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Mary Miller: "Always Happy Hour"

Hanser Literaturverlage

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Mary Miller und ihre Erzählungen aus dem Leben junger Frauen im Süden der USA

Die US-Amerikanerin Mary Miller schrieb schon in ihrem ersten Erzählband, „Big World“, von der Banalität des gewöhnlichen Lebens. Frauen standen dabei im Mittelpunkt. In ihren aktuellen Erzählungen, „Always Happy Hour“, begegnen wir wieder jungen Frauen und ihrem entzauberten Alltag.

von Eva Umbauer

„Er dreht das Radio auf. Wir stehen beide auf Country. Rap mögen wir auch. Niemand weiß, wo ich bin. Wenn ich mit ihm zusammen bin, antworte ich nicht auf Nachrichten von Freundinnen und rufe meine Mutter nicht zurück. Ich bin dann wie vom Erdboden verschluckt.“

„Always Happy Hour“ heißt die titelgebende Geschichte von Mary Miller. Es gibt immer irgendwo einen Drink zum halben Preis, und einen Pool, wo man seine Beine abkühlen kann. Eine andere Story in ihrem Erzählband nennt die Autorin „Wo all die schönen Menschen hingehen“, und wieder eine andere heißt „Big Bad Love“. Aber fangen wir gleich vorne im Buch an mit „Das Haus an der Main Street“:

„Mittwochs ist in der Stadt ein Bauernmarkt. Meine Mitbewohnerin Melinda fährt die drei Blocks zum Town Square Park mit dem Rad und kommt mit einer Tüte voll Hirschsalami oder einem ganzen Huhn zurück. Genau wie ich ist sie zum Promovieren in der Stadt, aber sie kommt aus New York City und findet bis auf die ausgefallenen Fleischsorten und die Nähe zu New Orleans alles hier scheiße.“

Melindas Mitbewohnerin isst kaum noch Fleisch, findet das fette Huhn im Kochtopf fürchterlich, wie es hüpfend an der Oberfläche schwimmt. Während das Huhn kocht, hat Melinda Sex mit „einem Doktoranden aus dem dritten Jahr, der mit seinen religiösen Überzeugungen ringt.“ Eine irgendwie patscherte Situation, wie so oft in „Always Happy Hour“ von Mary Miller. Aber, so erfährt man: „In New York kennen die Leute keine Privatsphäre - sie hängen einfach einen Vorhang mitten ins Zimmer und tun so, als wären sie allein.“ Oder man geht einfach ein wenig nach draußen, um nicht dauernd mit der Mitbewohnerin aufeinderzupicken.

Mary Miller: "Always Happy Hour"

Hanser Literaturverlage

„Always Happy Hour“ von Mary Miller wurde von Stefanie Jacobs für den Hanser Verlag ins Deutsche übersetzt.

Ebenfalls auf Deutsch gibt es „Big World: Stories“, übersetzt von Alissa Walser für den dtv-Verlag, genauso wie „The Last Days Of California“ von Alissa Walser als „Süßer König Jesus“ für dtv. Außerdem gibt es von Mary Miller den bisher noch nicht übersetzten Roman „Biloxi“.

"Ich schließe den Wagen auf, suche in der Konsole und im Handschuhfach. Ich finde eine von Jonahs CDs. (…) Ich nehme sie mit nach oben und lade sie mir auf den Computer, höre mir „Rhinestone Lady“, „Porno King From New Orleans“ und „Monkey Lover" an. Die Texte, die ich früher lustig fand, kommen mir jetzt ziemlich kaputt vor, aber die Melodien sind schön. Vielleicht habe ich Jonah doch geliebt.“

Jonah hat sich das Leben genommen. Da ist ein Crack-Haus, aber es gibt auch einen hübschen, schattigen Trailerpark. Ein Typ hat keinen Ausweis - verloren, angeblich in einem Boot, das im See gesunken ist. Der Bikini ist am Hintern schon ganz abgewetzt, die junge Frau braucht einen neuen, findet sie, falls „es im Hotel einen Pool gibt.“ Aber wo ist eine Toilette? „Ich muss pinkeln, halt einfach mal irgendwo, wenn’s gerade passt.“

Mary Millers Storys haben eine gewisse Atemlosigkeit, auch wenn eigentlich nichts Großes passiert - kann es ja auch nicht, denn „wir wohnen in Mississippi“, wie es in einer der Short-Storys heisst. Aber da ist ein Hund mit Elektrohalsband...

„Always Happy Hour“ ist auch verstörend, vor allem in seiner Emotionslosigkeit. Das Buch ist nicht einfach eine Sammlung von Storys über Frauen, die scheinbar ziellos durch das Leben treiben, Burritos essen und dazu kaltes Bier trinken. Die Protagonistinnen fordern einen heraus, eine Art „Schönheit“ in ihrem entzauberten Alltag zu erkennen.

Mary Miller stammt aus der Stadt Jackson, Mississippi, im Süden der USA, und ging in Texas zur Universität. Heute lebt sie wieder in Mississippi, in der Stadt Oxford. In ihrem Roman „The Last Days Of California“ - er wurde vor vier Jahren veröffentlicht - schreibt Mary Miller von einer jungen Frau, einer 15jährigen Teenagerin, die zusammen mit ihrer Familie, angeführt von einem der evangelikalen Kirche angehörigen Vater, zu einem Road-Trip aus dem Süden der USA nach Kalifornien aufbricht.

In ihrem ganz ersten Buch, dem 2009 erschienenen und sprachlich so präzisen „Big World“, das ebenfalls ein Erzählband war, hat Mary Miller Frauen versammelt, die sich von männlicher Anerkennung abhängig machen. Sie leiden, können oder wollen sich jedoch nicht davon befreien. Auch in „Big World“ brachte Mary Miller wie nun in „Always Happy Hour“ einen oft emotionslosen Blick auf eine Welt - voller Trucks, Rausch und Blowjobs - zum Ausdruck, der stets der seiner Figuren ist und der niemals urteilt. Mary Miller ist definitiv eine der interessantesten jungen US-Autorinnen.

„Dann kommt ein Kellner und bietet uns kleine Gratisdrinks an, weil gerade Happy Hour ist. Wir nehmen jeder einen, und seine Mom und sein Dad schieben ihren in die Mitte des Tisches. Sie sind wirklich nett, aber ich weiß nicht, worüber ich mich mit ihnen unterhalten soll.“

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