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Filmszenen A Quiet Place 2 und The Nest

Paramount Pictues & Ascot Elite Entertainment Group

FILM

„A Quiet Place 2“ & „The Nest“: Gruselige Familienszenarien

Zwei Filme laufen nach vielen Verschiebungen im Kino an, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Dabei handeln aber beide von Familien im Ausnahmezustand.

Von Christian Fuchs

Es ist die letzte große Pressevorführung, die im März 2020 in Wien stattfindet, ein paar Tage vor dem ersten Lockdown. „A Quiet Place 2“ flimmert über die Leinwand, die bald für lange Zeit finster sein wird. Ein Blockbuster, der von der Apokalypse handelt - und vom Überleben der Menschen angesichts einer globalen Bedrohung. Das mulmige Gefühl in der Magengrube, das sich im Kinosessel einstellt, hat nur teilweise mit dem Film zu tun.

Journalisten müssen damals ein Embargo unterschreiben. Erst wenn „A Quiet Place 2“ veröffentlicht wird, darf man seine Meinung kundtun. Nach etlichen Startverschiebungen ist es jetzt, im Juni 2021, tatsächlich soweit. In einem Satz zusammengefasst: Das Sequel zum erfolgreichen Endzeitschocker ist ganz ok, aber bei weitem nicht so wirkungsvoll wie der Originalfilm.

Mit „A Quiet Place“ ist dem Schauspieler und Komiker John Krasinski 2018 ein Überraschungserfolg gelungen. Der Film folgt einer Familie durch eine zerstörte Welt nach einer globalen Attacke von mörderischen Aliens. Jedes Geräusch lockt die blinden, aber hellhörigen Monster mit ihren scharfen Zähnen und gepanzerten Klauen an. Inhaltliche Substanz bietet der Film zwar wenig, aber zumindest in Sachen Spannungserzeugung erweist sich der Horrordebütant John Krasinski als Profi.

Filmszene A Quiet Place 2

Paramount Pictures

Endzeit-Versatzstücke statt Minimalismus

Die Fortsetzung beginnt wenige Minuten nach den Geschehnissen von „A Quiet Place“. Evelyn Abott (Emily Blunt), ihre beiden Kinder und ihr neugeborenes Baby flüchten aus ihrem abgeschiedenen ländlichen Refugium. Ehemann Lee (John Krasinski) hat sich geopfert, um seine Liebsten vor den außerirdischen Kreaturen zu retten, die die Erde eroberten.

Die blitzschnell agierenden Weltraumwesen sind als omnipräsente Gefahr geblieben, aber „A Quiet Place 2“ ist kein nervenzerfetzendes Kammerspiel mehr. Die Familie Abott marschiert raus in die Welt, stößt auf andere Überlebende, Spannungen entwickeln sich. Der schlimmste Feind des Menschen, sagen uns postapokalyptische Filme, ist schließlich der Mensch. Anders gesagt: Wer die Serie „The Walking Dead“ kennt, muss sich nur die Zombies wegdenken und durch Aliens ersetzen.

Emily Blunt und die begabten Jungdarsteller an ihrer Seite tun alle ihr Bestes, vor allem die gehörlose Millicent Simmonds überzeugt in einer entschieden größeren Rolle. „Peaky Blinders“ Star Cilian Murphy bringt als undurchschaubarer Helfer etwas Ambivalenz in die Story.

Aber John Krasinski, der erneut im Regiestuhl sitzt, bemüht diesmal zu oft gesehene Versatzstücke des Sci-Fi-, Horror- und Endzeit-Kinos. Schade um den Minimalismus des Originals, denkt man sich nach dieser grundsoliden, aber stellenweise faden Fortsetzung, die übrigens mit einem erneuten Cliffhanger endet. Ein Franchise ist wohl im Entstehen.

Filmszene A Quiet Place 2

Paramount Pictures

Horror mit menschlichen Ursprüngen

„A Quiet Place 2“ ist natürlich nicht der einzige Film, der jetzt mit Verspätung anläuft. Fast schon eine Flutwelle aus bislang verschobenen Produktionen wird in den nächsten Monaten in die wiedereröffneten Kinos branden. Dabei fällt es leicht kleinere Werke zu übersehen. Einen Film wie „The Nest“ zum Beispiel, aus dem vergangenen Jahr.

Jude Law überredet seine Familie darin als erfolgreicher Unternehmer zu einem Umzug. Vom der pulsierenden amerikanischen Großstadt führt der Weg in die englische Abgeschiedenheit. Ein altes Landhaus wartet, Ehemann Rory sieht seinen Lebenstraum verwirklicht. Seine Frau Allison (die fantastische Carrie Coon aus „The Leftovers“) und die beiden Kinder reagieren skeptisch. Und fühlen sich in dem riesigen Gebäude verloren.

So könnte ein Horrorthriller beginnen, den man schon öfter gesehen hat. Die unheimliche Atmosphäre in dem gediegenen Wohnsitz ist beinahe greifbar. Eine Tür öffnet sich einmal wie von selbst, Allisons geliebtes Pferd wird auf mysteriöse Weise krank. Aber Regisseur Sean Durkin flirtet nur an der Oberfläche mit den paranormalen Klischees des Haunted House Kinos. Die beklemmende Stimmung in seinem Meisterwerk „The Nest“ hat allzu menschliche Ursprünge.

Filmszene The Nest

Ascot Elite Entertainment Group

Psychodrama und Gesellschaftskritik

„The Nest“, muss man eingefleischte Genrefans enttäuschen, ist ein Film über eine Familie in der Krise. Die Gesprächsfloskeln am Frühstückstisch, die übertriebene Euphorie des hochstaplerischen Vaters, all das verbirgt nur einen Abgrund von Lügen und Zweifeln. Jude Law und Carrie Coon spielen sensationell verhalten das zunehmend feindselige Paar.

Perfekt ist auch das Setting dieses Beziehungsdramas, in den 80er Jahren, als der Kapitalismus in einer Hochphase steckt. Sean Durkin packt mit seiner Yuppie-Dekonstruktion auch böse Gesellschaftskritik in die intime Charakterstudie.

Filmszene The Nest

Ascot Entertainment Group

Irgendwann erinnert der Landsitz in „The Nest“ fast an das Overlook Hotel in „The Shining“. Dabei irren nur höchst irdische Gespenster durch die Gänge, mit vielen tief sitzenden Traumata. Die Erwartungen des Publikums hat Sean Durkin schon mit seinem tollen Debütfilm „Martha Marcy May Marlene“ unterlaufen. Der verkaufte sich nach außen als unheimlicher Sektenthriller, erzählte darunter aber primär von psychischen Krisen.

Der wahre Horror ist das wirkliche Leben, könnte das Motto dieses Regisseurs lauten. Mit „The Nest“ ist Mr. Durkin einer der Filme des Jahres gelungen, Drehbuch, Kamera, Musik, Schauspieler*innen, alles perfekt.

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