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Irgendwo ist immer Sommer: Benee und ihr fröhlich-vielseitiges Debütalbum „Hey u x“

Mit „Supalonely“ ist Benee zum Superstar geworden, jetzt ist ihr wunderbares Debüt „Hey u x“ erschienen. Im Interview mit FM4 teilt die Musikerin aus Neuseeland ihre Gedanken übers Overthinking, Spaß an Widersprüchen, organisiertes Chaos und warum man beim Hören ihrer Platte am besten Oliven isst.

Von Christoph Sepin

„Das ist irgendwie ein Mixtape meiner liebsten Genres“, sagt die neuseeländische Musikerin Stella Rose Benett alias Benee über ihr gerade erschienenes Album. Ein Mixtape der Musik, die sie gerade einfach machen wollte und an ihre Freund*innen schicken könnte, mit der Nachricht: „Hey u x“. So simpel kann es sein. Ein Debüt der Zuneigung und Freundschaft, 13 Lieder wie eine Umarmung. Dieses Album erfüllt seine ganz einfach Mission: Es macht glücklich. Und zeigt die musikalische Vielseitigkeit von Benee, einem weiteren Popsuperstar von morgen.

Dass diese Platte so facettenreich wird, ist gar nicht so selbstverständlich, folgt sie doch einem der größten Pophits des Jahres: Benees Song „Supalonely“ wurde eigentlich schon Ende 2019 released, aber erst während des ersten Lockdowns im März zum Superhit auf TikTok, und in weiterer Folge auch überall anders.

Das fröhliche Lied übers traurige Daheimsitzen war der Soundtrack zum Jahr, zumindest remote performte Benee den Song auch bei Ellen DeGeneres oder in der Tonight Show mit Jimmy Fallon. „Ich hab darüber gar nicht so viel nachgedacht“, sagt sie am Telefon zum Erfolg des Songs und wie der das Schreiben ihres Albums beeinflusst hat, „ich wollte das nicht overthinken, einen Hit zu machen. Dann hätte ich Musik gemacht, mit der ich nicht wirklich glücklich gewesen wäre“.

Overthinking, das ist so etwas, das möchte Benee nicht zu viel und nicht zu wenig machen; eigentlich nur dort, wo es passt: „Während des kreativen Prozesses finde ich es wichtig, picky zu sein. Ich will, dass sich das gut anfühlt und ich will nichts bereuen. Aber sobald die Musik in der Welt draußen ist und Leute das judgen, will ich nicht mehr allzuviel darüber nachdenken.“

Dass hier mit Detailverliebtheit ans Produzieren gegangen ist, hört man dem Album an, gleichzeitig wirkt alles daran mühelos, voll schönster, eingängiger Popmelodien, wie aus dem Strickpulloverärmel geschüttelt. Benees Sound ist crisp und klar, Samples und Melodien werden spärlich und überlegt eingesetzt. Das gibt alles genug Luft zum Atmen. Würde Stella Rose Benett in London und nicht in Auckland leben, wäre sie mit diesem Sound wohl im Umfeld von Zukunftspop-Artists wie Charli XCX, Kero Kero Bonito oder sogar 100 Gecs zuhause.

Benee

Harry Were

Die oben aufgezählten Acts sind noch nicht in den Liedern von Benee zu hören, dafür aber andere gute Gäste. Auf „Supalonely“ gabs schon ein Feature mit dem New Yorker Rising Star Gus Dapperton, dazu gesellen sich am finalen Album Ausnahmetalente wie Grimes, die Australierin Mallrat oder - ja, wie schön - keine andere als Lily Allen.

„Natürlich bin ich schon seit ich klein bin ein Fan von ihr und ihrer Fuck-It-Attitude und Bad-Ass-Vibes“, erzählt Benee über ihre Liebe zu Lily Allen. Dass die beiden jetzt in ihrem Song „Plain“ zusammenkommen, einem Mittelfinger in Richtung der faden Normalität und den langweiligen Beziehungen, ist laut Benee „surreal“, aber eigentlich logisch. Denn sucht man nach einem vergleichbaren Popstar, in dessen Fußstapfen Stella Rose Benett treten könnte, wäre das wohl Lily Allen.

Wie schon Lily Rose Allen (ja, auch den Mittelnamen teilen sich beide) vor Jahren auf Songs wie „Smile“, „Fuck You“ oder „LDN“ spielt auch Benee gerne und gut mit Widersprüchen. „Ich weiß nicht, ich schreibe immer gerne traurige Lyrics mit glücklicher Produktion oder intensive, vielleicht wütende Produktion mit happy Lyrics“. Instrumentierung und Textzeilen gehen auf „Hey u x“ nicht immer offensichtlich Hand in Hand, die Musik, die Messages und der gesamte Vibe werden dadurch nur besser.

In kaum einen anderen Lied ist das so deutlich zu hören, wie in „Sheesh“, der wundervoll-tanzbaren Kollaboration mit Grimes. Während im Hintergrund Drum’n’Bass-Rhythmus auf nordenglische 90er Jahre-Clubmusik trifft, geht es in den Lyrics nicht um’s Partymachen oder nächtelang Feiern, sondern darum, wie süß, aber gleichzeitig bisschen uninteressant jemand ist: „Acting like I feel the same, sheesh. I don’t know what to say, but you’re so sweet“. Das passt ganz wunderbar so, denn manchmal fühlt sich die Liebe eben so an, als ob man per Zeitmaschine zum Happy Mondays-Konzert nach Manchester gezischt wäre. Dass auf diesen Track dann der kommerziell größte Hit „Supalonely“ folgt, wirkt beabsichtigt und zeigt die Vielfältigkeit der Platte.

Irgendwie organisiertes Chaos

„Ich hab nicht jedes Lied mit der Idee geschrieben, dass das aufs Album kommt“, erzählt Benee über ihren Schreibprozess. „Es gibt keine einzelne Message, die ich rüberbringen wollte. Ich wollte eher, dass das ganz durcheinander, aber relevant für alles in meinem Leben wird“. Organized Chaos ist ihr Stichwort dazu.

Ganz unterschiedliche Geschichten werden so erzählt, trotzdem fühlen sich die an, als würden sie von derselben Autorin kommen. Da geht es um Existenzängste und Gedanken ans Älter- und Verlassenwerden („Happen to Me“), um verwirrte Liebe („Same Effect“), um Erfolgsdruck und Selbstzweifel („Kool“) und dann auch ganz einfach plötzlich darum, dass sich Benee manchmal wie eine Schnecke fühlt und nur bei Regen ins Freie geht („Snail“).

Im Interview mit Uproxx erzählte Benee vor ein paar Wochen, dass sie sich ihre Musik wie einen frischen Apfel vorstellt, in den man reinbeißt. "Fresh and crispy, das ist wohl die beste Beschreibung. Der Apfel wäre dann auch ein guter Snack, während dem Hören vom Album. „Äpfel und Oliven“, präzisiert sie später, weil Oliven zu ihren Lieblingsspeisen gehören. Und dazu am besten einfach mit „Kopfhörern am Bett liegen“.

Auf Benees Youtube-Kanal gibt es allerlei Musikvideos von befreundeten Künstler*innen, die man sich dazu anschauen kann. Anschauen und vom Sommer träumen, den „Hey u x“ in sich trägt. In Neuseeland beginnt er in diesen Tagen, einem Land, das sich noch weiter entfernt als sonst anfühlt und wo Benee in den letzten Wochen dank niedriger Coronazahlen ganz normale Konzerte gespielt hat (zweimal hat sie die 12.000er Venue Spark Arena in Auckland ausverkauft). „Ich hoffe, das Album trägt gut durch den Winter“, sagt sie daumendrückend in Richtung Europa.

Bis es bei uns auch wieder Sommer ist, gibt es zum Glück noch ab und zu Platten wie diese. „Hey u x“ ist das simple Mixtape für Freund*innen als das es Benee beschreibt, mit seinen Hommagen an die Vergangenheit und eigenwilligen, aber eingängigen Zukunftsideen, doch auch viel mehr. Interessiert man sich für Popmusik und dafür, wohin sich die in Zukunft bewegen wird, sollte man sich dieses Album anhören. Wie ein weiteres Puzzlestück zur Erklärung der doch immer noch recht wilden Welt der guten Lieder des 21. Jahrhunderts.

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