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Ane Brun

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Ane Brun und die Kraft des Melancholie-Pop

Ane Brun veröffentlichte zuletzt gleich zwei Alben voller tiefsinnigem, aber immer wieder auch federleichtem Songwriter-Pop, „After The Great Storm“ und „How Beauty Holds The Hand Of Sorrow“, eines elektronischer, das andere traditioneller. Wer noch nie von Ane Brun gehört hat: Es lohnt sich mit den neuen Songs auch gleich ihre vorherigen Alben zu entdecken.

Von Eva Umbauer

Ane Brun hat im letzten Jahr eines gelernt, nämlich alles letztlich so zu akzeptieren wie es kommt. Sie weiß nicht, wann sie wieder Konzerte spielen wird, ob zuhause in Norwegen, sonstwo in Skandinavien oder im ferneren Ausland. Gleich mit ihrem ersten Album spielte Ane Brun internationale Konzerte, sang später den Part von Kate Bush auf Tour mit dem Briten Peter Gabriel, bei dessen Duett „Don’t Give Up“. Auch beim FM4-Frequency Festival war Ane Brun einmal zu erleben, mit ihrem „melancholic alternative pop“, wie die Norwegerin ihre Musik einfach am liebsten beschreibt.

Ane Brun ist eine Spät(er)berufene. Sie wuchs zwar in einer musikalischen Familie auf - ihre Mutter ist Klavier- und Gesangslehrerin -, lernte aber erst mit 20 die Gitarre. Ihr erstes Album veröffentlichte sie mit 27 Jahren. Vor „Spending Time With Morgan“ studierte Ane Brun - eigentlich Ane Brunvoll - an der Universität von Bergen in Norwegen verschiedene Fächer: Jus genauso wie Spanisch oder Musikwissenschaften.

Plattencover zu Ane Bruns „After The Great Storm“ und „How Beauty Holds The Hand Of Sorrow“

Balloon Ranger Recordings/Cargo

Ane Brun - „After The Great Storm“

Dann ging die junge Frau, die ihrem Vater in die Fußstapfen folgen und Anwältin werden wollte, nach Stockholm in Schweden, der Liebe wegen, und um professionelle Musikerin zu werden. Zuvor war die Norwegerin mit den Sami-Wurzeln - die Sami sind eine finno-ugrische Volksgruppe in Skandinavien - etwa auch Straßenmusikerin in Barcelona.

Nach Jahren in Stockholm hat Ane Brun letztes Jahr aber so viel Zeit wie schon lange nicht mehr in Norwegen verbracht. Wegen Corona. Sie hatte ihren Freund in Oslo besucht - und blieb in Norwegen. Aber auch schon davor wandte sich Ane wieder dem Land zu, in dem sie geboren und aufgewachsen war.

Mit ihrem Partner hielt sich Ane Brun im Sommer 2019 in einer einsamen Hütte in den norwegischen Bergen auf, etwa zwei Stunden von Molde entfernt, um Songs zu schreiben. In Molde wuchs Ane Brun auf, einer Stadt am Atlantik, schon etwas weiter nördlich gelegen als bekannte norwegische Orte wie etwa Bergen. Aber auch Molde ist ein Musikort, unter Jazz-Fans sehr bekannt, wegen seines jährlichen Jazzfestivals im Sommer.

Mit Jazz ist Ane Brun also schon seit Kindertagen vertraut, manchmal findet er auch auf eine Weise Eingang in ihre Musik, die mal Songwriter-Pop ist, dann wieder Kammer-Folk, Klassik-Pop, aber auch vermehrt der Electronic Music zugeneigt ist. Die Songs der Ane Brun sind verletzlich, voller Seele, aber immer auch elegant. Manchmal sind sie Easy Listening, auf den ersten Blick jedenfalls, Un-Easy Listening auf den zweiten. Sie scheuen Themen wie Angst und Isolation nicht, taten das auch bereits vor Covid-19 und seinen beklemmenden Auswirkungen.

Schließlich hatte Ane Brun dann so viele neue Songs beisammen, zuviele für ein einziges Album. Letzten Herbst erschienen die ersten davon auf dem Album „After The Great Storm“, dem elektronischeren der beiden Alben, und im Winter folgte dann „How Beauty Holds The Hand Of Sorrow“, die traditionellere der beiden Platten.

Plattencover zu Ane Bruns „After The Great Storm“ und „How Beauty Holds The Hand Of Sorrow“

Balloon Ranger Recordings/Cargo

Ane Brun - „How Beauty Holds The Hand Of Sorrow“

Beide Alben sind bei Balloon Ranger Recordings/Cargo erschienen.

„Making an album always involved digging deep into myself. I deal with everything that happens in my life – relationships, changes, challenges – through writing music. But when my father passed away in 2016 I neither could, nor wanted to. It was a strange experience: I’m a very process-and-digest kind of person. I work on my issues, and I move forward. But, in the grief of losing a parent, it didn’t work. I couldn’t find the right tools in my toolbox, and there was no solution. My father was gone. It took me some time to understand that time itself was the key.“

Beide Alben handeln, direkt oder indirekt, vom Tod des Vaters. Vier Jahre sind seither vergangen. Nach einer längeren Pause hatte Ane Brun wieder mit dem Songschreiben angefangen. Da war zwar die Trauer, aber sie sah plötzlich so klar wie nie zuvor - beide Gefühle passten zusammen, deshalb der Titel „How Beauty Holds The Hand Of Sorrow“.

„Breaking The Surface“, ein Gitarrenpopsong, ist das einzige Stück der beiden neuen Ane-Brun-Alben, das nach dem Corona-Ausbruch entstanden ist. Einen anderen der Songs nennt Ane Brun „We Need A Mother“ - die Menschheit braucht dringend eine Mutter, jemanden, der uns mit Umsicht aus allem Schlamassel holt. Ane Brun singt diese Mutterfigur herbei, versucht es jedenfalls, und fast meint man, es könnte klappen.

Der Song „Don’t Run And Hide“ hat tolle Streicherarrangements, „Feeling Like I Wanna Cry“ eine ebenso tolle Percussion - ein Schlagzeug kommt kaum vor auf den beiden neuen Ane Brun Alben - und ist eigentlich ein Umweltsong: Ane beweint die Veränderungen in der Natur, etwa das Artensterben. Die Natur und das Urbane, beides ist für Ane Brun wichtig.

Für 16.November 2021 ist ein Konzert von Ane Brun im WUK in Wien geplant. Hoffen wir, dass es tatsächlich stattfinden kann.

„Crumbs“ hört sich ein wenig an wie Julee Cruise meets The Ronettes - also Twin Peaks verschmilzt mit Sixties-Girl-Pop. Es gibt auch eine Piano-Version davon. Das Piano, die Gitarre, die Stimme, und immer wieder ein neuer Farbtupfer dazu, bei jedem Song, bei jedem neuen Album von Ane Brun.

„Fingerprints“ ist eine Meditation zum Thema Tod und hängt zusammen mit „Last Breath“ vom anderen Album, während „Take Hold Of Me“ - einer der spannendsten Tracks - vom schwedischen Duo The Knife beeinflusst ist. „Meet You At The Delta“ zeigt die ganz besondere Stimme von Ane Brun, und die Kraft des Melancholie-Pop, etwa wenn sie in „Closer“ singt: „When you’re in your darkest hour, you think you’ll never recover, riding a constant spiral down you think you can’t dodge this one.“

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