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Frau, Leben, Freiheit - Graphic Novel von Marjane Satrapi

Rowohlt Verlag

Mit Zeichenstift gegen Mullahs

Nach den Welterfolgen ihrer Comics wollte die französisch-iranische Starautorin Marjane Satrapi („Persepolis“) keine Comics mehr machen. Wegen dem Aufstand der Frauen im Iran hat sie nach zwei Jahrzehnten wieder zur Tuschefeder gegriffen.

Von Paul Pant

Im Nahen Osten schauen im Moment die Nachrichtenticker auf den Israel-Gaza-Krieg. Die Protestbewegung im Iran gegen das Mullah-Regime ist aus den Schlagzeilen gerückt. Zu erzählen gäbe es aber Einiges. Die Verhaftungen und Repressionen des Regimes haben nicht nachgelassen. Täglich gibt es Meldungen, die die Situation erahnen lassen. Vor zwei Wochen wurde der Iranische Rapper Toomaj Salehi erneut verhaftet.

Internationale Proteste vernimmt man vor allem bei Preisverleihungen wie dem Sacherow-Preis (EU-Parlament) - der posthum Jina Mahsa Amini verliehen wurde – oder bei der Verleihung des Friedensnobelpreis an die iranische Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi. Sie sitzt nach wie vor im berüchtigten Evin-Gefängnis. Im Iran heißt es übrigens „Evin-Universität“, weil die intellektuelle Elite des Irans dort eingesperrt wird. Einordnungen und andere Fakten zur Protestbewegung kann man in der Graphic Novel „Frau, Leben, Freiheit“ nachlesen.

Frau, Leben, Freiheit - Graphic Novel von Marjane Satrapi

Rowohlt Verlag

Denkmal

Ein Jahr nach dem Tod von Mahsa Amini am 16. September 2022 nach der Verhaftung durch die Sittenpolizei versucht die Graphic Novel, die Ereignisse zusammenzufassen und einzuordnen. Herausgeberin ist die französisch-iranische Starautorin Marjane Satrapi. Der Titel „Frau, Leben, Freiheit“ war ursprünglich ein Slogan der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). In der Protestwelle wird der Spruch zum Schlachtruf der Protestiereden.

Frau, Leben, Freiheit - Graphic Novel von Marjane Satrapi

Rowohlt Verlag

Das iranische Regime, angeführt vom geistlichen Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei, schlägt den Aufstand brutal nieder. Den Demonstrationen im Spätsommer folgt der Winter der Hinrichtungen. In der Comic Anthology kann man die Kurzbiografien der Opfer nachlesen: Mohsen Shekari, Majid Reza Rachnavard, Mohamad Mehdi Karami. Am Fußende der Buch-Seiten watet und versinkt ein gezeichneter Ajatollah Chamenei im Blut der zum Tode Verurteilten. Weitere Schicksale werden im Kapitel „Menschen, die Geschichte geschrieben haben“ festgehalten: Aida Rostami, Nika Shakarami, Jina Mahsa Amini.

Frau, Leben, Freiheit - Graphic Novel von Marjane Satrapi

Rowohlt Verlag

Marjane Satrapi will mit der Comic-Anthology zum ersten Jahrestag der Protestwelle ein graphisches Denkmal setzen. Sie hat für das Projekt zwei Dutzend Mitstreiter:innen zusammengetrommelt. Zeichnerinnen und Zeichner, einen Fotografen, Politologen, Journalisten und einen Stanford Professor. Herausgekommen ist eine „History-Doku“-Graphic-Novel.

Satrapi, französische Exil-Iranerin, hat 2004 eigentlich verkündet, keine Comics mehr machen zu wollen. Nach dem Welterfolg ihres Bestsellers „Persepolis“ über ihre Jugend im Iran und im Exil wollte sie nur noch Filme machen und als Malerin arbeiten. Für „Frau, Leben, Freiheit“ hat sie das Cover, einige Geschichten und Illustrationen beigesteuert.

Die zwei Gesichter des Irans

Frau, Leben, Freiheit - Graphic Novel von Marjane Satrapi

Rowohlt Verlag

Frau, Leben, Freiheit. Herausgegeben von Marjane Satrapi. Übersetzt von Hainer Kober, Regina Keil-Sagawe, Sarah Pasquay. Erschienen bei Rowohlt

Gezeigt wird in Comicstrips und episodenhaften Aufsätzen ein Iran, in dem seit Jahrhunderten die Bevölkerung um Freiheit ringt. Einmal mehr wird bestätigt, dass es zwei Irans gibt. Eines der Mullahs und Mächtigen, in dem nach außen in der Öffentlichkeit mit eiserner Faust regiert wird. Und das andere, das der eigenen vier Wände. Dorthin hat sich seit 44 Jahren die iranische Zivilbevölkerung zurückgezogen, wo Feste fröhlich und ausgelassen mit Musik gefeiert werden und Religion keine Bedeutung mehr hat. Wenn die islamische Revolution etwas geschafft habe, dann die Mehrheit im Iran zu säkularisieren, illustriert ein Comicstrip zu den Traditionen beim Neujahrsfest Nouruz.

Die Comic-Anthology „Frau, Leben, Freiheit“ habe zwei Ziele, schreibt Herausgeberin Marjan Satrapi im Vorwort. Die Ereignisse des Aufstands der Frauen sollen festgehalten werden und Mut machen. Und: Das Buch soll die wechselvolle, lange Geschichte des Iran zeigen. Die ist voll von Frauen, die sich wehren und gegen die Unterdrückung ankämpfen. Die These, die Satrapi verfolgt, lautet: Die jüngste Protestbewegung ist die erste Revolution von Frauen, die von Männern unterstützt wird. Und ihr Ausblick: Sie ist noch lange nicht vorbei.

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