ein positiver, aber nicht verklärter Blick auf den kulturellen Schmelztiegel. Unter dem Strich bleibt dieses knapp vierminütige Stück ein Liebeslied an die Stadt, die mit all ihrer Widersprüchlichkeit und ihrem Charme den beiden Musikern eine Heimat bietet.

„Kentertainment“ ist ein abwechslungsreiches, witziges und gleichzeitig politisches Album. Es besticht durch seine verspielte Lockerheit und guten Vibe, macht die Freude am Musizieren von Thomas und Markus hörbar. Die Songs hinterlassen ein positives Gefühl: Dass es trotz aller Probleme etwas gibt, das uns helfen kann, uns immer wieder aufzurichten, um den Versuch zu unternehmen, unsere Zukunft neu zu gestalten. Und das ist die Liebe.

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