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Chuckamuck "Language Barrier"

Wolf Daubin

Diese Vier brechen Sprachbarrieren

Die Berliner Garagen-Punk-Pop-Band Chuckamuck hat Best-of-Album der besonderen Art herausgebracht. Zehn Songs aus 14 Bandjahren wurden für „Language Barrier“ in acht verschiedenen Sprachen neu aufgenommen, von Hebräisch bis Polnisch und Japanisch.

Von Katharina Seidler

Es war vor knapp über 20 Jahren, da wurde beim Eurovision Song Contest die Regel aufgehoben, dass jedes Land in seiner Muttersprache performen muss. Eine fundamentale Änderung für den Song Contest, denn auf einmal hörte man dort keine, zum Beispiel, bulgarische Folklore oder griechischen Liebeslieder mehr, sondern in kürzester Zeit dann sehr viele, sehr ähnliche, glattgebügelte Popsongs auf Englisch. Auch in der Indie-Popkultur hat der überlebensgroße Einfluss der US-amerikanischen und britischen Szenen neben endloser Inspiration als kleinen Nebeneffekt auch sprachenmäßig Einiges glattgebügelt und viel Gleiches hervorgebracht.

Chuckamuck "Language Barrier"

Oska Wald

„Language Barriers“ von Chuckamuck ist am 29.1.2021 bei Staatsakt / Bertus / Zebralution erschienen.

Ob ein Song in der Muttersprache geschrieben wird, in der man kleinste Nuancen genau ausdrücken kann, macht natürlich einen riesigen Unterschied, aber Bands, die nicht auf Englisch singen, stoßen in Europa und in den USA naturgemäß auf weniger offene Ohren. Gleichzeitig sind aber gerade in der Musik die Worte oft nur ein winziger Bestandteil des Gesamtkunstwerks. Wer kapiert schon so wirklich, selbst mit perfektem Englisch, die Texte des, etwas willkürliches Beispiel, kanadischen Kryptikers Destroyer, oder wer, um endlich zum aktuellen Thema zu kommen, kann einen Song wie „Hitchhike“ der wunderbaren Berliner Punk-Popper Chuckamuck hören und errät nicht schnell und ohne auf den Text zu achten, dass er von einer stürmischen Roadtrip-Romanze handelt?

Auf „Language Barrier“, dem soeben erschienenen Quasi-Best-Of-Album von Chuckamuck, wurde „Hitchhike“ zu „Luna Park“ auf Italienisch, Hippiemädchen, Bungalows und Eis statt Popcorn inklusive, und er verliert nichts von seiner gutgelaunten Ungestümheit, auch wenn man kein Italienisch kann.

Erfunden haben Chuckamuck die Sprachverkehrung im Pop natürlich nicht; in und ab den 1960er Jahren war die Übersetzung von Pophits von Beatles, Temptations und Co sogar eine nicht unübliche Strategie, um internationales Publikum zu erreichen. Das Erschließen neuer Märkte ist Chuckamuck mit ihrem Projekt „Language Barrier“ nun kein primäres Anliegen, auch wenn sie sich laut Sänger Oska Wald bei vergangenen Touren in Frankreich oder Belgien durchaus gewünscht hätten, dass ihre Fans die Texte besser verstehen könnten.

Vielmehr ist das Album eine ausgestreckte Hand über Landesgrenzen hinweg; es geht um eine andere Art von interkulturellem Verständnis. Neben Schulsprachen wie Englisch, Italienisch, Französisch oder Spanisch hat Chuckamuck-Sänger Oska Wald für „Language Barrier“ etwa auch Lyrics auf Polnisch oder Schwedisch gelernt. Der frühe Chuckamuck-Hit „Eis am Stiel“ findet sich unter dem Titel „Eskimo Limon“ auf Hebräisch wieder, geschuldet dem und übersetzt durch das neueste Chuckamuck-Mitglied Amit Alcalai.

Die größte Herausforderung stellte bei der Arbeit an der Platte der Song „Sayonara“ dar, der im Original bereits den japanischen Titel trug, nun aber von Oska Wald gänzlich auf Japanisch gesungen wird. Die japanische Comic- und Animations-Künstlerin SHOXXX, die die Übersetzung übernahm, sang hierfür den gesamten Text als Demoversion ein, die Wald dann Absatz für Absatz auswendig lernte und aufnahm.

Chuckamuck "Language Barrier"

Wolf Daubin

Mit „Language Barrier“ stellen Chuckamuck Fragen über Sinn und Funktion des Begriffs Verständnis: Wieviel geht verloren, wenn man einen Songtext nicht wortwörtlich erfassen kann, beziehungsweise: Wieviel ist gewonnen, wenn man jede Formulierungs-Nuance in der Muttersprache nachvollzieht? Da vermuteterweise nur wenige Menschen alle acht Sprachen der neuen Songs sprechen, geht der Startvorteil in Sachen Chuckamuck-Interpretation, wenn man so will, für Deutsch-Muttersprachler durch die Übersetzungen wieder flöten.

Nicht zuletzt spielt auch das Aufweichen nationaler Identitäten eine wichtige Rolle, gerade als deutsche Band, die sich der deutschen Sprache bedient. In der internationalen Popwelt haben nur sehr spezifische Arten, auf Deutsch zu singen, weitläufig Gehör gefunden, die Robotersprache von Kraftwerk, die überzogene Deutschtümelei von Rammstein.

„Wir wollen so weit wie möglich davon wegkommen, eine deutsche Band zu sein."
(Oska Wald)

Chuckamuck wollen es anders machen, und bei all den hehren, gesellschaftspolitischen Ansprüchen vergessen sie bei ihrem wildromantischen Projekt "Language Barrier“ nie auf den Spaß. Ihre Garagen-Punk-Songs klingen trotz des immensen Aufwands auch in den neuen Versionen wie aus der Hüfte geschossen und bleiben unverändert catchy und charmant, egal in welcher Sprache.

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