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Louis Riel: Eine Comic-Biografie

Bahoe Books

Comic-Biographie über einen kanadischen Freiheitskämpfer: Louis Riel

Vor über zwanzig Jahren ist der Erfinder von „Ed the Clown“ und bekennende Freier (beschrieben in „Paying for it“) von einem Geheimtip zum Bestseller-Autor geworden, zumindest in Kanada: Chester Brown hat aus der umstrittenen historischen Figur des Louis Riel den Helden einer Graphic Novel gemacht. Nun erscheint das Buch auf Deutsch.

Von Anna Katharina Laggner

Ureinwohner und Kolonisatoren, unterschiedliche Sprachen und Religionen, Verrat, Betrug und Rebellion – wenige Schlagworte reichen aus, um die politische Dimension dieses Buches zu umreißen. Es spielt im 19. Jahrhundert, aber bereits die erste Seite erzählt ein zeitloses Phänomen: Ein Politiker und zwei Geschäftsleute machen Geschäfte, von denen die Bevölkerung möglichst nichts mitbekommen soll.

Doch Louis Riel wird von Landvermessern Wind bekommen und sich und seine Leute formieren: Seine Leute, das sind die Métis, vorwiegend französisch-sprachige Abkömmlinge von indianischen Müttern und europäischen Vätern (die ursprünglich für die oben genannten Geschäftsleute, konkret Pelzhändler, gearbeitet haben). Das Ziel der kanadischen Regierung ist es, den Métis kaum politisches Mitspracherecht einzuräumen, das Ziel der Métis, bzw. von deren Anführer Louis Riel, ist die Souveränität.

Louis Riel: Eine Comic-Biografie

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Louis Riel gilt heute als Mitbegründer von Manitoba und sein Streben, die Kultur der Métis zu bewahren, ist in Kanada allgemein anerkannt. Zunächst, also nach seinem Tod, galt er allerdings dem englischsprachigem Kanada als Aufwiegler, aus frankokanadischer Sicht war er ein Volksheld. Ganz allgemein wird er als Freiheitskämpfer bezeichnet, das klingt gut, ist unverfänglich und bringt Sympathien.

Doch, und genau das macht diese Graphic Novel so spannend: Was ist das konkret, Freiheit? Und mit welchen Mitteln darf, soll und kann man um sie kämpfen? Es sind die Widersprüchlichkeiten in der Biographie von Louis Riel, die ihn zu einem außergewöhnlichen Helden machen.

Louis Riel: Eine Comic-Biografie

Bahoe Books

Louis Riel von Chester Brown. Aus dem kanadischen Englisch von Alexander Lippmann. Erschienen bei Bahoe Books in Wien, 2021

Er war nicht nur ein politischer Geist, sondern auch ein gläubiger. Mit einem Augenzwinkern erzählt Chester Brown die Erleuchtung des Glaubensmannes Louis Riel: Im Anschluss an eine äußerst oberflächliche Burnout-Behandlung (wir sehen, wie Louis Riel zusehends verzweifelt, doch der Arzt sagt nur: Sie sind müde, ruhen Sie sich aus!), fährt ein Licht in ihn, Gott wird ihn an seine Aufgabe erinnern (und derart mit Sinn erfüllen, dass das Burnout vergessen ist). Louis Riel glaubt fortan, der Prophet einer neuen Welt zu sein. Als solcher wird er zwar zunächst in eine Zwangsjacke gesteckt, doch später zwei Volksaufstände anführen.

Im Detail ist die Geschichte von Louis Riel also etwas schräg und sehr komplex. Der Autor und Zeichner Chester Brown entwaffnet diese Komplexität mit totaler Reduktion: Seine Biographie des Freiheitskämpfers ist schwarz-weiß, jede Figur ist fast ikonisch dargestellt, mit wenigen, charakteristischen Strichen. Oft bleibt Brown über längere Strecken in einer Szene, es verändern sich nur Details oder die Ansicht. Das macht diese Graphic Novel zu einer filmischen Erfahrung: die Bilder vermitteln die wesentlichsten Aspekte und Emotionen wie in einem Storyboard.

Chester Brown erzählt seine Geschichte fast ausschließlich über Dialoge, es gibt praktisch keine Kommentare. Nur der detaillierte, eng beschriebene Anhang zeigt, wie viel er sich mit unterschiedlichen Quellen beschäftigt hat und wie diversifiziert seine Meinung in Bezug auf das Wesen des Freiheitskampfes von Louis Riel ist.

So handelt diese Graphic Novel auch von jener subjektiven Wahrheit, die – was man oft vergisst – der Geschichtsschreibung innewohnt.

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