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Wortlautjurorin Marjana Gaponenko

Die Autorin Marjana Gaponenko verliert sich täglich in Düften, seit sie für ihren neuen Roman recherchiert. Einziges Problem: Zum Schreiben ist sie viel zu glücklich. Denn glückliche Bücher mag sie nicht.

Von Zita Bereuter

Marjana Gaponenko hat die Nase voll. Täglich aufs Neue. Das ist nichts Negatives - im Gegenteil. Seit einigen Jahren recherchiert sie Gerüche. Begonnen hat das mit Weihrauch. Im Rahmen ihres Stipendiums in Klosterneuburg im dortigen Kloster hat sie sich 2017 erstmals intensiver mit der Welt der Gerüche auseinandergesetzt. Seither ist sie ihr mehr und mehr verfallen. „Ich lese Geschichten in olfaktorischer Form. Ich teste so ungefähr zehn Düfte am Tag und jeder Duft erzählt mir eine Geschichte. Und das macht mich glücklich.“ Früher war sie ein Büchermensch und hat unendlich viel gelesen, derzeit hat sie dafür keine Zeit: „Jetzt bin ich so eine Nase geworden.“

Gerüche lesen

Ihre Ambition ist es keineswegs, einem perfekten Duft hinterherzujagen oder selbst Parfums zu machen. Aber alle, die Parfums herstellen, würden damit eine Geschichte erzählen. „Und wenn man als Empfänger dann am anderen Ende so einen Duft riecht, ist man in der Lage, diese Geschichte zu entschlüsseln,“ erklärt Marjana Gaponenko und fügt hinzu: „wenn man Glück hat.“ Das hat sie derzeit wohl. Neben ihrem Schreibtisch hat sie verschiedenste Phiolen und Ampullen und sucht bzw. liest die Geschichten hinter den Gerüchen. „Ich sprüh’ so einen Duft auf und merke, dass er sich entwickelt und dass die Kopfnoten verfliegen. Dann kommt das sogenannte Herz. Und dann am Ende kommt die Basis und es ist spannend zu sehen, was da erzählt wird.“

Manche Gerüche stimmen sie wehmütig, andere erinnern sie etwa an ihre Mutter und „es gibt so Gerüche, die mich immer wieder daran erinnern, dass das Leben, das ich jetzt führe, nicht normal ist.“

Parfumflaschen, Flacons im Regal

Marjana Gaponenko

Marjana Gaponenko wirkt begeistert, wenn sie von ihren neuen Sinneseindrücken erzählt. Die Düfte haben ihre Wahrnehmung verändert. „Also der erste Eindruck ist olfaktorischer Natur, glaube ich. Ich habe bis vor kurzem gedacht, das nur die Optik zählt, aber ich glaube der Geruch zählt, weil er als erster da ist.“ Die Nase sei einfach ein paar Sekunden schneller, ist sie überzeugt und fasziniert. „Es schon toll, wenn man sich auskennt und man sich auf die eigene Nase verlassen kann. Die Nase kann einen nicht betrügen und lässt einen nicht im Stich.“

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Radio FM4

Marjana Gaponenko ist Jurorin bei Wortlaut, dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb
Das Thema: „Aussicht“

„Die Wortlautjury legt auf"
Songs zum Thema "Aussicht“ von
Marjana Gaponenko:

  • David Bowie: Space Oddity
  • Johnny Cash: Hurt
  • Lana Del Ray: Change

Seit fünf Jahren recherchiert sie so für das nächste Romanprojekt. Diese Testerei macht ihr so viel Spaß, dass das Schreiben momentan auf der Strecke bleibt. Natürlich macht sie täglich Notizen, in ihren herkömmlichen Schreibmodus findet sie mit der guten Laune allerdings nicht. „Es fehlt einem diese leidende Schiene, die man sonst fährt, wenn man unglücklich ist.“ Die ist sonst „eine treibende Kraft.“ Derzeit schöpft sie aus anderen Quellen. „Ich kann mir momentan nicht vorstellen, am Stück zu schreiben und in diesem Prozess zu schmachten und zu reflektieren.“ Marjana Gaponenko sieht sich in einer besonderen Situation: „Da ist eigentlich momentan kein Platz für diese philosophischen Eskapaden, denen man sich sonst als Schreibende oder Schreibender aussetzt. Also ich bin glücklich und zufrieden und werde irgendwann natürlich losschreiben. Es bleibt nicht aus.“

Zu viel Glück zum Schreiben

Einen Großteil ihres nächsten Romanes hat sie schon geschrieben. „Aber mir fehlt noch das Leidende. Ich leide nicht genug momentan.“ In ihrem Werk ist das wichtig, denn „meine Protagonisten sind in der Regel Menschen mit ungesunder Selbsterkenntnis, stehen sich selbst im Weg und bleiben sich selbst ein Rätsel.“ Sie muss sich in die Protagonisten hineinsteigern um aus deren Perspektive zu schreibe. Derzeit kann sie sich nur schwer vorstellen „richtig traurig zu sein“ und in den „Gaponenko-Flow“ zu kommen, in dem sie problemlos den Roman fertig schreiben kann. Viel lieber verbringt sie ihre Zeit mit Testen und mit ihren beiden kleinen Pferden, mit denen sie gern spaziert.

Glücklichsein funktioniert nicht mit ihrer Vorstellung von kreativer Arbeit. „Ich glaube, glückliche Menschen sollten eigentlich gar nicht schreiben oder kreativ und schöpferisch sein." Denn durch deren getrübte Sicht der Dinge könnten sich auch einige Aspekte der Wahrheit verschleiern.“

„Die Liebe zur Erde ist Heuchelei ohne die Liebe zum Mond.“ - Marjana Gaponenko im FM4 Doppelzimmer am 25.12.2019

Es sind Luxusprobleme. „Ich darf mich eigentlich nicht beklagen.“ Dabei gibt es massig Bücher, die von einem glücklichen Leben erzählen. Das ist nichts für Marjana Gaponenko. „Ne, solche Bücher lese ich selbst nicht. Und solche Filme schaue ich mir auch nicht an. Und diese ganzen Songs, diese ‚Heile-Welt-Songs‘ - das ist natürlich unterhaltsam. Aber es ist für mich - es hat zu wenig Welt für mich und es ist nicht so gehaltvoll. Also, ich warte lieber auf die Zeit, wenn ich ein bisschen down bin und so einen typischen Gaponenko-Sound erreicht habe. Und dann wird alles wieder gut.“

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