FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Bandfoto

Alina Groer

Best new Music

Grant verfallen auf ihrem dritten Album dem „Größenwahn“

Komplexität und Schmafu, Suche nach Existenz, Ibiza und ein bisschen Größenwahn gibt’s auf dem neuen Grant Album, das nach ebendiesem „Größenwahn“ betitelt ist und morgen erscheint.

Von Alica Ouschan

„Tschick“, die erste Single aus dem neuen Grant-Album, ist bereits 2018 erschienen - eine wienerische Version vom Princess Chelsea-Song „Cigarette Duet“, die die österreichische Debatte rund um das Rauchverbot spielerisch auf den Arm nimmt - und hat sich binnen kürzester Zeit zum bis dato größten Hit von Grant gemausert. Danach ist es aber eine ganze Weile lang still um die Band geworden. Erst nch und nach sind dann weitere Albumvorboten hereingetröpfelt, morgen erscheint endlich die Platte „Größenwahn“.

Mittlerweile haben zwei der Grant-Bandmitglieder tatsächlich mit dem Rauchen aufgehört. Nachdem sie ihr selbstbetiteltes Debütalbum 2016 und die zweite Platte „Unter dem Milchwald“ nur ein Jahr später rausgeschossen haben, wollten sich die fünf bei ihrem dritten Album etwas mehr Zeit lassen, erzählt Sänger und Songschreiber Dima Braune im FM4 Interview.

Größenwahn ist ein österreichischer Begriff

„Ich glaub’ früher waren wir ein bisschen purer“, sagt Dima. „Wir haben bei der Produktion von diesem Album großes Augenmerk auf die Gitarren gelegt.“ Grant sei eine Gitarren-Band und die Gitarren auf „Größenwahn“ seien besser als je zuvor. Der Sound ist aber nicht das einzige, was in den letzten Jahren gereift ist: „Wir sind auf jeden Fall erwachsener geworden“, sagt Dima. „Es ist ein bisschen weniger Träumerei dabei, obwohl wir natürlich immer groß träumen werden.“ Denn das ist es auch, was Dima mit dem Albumtitel des Größenwahns verbindet. Ein Wort, das oftmals sehr negativ konnotiert ist und für ihn auch einen sehr österreichischen Begriff darstellt: „Ich denke als erstes an Napoleon und danach kommt gleich Falco!“

Der gleichnamige Song zum Album verpackt neckische Fragen und Spielereien, von der Entscheidung zwischen Michael Ludwig und Andreas Schieder als Bürgmeisterkandidaten der SPÖ, Kommunismus und Kapitalismus, und dass Grant sowieso nur supere Lieder schreiben können. Die Selbstironie ist wieder deutlich spürbar, aber auf eine andere Art als bisher. Grant sind scheinbar weniger grantig und irgendwie lieber geworden. Der Song selbst ist inspiriert von der Mordbuben AG, einer Wiener Band aus den 80ern und ihrem Song „Mi hat, mi hat der Größenwahn“.

Bandfoto

Alina Groer

Komplexe Idiotenlieder

Und das ist nicht die einzige Referenz auf dem neuen Grant-Album. Dima Braune spielt wie immer mit weit hergeholten Metaphern, dabei bleiben Zusammenhänge ohne Erklärung des Kontexts meistens schleierhaft. Da wäre beispielsweise der Song mit dem mysteriösen Titel „3He + 1E“, der nicht etwa der Name des neuen Elon-Musk-Sprösslings ist, sondern die chemische Formel für eine neue Art der Materie. „Der Song ist für mich das, was ‚Born this way‘ für Lady Gaga ist - Haut abstreifen, neugeboren. Es ist aber kein Message-Song, sondern eine Heldenreise“, erzählt Dima.

Natürlich bleibt es nicht bei einem Song-Rätsel allein. So klingen viele Songs auf „Größenwahn“ nach kitschigen Liebesliedern, bei genauerem Hinhören steckt dann aber doch oft was ganz Anderes dahinter. Im Song „Galaxien“ zum Beispiel geht’s um die Geister vom Songwriting-Großmeister Leonhard Cohen und dem ehemaligen UN-Generalsekretär und österreichischen Bundespräsidenten mit NS-Vergangenheit, Kurt Waldheim: „Ich hab’ den Song geschrieben, ein Jahr nachdem Leonhard Cohen gestorben ist“, erzählt Dima. „Ich war schon immer begeistert von ihm!“

Albumcover "Größenwahn"

Problembär Records

Größenwahn erscheint am 29. Jänner bei Problembär Records

„Der Waldheim-Aspekt ist irgendwie nur dazu gekommen, weil ich dieses Galaxien-Thema hatte. Und irgendwann mal haben sie diese Voyager-Sonden in den Weltraum geschickt. Da waren Songs drauf, z.B. die Beatles mit ‚Across the Universe‘ und unter anderem auch Grußbotschaften von allen Staaten der Welt. Und Kurt Waldheim war damals UN-Generalsekretär und ist der erste, der auf dieser Platte grüßt. Und diese Vorstellung fand ich eben sehr lustig!“ Also falls Aliens tatsächlich mal die Welt erobern sollten, ist ein Willkommensgruß von Waldheim das erste, was sie hören. Aber die Hintergrundgeschichte des Songs geht sogar noch weiter.

„Irgendwann hat sich für mich auch dieses Bild vom Engelchen und Teufelchen auf meinen Schultern manifestiert“, erzählt Dima weiter. Dabei steht Cohen für das absolut Gute und Waldheim für das Böse. „Ja, es ist schon weit hergeholt aber wenn man’s lange erklärt dann macht es schon irgendwo Sinn“, lacht Dima und fasst damit meine Gedanken zur Essenz der Platte humorvoll zusammen. Franz Kafka und Max Brod, Orpheus, Epimetheus, Godot und Chantal Mouffe sind auf „Größenwahn“ zu Gast und dann gibt’s noch einen ganzen Haufen Bibel-Verweise im Song „Wann kommst du heim“ – das Album scheint vom Name-Dropping und Referenzen zu leben. Für Dima ist ihre Verwendung ein bewusstes Stilmittel. Manchmal fallen sie ihm zufällig ein, dann wiederum begibt er sich auf die Suche nach passenden Anspielungen.

„Das sind teilweise so starke Bilder für mich, dass man damit sofort was verbindet!“ Sorge, dass die Hörer*innen mit seinen Texten und Referenzen nichts anfangen können, hat Dima nicht: „Vielleicht ist das der Grund, warum sie anfangen zu lesen. Es sind ja auch nicht alle Songs kompliziert, wir machen ja auch Idiotenlieder.“ Womit wir wieder beim „Tschick“-Song wären.

Ironisch politisch

Obwohl Dima sich selbst als politischen Menschen bezeichnet, schreckt er vor den typischen politischen Fingerzeig-Songs, die einem die Welt erklären, zurück: „Ich bin großer Ton-Steine-Scherben-Fan, aber selber könnte ich das nicht.“ Grant ist eine Band, die in ihrer Musik zwar nicht unpolitisch ist, aber wenn politisch, gleichzeitig auch immer höchst ironisch klingt. So findet sich beispielsweise neben „Tschick“ und „Größenwahn“ auf dem Album noch ein weiterer Song dieser Kategorie: „Ich bin Ibiza“. Neben den typischen Referenzen heißt es darin zum Beispiel: „Is uns wurscht, wenn wir fest aufpralln, wir waren schon hoch oben und sind dann vom Olymp gefalln ... siehst du nicht wie schnell ich ras’, schnall dich ab! Ich steh noch immer am Gas!“

„Ich hab das gar nicht so politisch gesehen, sondern mehr als ironisches ‚Backstreet’s Back‘“, meint Dima. Er stellt an sich selbst und sein Songwriting stets den Anspruch, dass der Sinn eines Songs erst entschlüsselt werden muss. Die große Frage des Albums sei wie so oft die Suche nach Existenz. „Größenwahn“ selbst sei ein Puzzle. So ganz versteht man eben nie, worum es geht und was gemeint ist, und trotzdem sind die Songs humorvoll-melancholisch, eingängig und genial. Vielleicht ist es genau das, was Grant und ihre neue Platte so großartig größenwahnsinnig macht.

mehr Musik:

Aktuell: