Die „Escapades“ des Gaspard Augé

Wilde Ritte durch die Türkei, Justin Bieber und Gerechtigkeit und ein Instrumentalalbum namens „Escapades“. Wir haben Gaspard Augé von Justice zu seinem Solodebüt befragt.

Von Christian Lehner

Am Höhepunkt der Pandemie feierte man Videokonferenzen als nachhaltiges Kommunikations-Tool der Zukunft. Jetzt, da sich die dritte Welle immer schneller legt, riecht der Hype schon etwas streng. Was ich damit sagen will: Die Conferencing-Disziplin meiner Interviewpartner*Innen lässt merklich nach. Anfangs saßen noch alle brav zu Hause und – wenn man Glück hatte – sogar in einem Tonstudio – geschnäuzt, gekämmt, gut auf die Interviewsituation vorbereitet. Als Belohnung erhielten wir Radiomenschen und Ihr Radiohörer*Innen qualitativ hochwertiges Tonmaterial und man konnte sich zumindest ein wenig in die Augen schauen.

Mittlerweile bin ich froh, wenn die Gesprächspartner*Innen nicht mit dem Auto unterwegs sind, oder sich gerade mit einem Tennisschläger in der anderen Hand melden. Muffin-Fusseln im Bart oder abgetragene Homeoffice-Sweaters lassen sich auch nicht mehr bestaunen, weil kaum noch jemand die Kamera anmacht. Und wenn im Hintergrund eine einsame Klospülung vor sich hinsprudelt, weiß man, dass hier der Restanstand einen fahren hat lassen (pardon my French). Bei den Plattenfirmen und Promo-Agenturen beschweren hilft auch nichts, denn die briefen ihre Schützlinge in der Regel auf Heimgespräche mit rauscharmer Kulisse. So auch bei Gaspard Augé.

„Elo“, ist das Erste, das ich höre, als die eine Hälfte vom Brachial-Elektro-Duo Justice den virtuellen Gastraum betritt. Als nächstes nehme ich Vogelgezwitscher, Kindergeschrei und das gelegentliche Bimmeln einer Glocke wahr. „Sorri, I am in zö Park“, sagt Gaspard. Seine Muffin-Fusseln im Bart kann ich auch nicht sehen, weil Kamera aus. Merde!

Das ist schade, weil nicht nur einige Male die Verbindung abreißt und Gaspard aus der Konzentration gerissen wird (Skater-Alarm!), auch die Audioqualität leidet hörbar, sodass einige Strecken des Interviews nicht sendefähig sind - darunter auch Parts meiner Seriously-Kolumne. Ihr wisst schon, dass ist die unregelmäßige FM4-Hörfunkbelästigung, bei der Ihr Euch sicher schon gefragt habt, ob es im Musikjournalismus noch dämlichere Fragen geben kann - kann es, nämlich die herausgeschnittenen! Hier also das ungekürzte Seriously-Manuskript. Gaspard würde sagen: „Äv Fun!“

Name?

Gaspard Augé

Alter?

42

Wie nennt Dich Dein Liebling?

Wenn ich das verrate, bin ich tot.

Du kommst aus Frankreich, kannst Du was Nettes auf Französisch sagen?

Ich sage selten nette Dinge. Just kidding.

Kannst Du etwas Nicht-Nettes sagen?

Tu es très moche aujourd’hui.

Was heißt das?

Du bist sehr hässlich heute.

Danke. Stimmt es, dass die Franzosen die besten Liebhaber der Welt sind?

Kann ich nicht sagen, ich habe noch nie einen französischen Mann gedatet.

Welche Musik machst Du?

Emotionale Musik.

Ist es starke Musik?

Ich hoffe, sie vermittelt starke Gefühle.

Würde sie Conan der Barbar gut finden?

Ich glaube schon.

Ist Deine Musik anstrengend?

Ich sage mal so, ich mag es generell nicht, wenn man es der Musik anhört, dass sie unter großen Anstrengungen entstanden ist.

Wie machst Du Deine Musik?

Mit einem Keyboard.

In welche Projekt bist Du gerade involviert?

Wir arbeiten am neuen Justice-Album und weil mein Soloalbum auch schon eine Weile im Kasten ist, denke ich bereits an den Nachfolger. Ach ja, und für die Band Jungle habe ich gerade einen Remix gemacht, der demnächst erscheinen wird.

Ihr habt mit Justice zwei Grammys gewonnen. Wo bewahrst Du die Preise auf : im Bücherregal, im Garten oder in der Garage?

Meine Statue steht direkt neben dem offenen Kamin. Die meisten Preise sind hässlich, der Grammy aber ist sehr schön.

Stimmt es, dass ihr Justin Bieber abgemahnt habt?

Ja, das stimmt.

Warum? Er ist sooo niedlich?

Das stimmt allerdings auch.

Er hat Euer Logo verhunzt und für seine eigene Platte verwendet – angeblich.

Er ist tiefgläubiger Christ, für ihn hat das vermutlich Sinn gemacht.

Ich wollte einmal Musik abseits von Justice machen und dabei gegen gängige Popkonventionen verstoßen.

Warum hast Du Dein erstes Soloalbum „Escapades“ genannt?

Jeder braucht mal eine Flucht vom Alltag, speziell jetzt.

Ich habe im Wörterbuch nachgeschlagen und da kamen drei Ergebnisse raus: Abenteuer, Streich und Seitensprung.

Stimmt alles. Ich wollte einmal Musik abseits von Justice machen und dabei gegen gängige Popkonventionen verstoßen.

Warum kommen keine Stimmen vor?

Die hätten vom emotionalen Gehalt abgelenkt. Außerdem legen Sänger und Sängerinnen zu viel Ego in ihren Vortrag.

Um was geht es am Album?

Reisen in deinem Kopf.

Warum klingt es so pompös? Wärst Du gerne der König von Frankreich?

Nein, ich bin gerne Bauer. Es geht darum, Musik zu machen, die größer ist als das Leben: larger than life!

Ist es ein gutes Album geworden?

Ich denke schon, ich hoffe es jedenfalls.

Ist es das beste Album, das Du jemals gemacht hast?

Das wird die Zeit zeigen.

Von wem hast Du dieses Mal geklaut?

Ein Rip-Off passiert meistens im Unterbewusstsein – außer man ist Justin Bieber.

Im Video von „Hey!“ sehen wir einen bärtigen Reiter durch die Steppe galoppieren. Bist das Du?

Nein, das ist ein Stuntman. Er hat Unglaubliches geleistet! Wir haben die Videos in der Türkei gedreht. Das war seltsam, weil sie gerade einen sehr strengen Lockdown hatten. Du musst dir vorstellen, eine Stadt wie Istanbul und keine Menschen auf den Straßen.

Beim Video zu „Force Majeure“ sieht man den Prozess, wie aus Feuer und Metal Schlagzeugbecken geschmiedet werden. Hast Du einen kleinen Richard-Wagner-Tick?

Der Ring der Nibelungen! Es geht um elementare Symboliken und Mythen. Feuer, Rauch, Kreation, Sound.

Zum Schluss die drei wichtigsten Fragen des Musikjournalismus: Was ist Dein Lieblingsessen?

Diese Frage kann ich unmöglich beantworten.

Was ist Dein Lieblingsgetränk?

Natürlicher Wein.

Was ist Deine Lieblingsfarbe?

Rot.