Der Wikinger-Sandkasten „Valheim“ ist das Spiel der Stunde

Der Wikinger als Häuslbauer: Das Survival-Sandboxspiel „Valheim“ bricht alle Downloadrekorde. Ist das virtuelle Wikingerleben nur Hype oder mehr?

Von Rainer Sigl

In der Sandkiste spielen macht Spaß, in der Sandkiste ums Überleben kämpfen noch mehr. So könnte man den Reiz von Survival-Sandboxspielen beschreiben. In Games wie „Rust“, „Ark", The Forest“, „7 Days to Die“, „Don’t Starve“ und vielen anderen sammelt man Essen und Ressourcen, baut sich daraus Werkzeuge, Waffen und schließlich Hütten, Häuser und was einem sonst an Konstruktionen so einfällt. Gefahr droht dabei meistens von wilden Tieren und ziemlich oft auch von menschlichen Mitspieler*innen - zumindest in den meisten Spielen des Genres.

In „Valheim“ ist das ein bisschen anders, denn da wird zusammengeholfen: Im Early-Access-Überraschungshit, in dem ich allein oder mit bis zu neun weiteren Freunden eine riesige Fantasy-Welt erforsche, sind Zusammenarbeit und gemeinsames Erleben wichtiger als Konkurrenz.

Schaffe, schaffe, Häusle baue

Ganz zu Beginn stehe ich als Wikinger*in buchstäblich ohne Hosen da, aber das ändert sich rasch: Auf Steinaxt, Fellhose und ein Bettchen in klapprigen Holzhütten folgen dank eifrigem Sammeln und Jagen bald Waffen aus Bronze, Rüstungen und vor allem mächtige Wikingerhallen und sogar Burgen. Das Ganze dauert aber schon so einige Stunden, denn die Voraussetzung für diese Entwicklung ist, dass ich die dafür nötigen Rohstoffe und Technologiefortschritte finde.

Stressig muss das alles nicht sein: In „Valheim“ steht es mir frei, was ich als Nächstes in Angriff nehme. Die zufallsgenerierte Welt ist riesengroß und in einzelne Gebiete unterteilt; am Anfang bin ich im friedlichen Laubwald, in dem es recht idyllisch zugeht. Im Hochgebirge, in Sumpfgebieten oder im Schwarzen Wald nebenan wird es schon ungemütlicher, denn da lauern unter anderem riesige Trolle, mit denen ich es nur gut bewaffnet aufnehmen kann.

Und da gibt es dann noch die rudimentäre Story in Form von neun dämonischen Wächtern, die ich für Odin besiegen soll. Der Sieg über diese Oberbosse schaltet mir den Weg zu neuen Technologien und Rohstoffen frei, aber der Kampf steht in „Valheim“ nicht im Vordergrund. Stattdessen jagt, sammelt und baut man hier die meiste Zeit friedlich vor sich hin - gemeinsam mit Freundinnen und Freunden macht das natürlich am meisten Spaß. Das gemeinsame Wikingerleben kann dabei einfach einer der Mitspieler am eigenen Rechner hosten - oder man mietet sich günstig einen dedizierten Server, der als als gemeinsamer Spielplatz bereitsteht.

Hype und Phänomen

Ohne Frage: „Valheim“ ist ein erster Hype des Spielejahres 2021, es ist aber auch ein Phänomen: Dass sich das kleine Spiel im Early Access in etwas über zwei Wochen drei Millionen Mal verkauft hat, kommt zum einen wohl daher, dass große Twitch-Streamer das Spiel fast über Nacht bekannt gemacht haben; zum anderen aber auch daher, dass „Valheim“ einfach schon jetzt ein sowohl für Einzelspieler als auch Gruppen sehr gutes, unheimlich motivierendes Spiel geworden ist.

Trotz simpler Grafik ist die Welt von „Valheim“ sehr atmosphärisch, und die altbekannten Spielmechaniken des Survival-Sandbox-Genres kommen hier besonders elegant zum Einsatz. Im Unterschied zu anderen Survivalspielen gibt es hier nur wenig mühsamen Grind und dank rein optionaler, standardmäßig deaktivierter, Möglichkeit zum Kampf zwischen Menschen eine friedliche, vom Spaß am gemeinsamen Entdecken und Bauen geprägte Community. Das macht Valheim zu einem der freundlichsten und entspannendsten Spiele seiner Art.

In Zeiten wie diesen kommt das gerade recht: Auch wenn die Pandemie unser reales Leben erschwert - hier darf man gemeinsam mit Freunden oder aber ungestört allein Freiheit und Abenteuer genießen oder aber es sich genauso großzügig einrichten, wie man es gern hätte. Von „Valheim“ wird noch lange die Rede sein; es ist ein Spiel, das seine Spezialistennische für ein riesiges Publikum zugänglich macht.